Flüchtlinge in der Türkei: EU-Kommission will legale Wege nach Europa öffnen
Deutschland will Flüchtlinge direkt aus der Türkei in EU-Länder umsiedeln - wenn Ankara die Grenzen besser schützt. Die EU-Kommission zieht bei diesem Plan mit.
Die Stimmung in Europa ist vergiftet, wenn es um die gerechte Verteilung von Flüchtlingen geht. Bevor am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs der EU im Brüsseler Ratsgebäude zum letzten EU-Gipfel vor Weihnachten zusammenkommen, trifft sich nun ein kleiner Kreis einige Meter entfernt zu einer Art Nebengipfel.
Die „Koalition der Willigen“, bestehend aus den Hauptaufnahmeländern Österreich, Schweden, Finnland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg, Griechenland, Deutschland und der EU-Kommission, hat sich in der Ständigen Vertretung Österreichs verabredet. Aus der Türkei wird Ministerpräsident Ahmet Davutoglu anreisen. Die Gruppe will Syrer, Pakistani und Staatenlose, die derzeit Zuflucht in der Türkei suchen, direkt in EU-Länder umsiedeln. Dadurch soll die Türkei, in der offiziellen Angaben zufolge seit 2011 allein 2,2 Millionen Syrer Zuflucht gesucht haben, entlastet werden.
„Das ist eine flankierende Maßnahme zum EU-Türkei-Aktionsplan, der am 29. November beschlossen wurde“, erläuterte ein EU-Kommissionsbeamter am Dienstag. In dem Aktionsplan hat die EU der Türkei insgesamt drei Milliarden Euro versprochen, wenn diese ihre Grenzen besser schützt und die Versorgung der Flüchtlinge im eigenen Land verbessert. Das Ziel ist eine Eindämmung des Flüchtlingszustroms nach Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte mehrfach gesagt, dass ein Teil der Flüchtlinge dann der Türkei abgenommen werden müsste – die sogenannten Kontingente.
Nun kommt die EU-Kommission der „Koalition der Willigen“ mit einer Empfehlung entgegen, die sie am Dienstagabend in Straßburg vorstellte. Darin geht es um eine gerechte Auswahl der Flüchtlinge, die für ein sogenanntes „Resettlement“-Programm infrage kommen. Beim Resettlement geht es um eine Umsiedlung, nicht um eine EU-interne Verteilung der Flüchtlinge, die so viel Streit in Europa ausgelöst hatte.
Luxemburg plädiert für Umsiedlung von 100.000 Flüchtlingen
„Wir möchten legale Eintrittsmöglichkeiten schaffen, damit wir den Flüchtlingszuströmen nicht weiterhin derartig ausgeliefert sind“, sagte der für Migrationsfragen zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos am Dienstagabend in Straßburg. Eine Zahl, wie viele Flüchtlinge insgesamt umgesiedelt werden sollen, schlägt die EU-Kommission nicht vor. Dies sei Sache der politischen Ebene, hieß es.
Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn bezeichnete am Montag die Zahl von 100.000 Flüchtlingen zur Umsiedelung als „illusorisch“. Er plädierte dafür, 50.000 Flüchtlinge aus der Türkei in der EU anzusiedeln. Angedacht ist, dass die Umsiedlungspläne auch für Jordanien und den Libanon gelten sollen, in denen ebenfalls Hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien leben. Sie könnten über den Resettlement-Mechanismus für 22.000 Flüchtlinge verteilt werden, auf den sich die EU-Staaten bereits geeinigt haben.
Die „Willigen“ wollen nur dann Flüchtlinge aus der Türkei in die EU umsiedeln, solange sich die Türkei an den festgelegten Aktionsplan hält, also seine Grenzen besser schützt und die Situation für Flüchtlinge im eigenen Land verbessert. Andernfalls soll das Programm ausgesetzt werden. Die Türkei warnte unterdessen die EU bereits davor, sich bestimmte Flüchtlinge „herauspicken" zu wollen. Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu sagte in Brüssel, die EU-Staaten sollten sich nicht die am besten Ausgebildeten und Christen unter den Flüchtlingen aussuchen.
Federführend bei der Auswahl ist das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Die ausgewählten Flüchtlinge bekommen Sozialhilfe und dürfen direkt auf Jobsuche gehen. Und sie haben bessere Chancen, ihre Familie nachzuholen.
Julia Bosch