SPD-Politiker Martin Dulig: "Es wird Zeit, dass man anders auf Ostdeutschland blickt"
Der Ostbeauftragte der SPD sagt, dass seine Partei die Menschen in den neuen Ländern versteht. Unterschiede zum Westen wie geringere Löhne müssten verschwinden.
Herr Dulig, wird Deutschland nach den drei Landtagswahlen im Osten im Herbst den ersten AfD-Ministerpräsident erleben?
Nein, das wird nicht so kommen.
Laut den Umfragen könnte die AfD in mehreren Ländern stärkste Kraft werden…
Alle reden nur über die AfD – und machen sie damit stark. Wir müssen unsere eigenen Grundwerte und daraus abgeleiteten Konzepte in den Vordergrund stellen und uns nicht weiter auf das Spielfeld der Rechtspopulisten locken lassen. Damit stellen wir die AfD auch inhaltlich. Dabei wird rauskommen, dass die AfD-Inhalte vertritt, die der Mehrheit der Menschen in Ostdeutschland schaden. Anders als die SPD haben sie keine Konzepte gegen Altersarmut oder für die Digitalisierung.
Vertrauen Sie dem Versprechen der CDU, dass sie nicht mit der AfD zusammenarbeiten oder koalieren will?
Selbst wenn die AfD bei den drei Wahlen gute Zustimmung erfahren sollte, wüsste ich nicht, wer mit dieser Partei koalieren will. Bei uns in Sachsen hat die CDU und ihr Vorsitzender Michael Kretschmer der AfD eine klare Absage erteilt. Ich habe keinen Grund dem nicht zu Vertrauen. Mit Sorge sehe ich jedoch die regionale Kooperation zwischen CDU und AfD, wie zum Beispiel in Dresden.
Wie wollen Sie in Sachsen, will die SPD in den beiden anderen Ost-Ländern ihre mageren Umfragewerte steigern?
Mich nervt es, wenn viele so tun, als stünde das Wahlergebnis vom Herbst schon fest. Ich sage Ihnen: Es wird anders kommen, weil wir Sozialdemokraten das Vertrauen erkämpfen werden. Wir wollen mit Hoffnung und Zuversicht in die Wahlauseinandersetzungen gehen und unser Land nicht von vornherein schlechtreden lassen. Wir haben nämlich etwas zu verteidigen, unsere parlamentarische Demokratie im Osten und das was in den letzten 30 Jahren von den Menschen hier aufgebaut und erreicht wurde.
In allen neuen Ländern (jenseits von Berlin) hat die SPD nur rund 20.000 Mitglieder, nur ein Fünftel des mitgliederstärksten Landesverbandes NRW. Lässt sich diese organisatorische Schwäche noch ausgleichen?
Die ostdeutsche SPD war eine komplette Neugründung aus der Opposition gegen die SED. Darauf sind wir stolz, Deshalb halten wir die erste Jahresauftaktklausur der ostdeutschen SPD auch in Schwante ab, wo die Ost-SPD 1989 gegründet wurde. Wir konnten aber anders als die PDS und die Ost-CDU eben nicht an vorhandene Strukturen anknüpfen, übernahmen keinen Mitgliederstamm. Dieser Unterschied schließt sich nur langsam und ist bis heute spürbar. Aber ich sehe das nicht als Schwäche. Wir haben andere und zum Teil auch bessere Wege der Parteiarbeit gefunden und uns als SPD moderner aufgestellt. Wir arbeiten beispielsweise schon länger mit parteilosen Kandidatinnen und Kandidaten zusammen und sind als SPD sehr offen für neue Gesichter und Ideen.
Welche Botschaft soll von dem Treffen in Schwante ausgehen?
Wir werden deutlich machen, dass die Ost-SPD eigene Antworten hat, weil sie die Menschen in den neuen Ländern besser versteht als viele andere. Es wird Zeit, dass man anders auf Ostdeutschland blickt. Wir wollen mit eigenem Selbstbewusstsein Themen vorstellen und bekennen uns zu unserer eigenen Sicht auf Politik und Gesellschaft. Deutlich wird das bei den Thema Arbeit und Kinderarmut. Die Menschen in Ostdeutschland arbeiten mehr und bekommen dafür weniger als ihre westdeutschen Kollegen. Das darf nicht so bleiben. Weil aber die Gewerkschaften hier eine kleinere Rolle spielen, ist es die Aufgabe der SPD nach Wegen zu suchen, wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihren gerechten Anteil an der guten wirtschaftlichen Entwicklung bekommen. Da reden wir über einen höheren Mindestlohn und über mehr Möglichkeiten Tarifverträge für Allgemeinverbindlich zu erklären. Beim Thema Kinderarmut gibt es in den ostdeutschen Bundesländern sehr große Unterstützung für die Idee einer Kindergrundsicherung. Ich bin froh, dass viele westdeutsche Landesverbände uns inzwischen unterstützen.
Was erwarten die SPD Sachsens, Brandenburgs und Thüringens im Wahlkampf von der Bundes-SPD?
Natürlich gibt es immer auch einen Bundestrend, aber die Wähler werden vor allem unsere Leistungen und Versprechungen in ihrem eigenen Bundesland bewerten. In Sachsen haben wir bei der Landtagswahl 2014 dazugewonnen, das macht mich auch für den Herbst zuversichtlich. Wir wissen, dass wir es aus eigener Kraft schaffen können. Was uns sicher hilft ist, wenn Bundes-SPD ihren begonnen Weg der Erneuerung noch konsequenter fortsetzt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel entdeckt ihre ostdeutsche Herkunft und zeigt Verständnis für Frustration und Unzufriedenheit in Ostdeutschland. Begrüßen Sie das?
Es freut mich, dass jahreslanges zähes Ringen um eine gute Politik für Ostdeutschland nun auch endlich bei der Kanzlerin anzukommen scheint. Ich kann mich an keinen Wahlkampf in den letzten Jahren erinnern in dem der Osten für die CDU oder Frau Merkel ein großes Thema gewesen wäre. Ich würde mir allerdings wünschen, dass wir über die bloße Feststellung, dass im Osten die Dinge etwas anders laufen, hinauskommen und mit guter Politik anfangen hier wirklich etwas zu verändern. Mit der neuen Grundrente gehen wir den ersten Schritt. Eine Kindergrundsicherung und die Angleichung der Löhne wären ein nächster.
Die Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern hat definiert, wer Ostdeutscher ist, nämlich wer bis zum 31. Dezember 1975 in der DDR geboren wurde und in ihr bis 1989 oder kurz davor gelebt hat. Ist das auch Ihre Definition von ostdeutsch?
Ich lehne eine Definition nach Blutsgruppen ab. Diese Debatte betont des Trennenden und nicht das Einende. Sie hilft uns außerdem keinen Schritt weiter. Es geht nämlich nicht darum wo oder wann man geboren wurde, sondern was man in die Gesellschaft einzubringen hat. Wir müssen darüber reden, wie die unterschiedlichen Lebenserfahrungen, egal ob Ost oder West die Gemeinschaft prägen und was es mit dem Menschen macht, wenn der in unterschiedlichen Systemen aufwächst.
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