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Der bayrische Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger erklärt in einem Interview, warum er sich nicht impfen lässt.
© Imago/Metodi Popow

Aiwanger lehnt Corona-Impfung für sich ab: „Es ist falsch, Ungeimpfte als verantwortungslos zu brandmarken“

Bayerns Vize-Regierungschef Hubert Aiwanger liegt beim Thema Impfen mit Markus Söder über Kreuz. In einem Interview betont er nun, kein Impfgegner zu sein.

Die öffentliche Auseinandersetzung sorgte für viel Aufruhr: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) wies bei einer Pressekonferenz mit seinem Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) darauf hin, dass sein Wirtschaftsminister noch nicht geimpft sei und sagte vor laufender Kamera: „Vielleicht sagst du selber was dazu, warum du einfach dich nicht impfen lassen willst.“

Aiwanger rechtfertigte sich, in dem er sagte, dass „die Entscheidung, ob sich jemand impfen lässt oder nicht, ist eine persönliche Entscheidung“ sei. „Die nehme ich auch für mich in Anspruch.“ Nun hat sich der Bundesvorsitzende der Freien Wähler in einem Interview mit der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ) ausführlich dazu geäußert.

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„Ich bin kein Impfgegner“, sagt Aiwanger, der der einzige im bayerischen Kabinett ist, der noch nicht einmal geimpft ist. „Wer sich impfen lassen will, möge es tun, und bei vielen Krankheiten ist es auch sinnvoll. Auch die Corona-Impfung ist wahrscheinlich für den einen sinnvoll, für den anderen nicht.“ Man müsse immer differenzieren und den Einzelfall betrachten.

Daran, dass er öffentlich als Impfgegner dargestellt werde, sehe man, welche „Schwarz-Weiß-Denke“ mittlerweile herrsche. „Bist du nicht meiner Meinung, bist du ein ganz Böser und musst an den Pranger gestellt werden. Nach fünfzig Jahren Erziehung zu Toleranz muss man sich schon wundern, wie schnell die öffentliche Meinung auf Leute losgeht, die nicht dasselbe sagen wie einige Fernseh-Virologen“, sagt Aiwanger.

Er gibt im Interview offen zu, dass ihm die Debatte missfällt. „Es ist wirklich falsch, auf die Ungeimpften Druck auszuüben und sie als verantwortungslos zu brandmarken. Es gibt einen zweistelligen Prozentsatz in der Bevölkerung, der sich persönlich gegen eine Impfung entschieden hat, warum auch immer. Das müssen wir akzeptieren“, so der bayerische Vize-Regierungschef.

Er deutet auch an, was bei ihm der ausschlaggebende Punkt gewesen sein könnte, sich bisher nicht impfen zu lassen. „Bei den Impfkonzernen und in der Wissenschaft lief ja einiges schief. Was heute nur für die Älteren geeignet sein sollte, wurde morgen plötzlich nur für die Jüngeren empfohlen, dann wieder andersherum. So erzeugt man Verunsicherung.“

Man müsse Druck vom Kessel nehmen, die Leute überzeugen und die wissenschaftliche Aufklärung vorantreiben, sagt Aiwanger zur NZZ. „Es gibt ja noch Dutzende andere Krankheiten, bei denen es eine Abwägung für den Einzelnen gibt anstatt Zwang. Sollen wir beispielsweise künftig jedes Jahr eine Grippeimpfung für jeden erzwingen?“ Er und die Freien Wähler sprächen sich klar für ein Impfangebot und gegen einen Impfzwang aus.

Für Aiwanger ist die Impfung nicht der einzige Weg

Dass Impfen die einzige echte Chance sei und es keinen anderen Weg gebe, wie Söder es formuliert hatte, ist für Aiwanger „zu alternativlos und zu absolut“. Momentan deute vieles darauf hin, dass das Impfen ein zielführender Weg ist, vor allem auch für Menschen, bei denen ein schwerer Krankheitsverlauf zu befürchten sei. Allerdings wisse man noch zu wenig, welche Menschen das genau sind, so Aiwanger.

Dass er Zweifel an der Wirksamkeit der Corona-Impfstoffe habe, habe er nie gesagt, betont er. „Ich habe meine persönliche Entscheidung kundgetan, und ich will nicht, dass sich jeder Ungeimpfte rechtfertigen muss, warum er sich so entschieden hat.“ Man müsse die auch diejenigen ernst nehmen, die Gründe haben, sich nicht oder noch nicht impfen zu lassen.

„Die pragmatischen Stimmen werden lauter. Wir dürfen uns als Gesellschaft nicht von den Lauterbachs dieser Republik in die Enge treiben lassen“, sagt Aiwanger. „Die enorme Polarisierung in der Debatte müssen wir überwinden. Es ist unmöglich, eine Gesellschaft über Jahre hinweg in Endzeitstimmung gefangen zu halten. Selbst wenn weitere Varianten des Coronavirus kommen sollten, müssen wir die Lage mit einer gewissen Nüchternheit managen.“ (Tsp)

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