Klimaschutz: Es geht nicht immer alles gut
Die Regierungen müssen die Kohlewende, die Agrarwende und die Verkehrswende schaffen. Das alles gehört verändert. Ein Kommentar.
Weil ein Teil der Farce gerade im Rheinland spielt, liegt ein Satz nahe, der das Handeln oder Nicht-Handeln ziemlich passend beschreibt. Er gehört zu den rheinischen Grundgesetzen und lautet: Et hätt noch immer jot jejange. Übersetzt: Es ist noch immer gut gegangen. Vom alten Adenauer bis heute, möchte man sagen. Wenn da nur die Wirklichkeit nicht wäre – und die haut richtig rein. Wer jetzt noch beschwichtigend redet, der ist aus der Zeit gefallen. Der jüngste Bericht des Weltklimarats spricht eine andere Sprache. Jedenfalls bestimmt nicht Rheinisch.
In Kürze ein paar Gründe für neue Nachdenklichkeit: Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, erfordert rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft. So sagt es der Weltklimarat nach seinen umfänglichen Erhebungen, und er bezieht das auf diese Bereiche: Energie, Industrie, Gebäude, Transport, in den Städten und auf dem Land. Dann würde der Meeresspiegel deutlich weniger steigen, Millionen direkt betroffene Menschen könnten aufatmen, Milliarden hoffen. Auch wenn der Zeitgewinn überschaubar wäre – es gäbe immerhin einen. Sieben Jahre, heißt es. Allerdings ist die Zahl angesichts geplanter und existierender Kohlekraftwerke, die oft noch Jahrzehnte CO2 ausstoßen, gefährdet.
Also, was tun? Experten sagen: global aus der Kohle aussteigen. Auch im Rheinland. Womit wir im Hambacher Forst nahe Köln wären, dem Ort für weiteren großflächigen Braunkohleabbau, dem Beispiel für organisierte Unzuständigkeit, man könnte auch Verantwortungslosigkeit sagen. Sehr spitz zusammengefasst wollen CDU und FDP, die jetzt in der Regierung sind, mit dem Desaster der Auseinandersetzung nichts zu tun haben. Versteht sich. SPD und Grüne wollen das natürlich auch nicht. Damit wir richtig verstehen: Alle vier Parteien haben zu je ihrer Zeit nur das exekutiert, wovon behauptet wurde, dass es für Versorgungssicherheit und Arbeitssicherung unverzichtbar sei. Und jetzt? Sind alle dankbar, dass nicht die Politik neu entscheiden musste, sondern ein Gericht entschieden, das Abholzen verboten hat.
2050 muss die Treibhausgasneutralität erreicht sein
Alle Sorgen sollen warten? Das geht aber nicht. Und so geht es nicht, nicht hier in Deutschland und nicht weltweit. Der Kohlendioxidausstoß soll doch weltweit 2020 seinen Höhepunkt erreicht haben und danach stark sinken. Auch muss bis 2050 Treibhausgasneutralität erreicht sein. Unser aller verbleibendes „CO2-Budget“, um die 1,5-Grad-Grenze zu schaffen, wird ohne rasche, weitreichende Veränderungen innerhalb der nächsten zehn Jahre aufgebraucht.
Mag der einzelne Mensch sich auch gern einreden, an ihm allein, an seiner Verhaltensänderung könne die Welt nicht genesen. Es bleibt dennoch Anforderung an diejenigen, die in der Politik gestalten können, genau umgekehrt das Gefühl der persönlichen Verantwortung zu stärken. Das sagt der Weltklimarat so ähnlich, vielleicht nicht ganz so direkt. Aber die Fakten verlangen es. Nur wenn sich immer mehr wirklich verantwortlich fühlen, kann sich etwas ändern. Zumindest steigt dann die Hoffnung statt der Temperaturen.
Der einzelne Mensch wählt auch – wenn er wählt –, dass Richtungen vorgegeben werden. Er wählt außerdem Vorbildhaftes. Nicht die Justiz, sondern die Regierungen müssen deshalb im Wissen um die Erderwärmung vorbildhaft entscheiden. Sie müssen alles noch einmal auf den Prüfstand stellen. (Übrigens, nur in Klammern, hierzulande auch die Pläne zum Atomausstieg. Sind sie konsistent oder Wunschdenken?) Vor diesem Hintergrund: Die Regierungen müssen klare Reduktionsziele bei der Kohle definieren, müssen Konversionspläne machen, müssen die Agrarwende und die Verkehrswende einleiten. Ja, war da nicht auch was mit Diesel und so?
Das alles gehört verändert. Klimaschutz ist keine Farce. Es geht nämlich nicht immer alles gut. Nicht einmal im Rheinland.