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Der AfD-Bundestagsabgeordnete Armin-Paul Hampel nimmt Mariana Harder-Kühnel von der AfD nach dem 3. Wahlgang in den Arm.
© AFP/ Odd Andersen

Scheitern von Mariana Harder-Kühnel: Es dürfte im Bundestag noch ruppiger werden

Es wäre souverän gewesen, die AfD-Kandidatin für den Vizepräsidenten-Posten zu akzeptieren. Mit einer Umarmungsstrategie hätte man der AfD Angriffsfläche nehmen können. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Georg Ismar

Es ist gerade viel vom Klima die Rede. Schüler in ganz Europa demonstrieren auch diese Woche wieder für drastische Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung - während Parlamente von London bis Berlin in Selbstbeschäftigung  verfallen oder sich untereinander bekriegen, statt große, zukunftsweisende Lösungen zu finden. Zum sechsten Mal stand am Donnerstag im Deutschen Bundestag die Wahl eines AfD-Vizepräsidenten auf der Tagesordnung.  Zum sechsten Mal gab es keine Mehrheit, um etwas zu vollziehen, was in normalen Zeiten eine Formalie ist. Drei Mal ließ man den mit islamfeindlichen Aussagen aufgefallenen Albrecht Glaser durchfallen, nun drei Mal die offiziell als gemäßigt geltende Mariana Harder-Kühnel. Nach drei Pleiten muss ein neuer Kandidat her.

Die Wahl hat gezeigt, dass gerade Union und FDP in der Frage, zustimmen oder weiter durchfallen lassen, gespalten sind. Umarmen oder Bekämpfen? Damit die AfD sich nicht weiter als Opfer und Märtyrer darstellen kann, hatten CDU/CSU-Fraktionschef Ralph Brinkhaus und FDP-Chef Christian Lindner ihre Zustimmung signalisiert. Die AfD-Fraktion selbst hat 92 Abgeordnete, Harder-Kühnel erhielt 199 Stimmen, weniger noch als in den zwei Wahlgängen zuvor. Trotz der prominenten Fürsprecher. Aber es gibt zugleich Berichte, dass auch eigene AfD-Leute nicht für sie gestimmt haben könnten – und sie viel weiter rechts stehe, als gemeinhin angenommen.

Wer Bequemlichkeit mit Souveränität verwechselt, sollte vielleicht noch mal in sich gehen und darüber nachdenken, was das Konzept von "Gewissen" eigentlich bedeutet - und wie kostbar es ist.

schreibt NutzerIn YvonneD

Es ist die Gretchenfrage für viele Abgeordnete, zwei Seelen schlagen in der Brust. Das Thema endlich abräumen, zeigen, dass die Berliner Republik eine stabile, wehrhafte Demokratie ist, die eine AfD-Politikerin als Bundestagsvizepräsidentin locker verkraften kann. Oder aber den Anfängen wehren und aus Prinzip der Politikerin einer Partei, auf die der Verfassungsschutz seine Augen wirft und deren Fraktionschef Alexander Gauland die NS-Zeit als „Vogelschiss der Geschichte“ abgetan hat, aus grundsätzlichen Erwägungen den Posten verwehren. Fast triumphierend meint der SPD-Abgeordnete Martin Schulz, das Ergebnis von Harder-Kühnel sei „auch eine Absage an den Opportunismus von Herrn Lindner und Herrn Brinkhaus“. Die haben in der Tat die Reihen nicht schließen können.

Es wäre ein Zeichen der Souveränität gewesen

Doch man darf nicht vergessen: Neben der stärksten Kraft, der CDU mit ihrem Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, steht den sechs anderen Parteien ein Vizeposten nun einmal zu – sie leiten die Sitzungen, organisieren die Arbeit in der Gesetzessschmiede der Demokratie. Doch einen Platz für die Rechtspopulisten wird es weiterhin nicht geben. Nicht wenige meinen, ob es nicht ein Zeichen der Souveränität gewesen wäre, die Kandidatin zu akzeptieren? Denn seit es um das Thema Flüchtlinge ruhiger geworden ist und wieder über Sachthemen wie eine Grundrente diskutiert wurde, hat die AfD  in Umfragen verloren. Und mit einer Umarmungsstratgie, der Wahl Harder-Kühnels, hätte man der AfD Angriffsfläche nehmen können – und Harder-Kühnel hätte womöglich mäßigend auf ihre Fraktion einwirken können.

Wenn AfD-Fraktionschef Gauland nun von einer „Kriegserklärung“ spricht, dann lässt sich erahnen, wie die AfD reagieren wird, mit weiteren Blockadeversuchen, Hammelsprüngen, Antragstricks. Es dürfte noch ruppiger werden, aber nicht produktiver. Aber dieser quälende Streit sollte nicht den Blick davon ablenken, dass es gerade Union und SPD sind, die ein weitaus größeres Problem nicht gelöst bekommen: Die Reform des Wahlrechts, um den auf 709 (!) Abgeordnete aufgeblähten Bundestag deutlich zu verkleinern – und dadurch viele Millionen an Steuergeld an dieser Stelle einzusparen.

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