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Der britische Premier Cameron (re.) und Frankreichs Präsident Hollande.
© AFP
Update

EU-Haushalt: Erst Rabatt für Briten - dann Milliarden für Jugendliche

Beim EU-Gipfel wollten die Staats- und Regierungschefs in Brüssel Wohltaten für Europas arbeitslose Jugendliche verkünden. Aber dann brach Londons Premier David Cameron einen Streit über den Briten-Rabatt vom Zaun. Wie am Ende der Kompromiss gelang.

Der Briten-Rabatt - immer wieder spielt diese Spezialität im EU-Haushalt eine Rolle, wenn es in Europa etwas zu verteilen gibt. Mit schöner Regelmäßigkeit werfen sich britische Premierminister in die Haushaltsschlacht, um den "rebate" zu verteidigen. Der milliardenschwere Rabatt und der britische Premierminister David Cameron - sie lieferten in der Nacht zum Freitag beim Treffen der EU-"Chefs" den Grund, warum der Gipfel einen etwas anderen Verlauf nahm als geplant.

Erfunden hat den Briten-Rabatt einst die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Weil ihr Land nur wenig von der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäer profitiert, handelte sie 1984 in Fontainebleau die Kürzungen bei Londons Einzahlungen in den EU-Haushalt heraus. Auf die stolze Summe von 3,6 Milliarden Euro belief sich der Rabatt im Jahr 2011.

Als der Gipfel am Donnerstagnachmittag begann, hatte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gemeinsam mit dem EU-Parlamentschef Martin Schulz (SPD) und dem irischen Premier Enda Kenny eine Einigung in dem monatelangen Streit über den künftigen EU-Finanzrahmen zwischen 2014 und 2020 zu Stande gebracht. Als der Kompromiss auf dem Tisch lag, rechneten die Briten noch einmal nach und stellten fest, dass ihr Rabatt aufgrund einer Neuberechnung der Agrarzuschüsse für die neuen EU-Mitgliedstaaten rund 350 Millionen Euro pro Jahr geringer ausfallen würde als gedacht.

Dass es wegen des Briten-Rabatts kein ganz einfacher Gipfel werden würde, ahnte als Erster Parlamentschef Schulz. "Cameron war überhaupt nicht zufrieden", berichtete er am frühen Abend aus dem Auftakt-Treffen der Staats- und Regierungschefs, an dem er teilgenommen hatte. Im Verlauf der kommenden Stunden entwickelte sich die eher technische Frage um die Neuberechnung des Briten-Rabatts am Rande der Beratungen über die Kreditklemme in der Euro-Zone und die Jugendarbeitslosigkeit vor allem zu einem britisch-französischen Konflikt. Die französische Delegation rechnete vor, dass Paris pro Jahr rund 50 Millionen Euro zusätzlich in den EU-Haushalt einzahlen müsste, wenn Cameron seinen Willen bekäme. Am frühen Freitagmorgen verkündete Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande dann vor der Presse, dass am Haushalt wegen des Briten-Rabatts nun noch einige "Korrekturen" vorgenommen würden. Eine finanzielle Mehrbelastung für Frankreich schloss er aber aus. Nach den Worten des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker soll Großbritannien künftig 200 Millionen Euro pro Jahr mehr Rabatt erhalten als bisher.

Die Beilegung des Streits um den Briten-Rabatt war die Voraussetzung dafür, dass die Staats- und Regierungschefs die Einigung in der eigentlich entscheidenden Frage erzielen konnten - den Finanzrahmen für die Jahre 2014 bis 2020. Darin sind im Verlauf der siebenjährigen Finanzperiode Zahlungen der EU-Mitgliedstaaten in Höhe von 908 Milliarden Euro vorgesehen. Dazu kommen Verpflichtungsermächtigungen, mit denen der Finanzrahmen auf 997 Milliarden Euro steigt. Dank des unmittelbar vor dem Gipfel gefundenen Deals werde sichergestellt, dass die vorgesehenen Einzahlungen von den Mitgliedstaaten auch  tatsächlich geleistet werden, betonte Schulz.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich zufrieden. Die Einigung auf den EU-Finanzrahmen unter den Staats- und Regierungschefs sei ein "ganz zentraler Beschluss", sagte die Kanzlerin. Denn schließlich steht und fällt die Zusage, die der Gipfel den arbeitslosen Jugendlichen geben will, mit dem künftigen EU-Etat. Dass die Milliardenhilfe für arbeitslose Jugendliche dringend nötig ist, verdeutlicht vor allem die Lage in Griechenland und Spanien, wo jeder zweite Jugendliche ohne Job ist. In den Jahren 2014 und 2015 soll im EU-Etat die Summe von sechs Milliarden Euro bereitgestellt werden, um eine Jobgarantie für Jugendliche zu ermöglichen, die auf der Straße stehen. Innerhalb von vier Monaten soll den Betroffenen eine Arbeitsstelle, ein Ausbildungsplatz oder eine Praktikumsstelle vermittelt werden. Hollande erklärte, dass die Summe von sechs Milliarden Euro gegebenenfalls noch verdoppelt oder verdreifacht werden könnte, wenn die Mittel ausgeschöpft seien.

Merkel zeigte sich erleichtert, dass die "starke Konfrontation" zwischen dem Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten im Streit über den künftigen finanziellen Haushaltsrahmen dank des Brüsseler Kompromisses inzwischen aus der Welt geschafft ist. In der nächsten Woche muss das Europaparlament dem Kompromiss noch seinen Segen geben. Nachdem die großen Fraktionen der Konservativen und Sozialdemokraten bereits ihre Zustimmung signalisiert haben, sind jetzt keine nervtötenden nächtlichen Verhandlungen mehr zu erwarten.

Der Etat sieht Kürzungen gegenüber dem gegenwärtigen Haushaltsrahmen vor. Davon ist unter anderem auch das Budget für die EU-Beamten betroffen. Das Europaparlament, das nach dem EU-Vertrag von Lissabon über ein Vetorecht beim Haushalt verfügt, hatte ursprünglich eine höhere Summe für den Finanzrahmen zwischen 2014 und 2020 verlangt. Zuletzt hatten sich die EU-Abgeordneten mit der Gesamtsumme abgefunden, aber Nachbesserungen in anderen Punkten verlangt. So fordert das Europaparlament, dass nicht ausgegebene Mittel anders als bisher auch in das folgende Haushaltsjahr übertragen werden können und nicht mehr in die nationalen Haushalte zurück überwiesen werden.

Albrecht Meier

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