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Jugendarbeitslosigkeit: Europas Jugend - die Generation null

Der Jugend in den europäischen Krisenstaaten kommt die Zukunft abhanden. Die strikten Sparmaßnahmen würgen das Wachstum ab, die Arbeitslosigkeit steigt - besonders unter jüngeren Menschen. Was wird dagegen getan? - Wir fragen nach in Spanien, Italien und Griechenland.

Die Situation ist alarmierend: 5,7 Millionen junge Menschen unter 25 Jahren sind in den 27 EU-Mitgliedstaaten arbeitslos. In den von der Euro-Krise besonders hart betroffenen Ländern ist die Lage besonders dramatisch. In Griechenland ist die Jugendarbeitslosigkeit im Februar auf 64 Prozent gestiegen, in Spanien lag sie laut Eurostat zuletzt bei 56 Prozent. Italien verzeichnet eine Quote von 41,9 Prozent. Viele Blicke in diesen Staaten richten sich nach Brüssel – und nach Berlin. Nicht nur weil Deutschland als EU-Musterland nur eine Jugendarbeitslosigkeit von 7,6 Prozent ausweist und 33 000 offene Lehrstellen hat. Sondern vor allem auch deshalb, weil von der EU und Deutschland, die für den strikten Sparkurs in den Krisenländern und damit für die schlechte Wirtschafts- und Beschäftigungslage verantwortlich gemacht werden, Hilfe erwartet wird.

Einiges ist bereits angeschoben worden, um der Jugend wieder Perspektiven zu eröffnen, manches steckt noch im europäischen Bürokratie-Dschungel. Wir wollten von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wissen, was für die junge Generation Europas getan wird. Und wir fragten in den drei Krisenstaaten Spanien, Griechenland und Italien nach, ob bereits etwas zu spüren ist von einem Aufbruch – oder ob die guten Absichten lediglich als leere Versprechungen empfunden werden.

Was in Italien geplant ist

ITALIEN

„Task Force“ soll Vorschläge gegen Jugendarbeitslosigkeit machen

„Italien ist eine demokratische Republik, gegründet auf Arbeit.“ Zum Nationalfeiertag am Sonntag hat Staatspräsident Giorgio Napolitano wieder auf diesen Artikel 1 der Verfassung hingewiesen – und darauf, dass bei einer Jugendarbeitslosigkeit von 41,9 Prozent nicht nur die Zukunft einer Generation verlorengeht, sondern auch das Fundament des Staates bröckelt. „Sofort“ müsse agiert werden, sagt Regierungschef Enrico Letta. „Sofort“ – dieses Politikerversprechen kursiert seit Jahren. Und doch hat sich die Arbeitslosenrate allein seit 1997 unaufhaltsam verdoppelt. Mit 23,9 Prozent hält Italien europaweit auch den Spitzenplatz bei den „Neet“: Die Zahl der unter 25-jährigen, die „nicht in der Schule, nicht in einer Ausbildung, nicht im Beruf“ stehen, liegt bei 2,25 Millionen.

Premier Letta hat eine „Task-Force“ eingesetzt, die „noch vor dem Sommer dem Parlament einen nationalen Aktionsplan zur Abstimmung vorlegen“ soll, um die Jugendarbeitslosigkeit auf unter 30 Prozent zu drücken. Zu hören ist von Steueranreizen für Betriebe, die junge Leute einstellen. Eine „Stafette“ von Alt nach Jung soll die Kluft überbrücken, die zwischen der hohen Beschäftigungsquote Älterer und der Chancenlosigkeit Jüngerer klafft. Man denkt an Instrumente wie die Altersteilzeit, die in Deutschland längst Usus sind, in Italiens versteinertem Arbeitsmarkt bisher aber keine Chance hatten.

Fortgesetzt werden sollen wohl auch die bisher im Unterholz der Paragraphen und der Firmenpraxis hängen gebliebenen Versuche, eine Berufsausbildung einzuführen, womöglich sogar eine duale nach deutschem Vorbild. Die Zahl der Lehrlingsverträge spielt in Italien bisher kaum eine Rolle, und selbst wenn einzelne Firmen solche anbieten, gibt es keine allgemein anerkannten Ausbildungspläne, -abschlüsse oder Berufsfelder. Das erschwert die landesweite Vermittelbarkeit. Andere Firmen stellen Lehrlinge ein, um Steuervorteile mitzunehmen, bilden sie aber nicht aus.

Gegen den Willen der Gewerkschaften will die Regierung zeitlich begrenzte Arbeitsverträge erleichtern; ferner sollen junge Leute bei der Gründung eigener Unternehmen unterstützt werden. Geplant ist auch eine Neuorganisation der staatlichen Arbeitsämter, die bei der Vermittlung von jungen Leuten praktisch bedeutungslos sind. Die meisten Jobs werden über persönliche Beziehungen gefunden. Aber, sagt der Staatspräsident, „wenn heute bei Millionen von jungen Leute selbst das nicht mehr klappt, dann geht’s psychologisch abwärts.“

Wie Griechenland der Jugend helfen will

GRIECHENLAND

Hoffen auf den Tourismus

Seinen vollen Namen will der 24-jährige Sakis M. nicht nennen. Er fühlt sich als Versager. Im Sommer 2012 schloss er ein Politikstudium in Thessaloniki ab. Seitdem sucht er Arbeit – erfolglos. Kürzlich hat ihm ein Cafébesitzer am beliebtesten Boulevard von Thessaloniki einen Job als Kellner angeboten. 450 Euro im Monat wollte er zahlen, weniger als den staatlich garantierten Mindestlohn von 511 Euro. Sakis erbat sich kurze Bedenkzeit. Als er am nächsten Tag zusagen wollte, war der Job schon vergeben.

Im Februar – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – waren 64,2 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in Griechenland ohne Job. Der brutale Sparkurs hat das Land tief in die Rezession getrieben. Seit 2009 hat es bereits ein Fünftel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt, in diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um weitere 4,5 Prozent schrumpfen. Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind verheerend. Die Arbeitslosenquote stieg seit 2008 von 7,8 auf jetzt 27 Prozent. 400 000 Familien haben kein eigenes Erwerbseinkommen mehr. In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 150 000 griechische Wissenschaftler ihre Heimat verlassen. Trotz des Zorns vieler Griechen auf Angela Merkel, die sie als treibende Kraft des „Spardiktats“ sehen, steht Deutschland als Ziel hoch im Kurs. Allein im Jahr 2012 wanderten 34 000 Griechen nach Deutschland aus, eine Zunahme von 43 Prozent gegenüber 2011.

Auf Druck der Troika musste Griechenland im März 2012 den staatlich festgesetzten Mindestlohn um 22 Prozent kürzen. Für Jugendliche unter 25 Jahren betrug der Abzug sogar 32 Prozent. Sie bekommen nun statt 751 Euro nur noch 510,68 Euro. Die Troika verband damit die Erwartung, niedrigere Löhne könnten neue Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen. Das hat sich nicht erfüllt. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg seit der Kürzung des Mindestlohns von 54 auf 64,2 Prozent.

Für konkrete Maßnahmen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit fehlt es wegen des strikten Sparkurses an den nötigen Finanzen. Zu den wenigen Initiativen gehört ein jetzt anlaufendes Förderprogramm, mit dem die Regierung 10 000 jungen Griechen im Alter von 18 bis 29 Jahren subventionierte Jobs im Tourismus anbietet. Es läuft bis Ende Oktober und umfasst 80 Stunden theoretische Ausbildung sowie 500 Stunden praktische Arbeit. Das auf 39 Millionen Euro veranschlagte und von der EU mitfinanzierte Tourismusprojekt ist Teil eines im Januar aufgelegten Programms, mit dem 45 000 arbeitslosen Jugendlichen mit Fortbildungskursen und Praktika die Tür zum Arbeitsmarkt geöffnet werden soll. Die Teilnehmer des auf fünf Monate angelegten Programms erhalten 400 Euro monatlich.

Was Spanien mit arbeitslosen Jugendlichen vor hat

SPANIEN

400 000 junge Menschen sind schon weg

Sie wird die „Generation null“ genannt. Gemeint ist die breite Schicht der perspektivlosen jungen Spanier ohne Job, weil sie „null Einnahmen“, „null Arbeitschancen“ und „null Hoffnung“ haben. Nun will das Königreich mit einem milliardenschweren Beschäftigungspaket gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit kämpfen. Der konservative spanische Regierungschef Mariano Rajoy kündigte einen Aktionsplan an, mit dem er eine Million beschäftigungslose junge Spanier von der Straße holen will.

Laut Eurostat sind 56 Prozent der jungen erwerbsfähigen Menschen ohne Beschäftigung. Die allgemeine Arbeitslosigkeit liegt in Spanien bei 27 Prozent. Die junge Generation sei „die Zukunft Spaniens“, sagte Rajoy dieser Tage, und deswegen habe die Nation „die unumgängliche Pflicht“, sie aus ihrem „aktuellen Zustand der Verzweiflung“ herauszuholen. Für seine Joboffensive will er bis zum Jahr 2016 annähernd 3,5 Milliarden Euro lockermachen; etwa ein Drittel des Geldes soll als Subvention von der Europäischen Union kommen.

Der Aktionsplan sieht finanzielle Anreize für Arbeitgeber und junge Unternehmensgründer vor. So soll die Schaffung von Jobs für junge Arbeitslose mit Nachlässen bei der Sozialversicherung belohnt werden. Junge Beschäftigungslose, die sich als Firmengründer versuchen, können ihr Arbeitslosengeld auf einen Schlag kassieren und so in ihre neue Existenz investieren – wobei die meisten freilich noch gar keinen Anspruch auf die Stütze erworben haben.

Auch ein zeitlich befristeter „Berufsanfänger-Vertrag“ mit Niedriglohn soll die Beschäftigung junger Leute fördern. Es ist allerdings schon länger Praxis, dass Berufseinsteiger mit Kurzzeit-Verträgen und zu Minilöhnen arbeiten müssen, die in der Regel unter 1000 Euro brutto im Monat liegen. Nicht selten werden junge Arbeitnehmer sogar nur als „Praktikanten“ eingestellt, müssen gratis arbeiten. Die Jugend beklagt sich über „Müll-Verträge“.

Wegen der Jobmisere im Königreich kehren immer mehr junge Spanier, meist gut ausgebildete Akademiker und Fachkräfte, ihrem Land den Rücken. Zehntausende sind es jedes Jahr, verlässliche Zahlen gibt es aber nicht. Schätzungen gehen davon aus, dass in den letzten fünf Jahren annähernd 400 000 Spanier ausgewandert sind.

Allein in Deutschland wurden 2011 und 2012 zusammen 50 000 spanische Einwanderer registriert. Die Bundesregierung fördert die Anwerbung spanischer Lehrlinge und Fachkräfte mit einem millionenschweren Mobilitätsprogramm. Mit dieser Jobinitiative, die bereits angelaufen ist, sollen tausende junge Spanier in den Norden geholt werden.

Gerd Höhler, Paul Kreiner, Ralph Schulze, Matthias Schlegel

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