Netanjahu und Obama: Erst gereizt, jetzt bemüht
Lange Zeit hatten sich Israels Premier und der US-Präsident nichts zu sagen. Nun versuchen Netanjahu und Obama einen Neustart ihrer Beziehung – endlich. Ein Kommentar.
In der Diplomatie kann ein Jahr ein ziemlich langer Zeitraum sein. Und bei eng verbündeten, befreundeten Staaten fast schon eine Ewigkeit. So lange liegt das letzte Treffen von Benjamin Netanjahu und Barack Obama zurück. Überraschen kann das niemanden. Persönlich verbindet beide bestenfalls eine herzliche Abneigung. Keiner traut dem anderen über den Weg.
Auch politisch liegen der israelische Premier und der US-Präsident in vielen wichtigen Fragen über Kreuz. Besonders deutlich wurde dies bei der Debatte über das Für und Wider eines Atomabkommens mit dem Iran. Netanjahu hält die Übereinkunft für einen historischen Fehler. Teheran werde weiter nach Nuklearwaffen streben und sei somit eine Bedrohung nicht nur für Israel. Obama dagegen sieht in der Vereinbarung sein großes außenpolitisches Vermächtnis. Netanjahus Daueropposition gegen den Atomdeal stieß den Verantwortlichen im Weißen Haus deshalb besonders übel auf.
Bangen ums Bündnis
Doch nun scheinen sowohl Jerusalem als auch Washington willens, den Streit zu beenden und nach vorne zu blicken. Das heißt zwar nicht, alles ist vergeben und vergessen. Das wäre nach dem für jedermann sichtbaren Zerwürfnis zu viel verlangt. Aber auf der geschäftlichen Ebene soll endlich wieder Normalität einkehren. Und Obama wie Netanjahu tun gut daran, die Gelegenheit zum Neustart zu nutzen.
Das gilt in erster Linie für Israels Regierungschef. Er hat Amerikas starken Mann so oft demonstrativ düpiert, dass viele Bürger im jüdischen Staat die elementaren Beziehungen zum wichtigsten Verbündeten ernsthaft in Gefahr sehen. Erst vor Kurzem machte Netanjahu einen Mann zum Medienberater, der den US-Präsidenten früher auf Facebook als „modernen Antisemiten“ schmähte und Außenminister John Kerry die „mentale Reife eines Zwölfjährigen“ attestierte.
Signale der Entspannung aus Jerusalem sind daher überfällig. Ein klares, unmissverständliches Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung im Konflikt mit den Palästinensern könnte ebenso hilfreich sein wie das Einfrieren aller Siedlungsprojekte in den besetzten Gebieten. Denn derartige Kompromissbereitschaft erwartet nicht nur Obama, sondern wird sicherlich in gleichem Maße von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin eingefordert.
Geld gegen den Verdruss
Im Ton mag eine Hillary Clinton als Präsidentin konzilianter wirken. In der Sache aber wird sie kaum zu Abstrichen bereit sein. Ein eigener Staat für die Palästinenser ist in einem sich demografisch rasant verändernden Amerika – jung, divers, liberal –Mehrheitsmeinung. Die bedingungslosen Fürsprecher der israelischen Politik werden weniger. Diesem Umstand müsste auch ein republikanischer Präsident Rechnung tragen.
Doch nicht nur Netanjahu ist gefordert. Obama muss ebenfalls beweisen, dass er dem Verhältnis zu Israel Bedeutung beimisst – gerade wegen des Abkommens mit Teheran. Eine langfristige, finanziell aufgestockte Militärhilfe für den jüdischen Staat ist da ein erster Schritt. Selbst wenn Geld nicht alles ist, so kann es erhitzte Gemüter beruhigen. Als Grundlage für eine politische Männer-Freundschaft taugen jedoch sogar Milliarden nicht viel. Schon gar nicht, wenn die Herren Netanjahu und Obama heißen.