Zahmes Aufeinandertreffen der CDU-Kandidaten: Erst ganz am Schluss ein spannender Moment
Attacken auf die Gegner vermeiden Laschet, Röttgen und auch Merz bei ihrem ersten Aufeinandertreffen. Ihre Antworten zum Verhältnis zur AfD haben es aber in sich.
Es ist paradox: Ausgerechnet Friedrich Merz genießt in den Reihen der Jungen Union hohe Sympathiewerte, obwohl dort viele Jahrgänge den ehemaligen CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden als aktiven Politiker gar nicht so richtig erlebt haben.
Doch kann Merz diesen Vorschuss am Samstagabend verteidigen, als der CDU-Nachwuchs ihn und die beiden anderen Bewerber für den CDU-Vorsitz, Armin Laschet und Norbert Röttgen, zur Befragung in das Berliner Allianz-Forum eingeladen haben?
Es ist ein ungewöhnliches Format, auf das sich die Partei eingelassen hat, bevor die Junge Union nun eine zweiwöchige Mitgliederbefragung startet. Und bevor - wenn Corona keinen Strich durch die Rechnung macht - die rund 1000 Delegierten eines CDU-Bundesparteitages in Stuttgart im Dezember über die Nachfolge der seit zwei Jahren amtierenden Annegret Kramp-Karrenbauer entscheiden.
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„Der Pitch“ nennt die JU selbst das bislang erste Aufeinandertreffen der drei Kandidaten, übertragen bei Phoenix und auf den Social-Media-Kanälen der Organisation, begleitet von Stories auf Instagram und von den Moderatoren der Diskussion als „Show“ gefeiert. Nach einem „ruinösen Wettbewerb“ um ihre Nachfolge, den Kramp-Karrenbauuer befürchtet hatte, sollte es im Verlauf der 100-minütigen Veranstaltung auf keinen Fall aussehen.
CDU: Zäsur nach zwei Jahrzehnten mit einer Frau an der Spitze
Die JU stellt etwa jeden zehnten Delegierten auf dem Parteitag. Ihr Votum hat damit durchaus Signalwirkung. Und es ist ja auch eine Zäsur: Zwei Jahrzehnte ist die nach eigenem Anspruch inzwischen einzige Volkspartei CDU von einer Frau geführt worden, erst 18 Jahre von Angela Merkel, dann Kramp-Karrenbauer.
Nun aber stellen sich drei Männer zur Wahl, alle Juristen, alle aus Nordrhein-Westfalen. Mit Mund-Nasen-Schutz im JU-blau kommen sie zur Übertragung der Diskussion. Und alle tragen einen blauen Anzug. Der Außenpolitiker Norbert Röttgen hebt sich äußerlich etwas ab, weil er sein weißes Hemd offen trägt und keine Krawatte umgebunden hat.
Röttgen gibt sich als Modernisierer
Röttgen galt im Wettstreit mit Merz und Laschet lange als Außenseiter. Dass er - anders als seine Mitbewerber - für den Fall seiner Wahl auf die Kanzlerkandidatur verzichten will und CSU-Chef Markus Söder den Vortritt lassen würde, erwähnt er nicht.
Er gibt sich am Abend als der große Modernisierer: „Weiblicher, jünger, digitaler und interessanter“ wünscht er sich seine Partei. Und sagt Sätze wie: „Es muss wieder Politik bei uns stattfinden.“ Oder: „Im Grunde regieren wir immer noch wie zu Adenauers Zeiten.“
Lange keine echten Meinungsverschiedenheiten
Es dauert recht lange an diesem Abend, bevor sich echte Meinungsverschiedenheiten auftun. Das liegt auch daran, dass die drei Kandidaten bei vielen vorgegebenen Themen ziemlich nah beieinander sind - ob es nun um die Übernahme der JU-Forderung nach einem Digitalministerium auf Bundesebene, Bürokratie, den Zusammenhalt der Gesellschaft oder die Generationengerechtigkeit geht.
Laschet bekennt sich zum Föderalismus und zum Industrieland - so richtig will keiner widersprechen. Heiße Eisen wie die Flüchtlingspolitik - 2015 hatte ein Deutschlandtag der Jungen Union eine Obergrenze gefordert und sich damit auch von Merkels Kurs abgesetzt - kommen nur am Rande vor. Prinzipiell sieht sich die Junge Union in der CDU als Vertreterin der „reinen Lehre“ - und so, wie die Jusos in der SPD die Partei mit mehr oder weniger Erfolg nach links ziehen wollen, pocht sie auf konservativere Positionen.
Ohne Wiederholungen kommt keiner der drei Kandidaten aus: Mehrfach betont Merz, wie wichtig ihm die berufliche Bildung ist. Und Röttgen erwähnt gleich zweimal die ehemalige Sowjetrepublik Estland als Vorbild für Digitalisierung: „Sprechen Sie mal mit einem Esten darüber, dass wir Kindergeldanträge auf Papier stellen.“ Laschet fasst zusammen: Vielleicht nicht Estland, aber doch Frankreich zeige: „Was können wir bei der beruflichen Bildung voneinander lernen?“
Der spannendste Moment kam am Schluss
Laschet, Ministerpräsident im größten Bundesland, will als Landesvater punkten, der Nordrhein-Westfalen bisher gut durch die Coronakrise geführt habe. Merz als Technik-Freund: Er richtete an Eltern von Schulkindern den Appell, „Ängste vor Elektrosmog und W-Lan“ zurückzustellen.
Der womöglich spannendste Moment kommt ziemlich zum Schluss. Als nämlich ein User aus Brandenburg per Video den Vorwurf erhebt, die CDU fokussiere sich zu stark auf ihr Verhältnis zu den Grünen. Und ignoriere zu sehr, dass sie stark an die AfD verliere - und „das sind nicht nur Rechtsradikale und Rechtsextremisten“.
Die Ausweichmanöver aller drei Bewerber bei der Antwort auf diese Frage haben es in sich: Laschet spricht vom Erstarken der AfD als speziell „ostdeutschem Phänomen“. Röttgen weiß von einem Besuch in thüringischen Kommunalwahlkampf von einem Bürgermeisterkandidaten der AfD zu berichten, der zuvor erst in der SED und dann in der SPD gewesen sei. Und Merz vermeidet es gleich ganz, sich von der AfD zu distanzieren: „Eine große Volkspartei wie die CDU muss sich nicht an anderen Parteien messen.“