Kirche als Arbeitgeber: Erst die Scheidung, dann die Kündigung?
Die Caritas hat einen Chefarzt entlassen, weil dessen Lebensführung ihren Prinzipien widerspricht. Gut, dass der Mann sich dagegen wehrt. Ein Kommentar.
Wenn sich ein Patient einer Ärztin oder einem Arzt unters Messer legt, ist Glaube wichtig. Der Glaube, dass da einer sein Handwerk versteht. Weniger der rechte Glaube, die richtige Konfession. Anders hat es lange die katholische Kirche in Deutschland gesehen. Wer operiert in einem katholischen Krankenhaus, muss ordentlich katholisch sein. Heirat, Scheidung, Heirat, für viele Normalprogramm im Lebenslauf, sind damit unvereinbar. Bei Katholiken steht auf Hochzeit Lebenslang. Und bei Bruch des Treueversprechens in manchen Anstellungsverhältnissen: Kündigung.
Dem Chefarzt der inneren Medizin einer Düsseldorfer Caritas-Klinik ist zu danken, dass er sich dagegen mit langem Atem zu Wehr setzt. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat jetzt geurteilt, dass eine solche Kündigung eine nach EU-Recht verbotene Diskriminierung sein kann. Gerechtfertigt wäre sie nur, wenn der Glaube für die Job-Ausübung eine Rolle spielt. Ärzte sind keine Seelsorger und sie nehmen auch niemandem die Beichte ab. Das Bundesarbeitsgericht (BAG), das über den Fall nun erneut zu befinden hat, wird der Kündigung widersprechen müssen.
Spannend wird, was dann passiert. Denn möglicherweise bringt die Caritas, wie schon einmal hier, wieder das Bundesverfassungsgericht ins Spiel. Die Karlsruher Richter hatten sich damals über das erste BAG-Urteil hinweggesetzt und das kirchliche Selbstbestimmungsrecht gestärkt. Gläubige Arbeitgeber müssten selbst bestimmen können, wo Glaube wichtig ist.
Da klingt christliche Fundamentalopposition durch
Aus heutiger Sicht klingt da so etwas wie christliche Fundamentalopposition durch. Immerhin beschäftigen die Kirchen einschließlich ihrer Wohlfahrtsverbände mehr als eine Million Menschen. Gehen sie täglich zur Arbeit oder täglich zur Messe? Es hilft nichts, die kirchlichen Regeln sind mit den weltlichen in Einklang zu bringen. Die eigene Selbstbestimmung kann nicht die Unterwerfung anderer bedeuten. Das haben auch die Katholiken mittlerweile eingesehen und ihre Regeln angepasst. Doch der Düsseldorfer Chefarzt fällt noch unter die alten Regeln.
Gut möglich, dass die Caritas daher wieder nach Karlsruhe zieht, wenn das BAG dem Arzt wiederum den Rücken stärkt. Doch im Europa-Urteil steckt eine kleine Kampfansage. Ohne dass es nötig gewesen wäre, haben die Luxemburger Richter nicht nur die großen Linien gezogen, sondern sind überaus konkret geworden, wie der Fall zu entscheiden ist. Diese Worte galten weniger dem BAG, das hier mit dem EuGH schon immer einer Meinung war, als den hohen deutschen Verfassungsrichtern.
Dort behält man es sich vor, dem Europarecht zu widersprechen, wenn es um das Innerste der Verfassungswerte geht. Gehört die traditionell starke Stellung der Kirchen dazu? Wenn die Caritas es wissen will, kann es sein, dass sie eine Abfuhr kassiert. Der Konflikt scheint es kaum wert zu sein, um alle gegeneinander aufzubringen. Vielleicht sollten die Kirchen daher besser der Kraft ihres Bekenntnisses vertrauen, als zu versuchen, es von Gerichten schützen zu lassen.
Jost Müller-Neuhof
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