Kirchliches Arbeitsrecht: Gewerkschaft und Kirche wollen im Tarifstreit aufeinander zugehen
Im Streit über das kirchliche Arbeitsrecht ist eine schnelle Lösung nicht in Sicht. Gewerkschaft und evangelische Kirche signalisieren aber Gesprächsbereitschaft. Für die 1,3 Millionen Beschäftigten geht nicht nur um mehr Geld, sondern auch um ein Streikrecht.
Keine Lösung, aber Gesprächsbereitschaft im Streit über das kirchliche Arbeitsrecht: Die evangelische Kirche und die Gewerkschaft Verdi wollen in der Frage der Bezahlung der 1,3 Millionen Beschäftigten der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände aufeinander zugehen.
Auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg vereinbarten beide Seiten eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zum besseren Verständnis von Grundfragen, wie Kirchentagspräsident Gerhard Robbers am Samstag nach einem Treffen mit Verdi-Chef Frank Bsirske sagte. Rückendeckung erhielt der Vorstoß vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider.
Verdi geht schon länger gegen den Sonderweg der evangelischen und katholischen Kirche beim Arbeitsrecht vor. Die Bezahlung von Kirchenmitarbeitern - darunter mehr als eine Million in Diakonie und Caritas - wird nicht in Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften festgelegt, sondern in Kommissionen.
Das Bundesarbeitsgericht hatte diese Praxis im November 2012 im Grundsatz bestätigt, aber eine bessere Beteiligung der Gewerkschaften angemahnt. Auch das Streikverbot wurde gelockert. Dennoch will Verdi nun vor dem Bundesverfassungsgericht ein volles Streikrecht durchsetzen.
Bei einer Podiumsdiskussion auf dem Kirchentag beharrte Bsirske auf der Gewerkschaftssicht, dass die Tariffindung nicht unter das Selbstbestimmungsrecht der Kirche falle. „Wir wollen die gleichen Rechte, wie sie anderen Arbeitnehmern auch zustehen und im Zweifelsfall auch streiken dürfen.“ Er lud die Kirche zu einem Schulterschluss zur Schaffung eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für soziale Dienste ein.
Robbers, der in seiner Hauptfunktion als Kirchenrechtler für die EKD ein Gutachten zum Staatskirchenrecht verfasst hatte, betonte indes die Sonderstellung der Kirche: „Wir sind kein stinknormaler Arbeitgeber.“ Er rief Verdi zur Rückkehr in die kirchlichen Kommissionen auf - Bsirske schloss dies bei erweiterten Rechten für die Gewerkschaft nicht aus.
Falls Verdi vor dem Verfassungsgericht ein Streikrecht durchsetzen sollte, werde die Kirche wohl vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen, mahnte Robbers. Ob das Gericht die Verfassungsbeschwerde annimmt, ist aber noch nicht entschieden.
Bei dem Streit über das kirchliche Arbeitsrecht verfolgen beide Seiten auch eigene Interessen. Verdi buhlt im Bereich der Wohlfahrtsverbände um neue Mitglieder. Die Kirche fürchtet bei Zugeständnissen im Arbeitsrecht, dass das besondere Verhältnis von Kirche und Staat auch an anderen Stellen unter Druck gerät. (dpa)