Pegida in Freital: Erneut Proteste gegen Flüchtlingsheim
Das sächsische Freital kommt nicht zur Ruhe: Am Dienstag kam es den zweiten Abend in Folge zu Protesten gegen die Unterbringung von Asylbewerbern. Die Solidarität mit den Flüchtlingen war aber deutlich größer als tags zuvor.
Den zweiten Abend in Folge haben rund 80 Menschen in Freital bei Dresden gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einem ehemaligen Hotel protestiert. Etwa 200 Menschen stellten sich nach Angaben der Polizei am Dienstag dem Protest entgegen, riegelten die Unterkunft ab und solidarisierten sich so mit den Flüchtlingen. Die Polizei trennte beide Gruppen, die sich immer wieder lautstark gegenseitig als "Nazis" oder "Linksfaschisten" beschimpften. Freital ist eine Hochburg der selbst ernannten "Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida), ihr Ableger firmiert dort unter dem Namen Frigida.
Am späten Abend zogen sich die Gegner der Flüchtlingsunterkunft zurück. Auch die Solidaritätsdemonstration löste sich größtenteils auf. Nur eine Handvoll Menschen blieb am Heim zurück, um es nach eigenen Angaben gegen Angriffe "der Rechten" zu schützen. "Der Einsatz wurde um 00.45 Uhr beendet", sagte ein Polizeisprecher. Dennoch werde man die ganze Nacht über vor der Unterkunft präsent bleiben. In der Nacht gab es in der Kleinstadt weitere Auseinandersetzungen. Junge Leute wurden nach Berichten von Augenzeugen von Nazis gejagt.
Laut einem Bericht von Radio Dresden ermittelt das Operative Abwehrzentrum (OAZ) wegen Angriffen auf Unterstützer der Flüchtlinge bei der Abreise. Männer hätten die Scheibe eines Autos mit einem Baseballschläger eingeschlagen, berichtete der Sender unter Berufung auf Augenzeugen. Eine Person sei leicht verletzt worden, teilte die Polizei mit.
Eine Sprecherin des OAZ sagte dem Sender, die Männer hätten die Aktivisten aus Freital bis nach Dresden-Plauen verfolgt. Dort sei dann das Fahrzeug beschädigt worden. Zudem wurden an mehreren Autos die Reifen zerstochen. Der Bericht deckt sich mit der Darstellung von Journalisten, die am Dienstagabend in Freital waren.
Schon am Montagabend hatte es vor dem ehemaligen Hotel "Leonardo" Proteste gegen die Unterbringung von Flüchtlingen gegeben, nachdem die Landesdirektion erklärt hatte, in der Unterkunft bis zu 280 Plätze für die Erstaufnahme von Asylbewerbern einzurichten. Bislang waren dort vom Landkreis etwa 100 Asylbewerber untergebracht.
Politiker von Linken, SPD und Grünen hatten sich besorgt über die Anti-Asyl-Proteste gezeigt. Besonders erschreckend sei die Stimmungsmache, die die Organisatoren von Pegida in Freital betreiben würden, meinte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Henning Homann. Linke und Grüne warfen der schwarz-roten Staatsregierung Missmanagement vor. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) wies die Vorwürfe zurück. "Mit der Einquartierung in Freital können Flüchtlinge aus Zelten herausgebracht werden", sagte er mit Blick auf ein bisheriges Flüchtlingsquartier in Chemnitz.
Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) nannte das "aggressive Auftreten einzelner Personen" gegen Flüchtlinge "unerträglich". Er lobte die örtlichen Initiativen, die sich für den Schutz, die ehrenamtliche Betreuung und die angemessene Unterbringung von Flüchtlingen einsetzen.
Der Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchgemeinde Freital, Markus Beulich, warnte vor einer weiteren Eskalation und verwies dabei auf die Vorkommnisse in Tröglitz (Sachsen-Anhalt). Dort war im Frühjahr nach Demonstrationen gegen eine geplante Unterkunft für Asylbewerber zunächst der Bürgermeister zurückgetreten und Anfang April dann ein Brandanschlag auf ein geplante Flüchtlingsunterkunft verübt wurde. Beulich forderte von der Stadtverwaltung ein klares Bekenntnis zu einer Willkommenskultur für Flüchtlinge.
Die Landesdirektion will das Freitaler Hotel als Zwischenlösung für die Erstaufnahme von Flüchtlingen nutzen. Mit der Belegung der 280 Plätze könnten die umstrittenen Zelte, die in der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz errichtet worden seien, Zug um Zug wieder abgebaut. Schon seit Anfang März finden jeden Freitag rassistische Aufmärsche gegen die Unterkunft in Freital statt. Die Initiative "Nein zum Hotelheim" kündigte auf Facebook an, "standhaft" zu bleiben. An der von ihr organisierten Aufmärsche hatten sich Woche für Woche freitags bis zu 300 Menschen beteiligt.
Um einer Eskalation der aufgeheizten Stimmung in Freital entgegenzusteuern, lädt Oberbürgermeister Klaus Mättig (CDU) nun für den 6. Juli zu einer Bürgerversammlung. Ob sich die Lage bis dahin weiter zuspitzt, ist ungewiss. Der Leiter des Göttinger Instituts für Demokratieforschung, Franz Walter, sieht eher schwarz. Freitals Asylkritik sei "Ausfluss und Ausdruck politischer Obdachlosigkeit, kultureller Traditionsschwächen,
weltanschaulicher Leere und zivilgesellschaftlicher Bindungsschwächen", sagt er. (mit dpa/KNA/epd)