Ukraine-Konflikt: Ermittler erreichen Absturzort von MH 17
Internationale Experten sind jetzt am Absturzort des malaysischen Flugzeugs in der Ost-Ukraine. Auf Bitten der UN lässt die ukrainische Armee vorerst die Waffen ruhen.
Nach tagelangen vergeblichen Versuchen haben Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) die Absturzstelle von Flug MH17 in der Ostukraine erreicht. Auch einige australische und niederländische Experten seien in dem Gebiet angekommen, meldete die niederländische Regierung am Donnerstag in Den Haag. Sie sollten zunächst das Gebiet erkunden und die Bergung der dort noch liegenden Opfer vorbereiten. Die Ukraine hat Australien und den Niederlanden die Entsendung bewaffneter Kräfte an den Absturzort des malaysischen Flugzeugs gestattet. Beide Länder dürften insgesamt 950 Soldaten und Ermittler zeitweise in Grabowo stationieren, beschloss das Parlament in Kiew am Donnerstag. Die Maschine der Malaysia Airlines war am 17. Juli vermutlich von einer Rakete abgeschossen worden. 298 Menschen starben. Wegen der Kämpfe zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Rebellen hatten niederländische Experten und die OSZE das Gebiet bisher nicht erreicht.
Eintägige Feuerpause
Auf Bitten der Vereinten Nationen hat die ukrainische Armee am Donnerstag eine eintägige Feuerpause für den umkämpften Osten des Landes angekündigt. Ziel sei es, internationalen Experten den Zugang zur Absturzstelle von Flug MH17 zu ermöglichen, teilte Militärsprecher Olexij Dmytraschkiwski der Nachrichtenagentur AFP mit. Er sprach von einem "Tag der Ruhe", der auf Bitten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ausgerufen werde. In der Region um die Absturzstelle gibt es seit Tagen heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten. In Kiew lehnte das Parlament am Donnerstag das Rücktrittsgesuch von Regierungschef Arseni Jazenjuk ab und sprach ihm das Vertrauen aus. Außerdem hat das Parlament am Donnerstag eine Kriegsabgabe von 1,5 Prozent auf alle steuerpflichtigen Privateinkommen im Land eingeführt, die bis zum 1. Januar 2015 gelten soll.
Russische Vorwürfe
Zuvor hatte Russland hat der Ukraine vorgeworfen, bewusst internationale Ermittler vom Absturzort des malaysischen Flugzeugs MH17 fernzuhalten. „Wir fürchten, dass die Kiewer Behörden Beweise vernichten wollen, die ihre Rolle bei der Katastrophe bloßstellen“, sagte Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin russischen Medien zufolge in New York. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko habe bereits vor Tagen eine Waffenruhe rund um den Absturzort bei Grabowo verkündet. „Dieses Versprechen wurde sofort gebrochen“, kritisierte Tschurkin am Donnerstag. Die Armee habe den Auftrag erhalten, massiv gegen die prorussischen Separatisten in der Region vorzugehen. Russland habe den Vereinten Nationen und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) seine Dokumente über den Absturz der Boeing 777-200 übergeben, sagte Tschurkin. „Wir rechnen damit, dass auch andere Länder genauso konkret und konstruktiv handeln werden, statt Anschuldigungen zu verbreiten, die durch nichts belegt sind“, betonte Russlands UN-Botschafter.
Importstopp für Saft
Nach den Wirtschaftssanktionen der Europäischen Union (EU) und der USA weitet Russland seine eigenen Gegenmaßnahmen aus: Am Donnerstag verhängte die russische Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor einen Importstopp gegen ukrainische Säfte. Die Behörde begründete dies damit, dass die ukrainischen Exporteure ihre Waren nicht ordnungsgemäß für die Zollunion angemeldet hätten, die Russland mit Kasachstan und Weißrussland gegründet hatte. Bereits am Mittwoch hatte Russland die Einfuhr von Obst und Gemüse aus dem EU-Land Polen gestoppt. Auch ukrainische Milch steht seit der Eskalation der Situation in der Ostukraine und dem Beginn westlicher Sanktionen gegen Russland auf dem Index. Offizielle Begründung waren stets Bedenken, dass die Waren nicht die sanitären Anforderungen Russlands erfüllten. Die EU sieht dagegen politische Motive hinter der wachsenden Zahl an Zugangsbeschränkungen, die auch gegen Moldawien nach der Unterzeichnung des EU-Assoziierungsvertrages ausgesprochen worden waren.
Separatisten nehmen an Gesprächen teil
Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine haben ihre Teilnahme an geplanten Krisengesprächen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk bestätigt. „Machen Sie sich darüber keine Sorgen“, sagte der Regierungschef der selbst ernannten „Volksrepublik Donezk“, Alexander Borodaj, am Donnerstag in Donezk. Ob die Aufständischen einen Vertreter nach Minsk entsenden oder per Videokonferenz zugeschaltet werden, war zunächst unklar. Auch der russische Diplomat Michail Surabow bestätigte seine Teilnahme. Zudem werden Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und der Führung in Kiew erwartet. Der genaue Termin blieb zunächst offen. Aus Surabows Umfeld hieß es, die Gespräche könnten noch am Donnerstag stattfinden. Hingegen sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter der Ukraine-Kontaktgruppe der Agentur Interfax, es werde wohl erst an diesem Freitag zu dem Treffen kommen. (AFP, dpa, Reuters)