Zwei Jahre Bundesfreiwilligendienst: Erfolgsgeschichte oder Schaufensterpolitik?
Zwei Jahre nach dem Start des Bundesfreiwilligendienstes ist Familienministerin Kristina Schröder durchweg zufrieden. Die Linksfraktion aber hat eine ganze Reihe von kritischen Fragen.
Das von Kristina Schröder (CDU) geführte Bundesfamilienministerium hat eine äußerst positive Bilanz des vor zwei Jahren eingeführten Bundesfreiwilligendienstes (BFD) gezogen. „Alle Erwartungen“ seien „bei weitem übertroffen“ worden, schrieb dessen Parlamentarischer Staatssekretär Hermann Kues in einer Antwort auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag. Nach Angaben von Kues sind im Jahresdurchschnitt rund 35 000 Freiwilllige dauerhaft im Dienst. Mehr als 40 Prozent der Freiwilligen im BFD seien mehr als 27 Jahre alt, rund 20 Prozent sogar älter als 50. „Dies zeigt, dass sich nicht nur jüngere, sondern auch ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger in diesem Format freiwillig für das Gemeinwohl engagieren wollen“, schrieb Staatssekretär Kues in der dem Tagesspiegel vorliegenden Antwort.
Die Linke, die die Fragen an die Regierung gerichtet hatte, teilt die Begeisterung über den Bundesfreiwilligendienst nicht und spricht von „Schaufensterpolitik“. Ihr Bundestagsabgeordneter Harald Koch sagte dem Tagesspiegel, „großes Problem“ bleibe die Altersöffnung des Dienstes für Menschen über 27. Offenbar sähen sich „immer mehr ältere Menschen gezwungen, ihre magere Rente durch einen Bundesfreiwilligendienst aufzubessern“. Der BFD dürfe aber nicht zu einem neuen Niedriglohnsektor und zu einer Arbeitsmaßnahme im sozialen Bereich werden, sagte Koch. Er werde aber gerade in Ostdeutschland zu einem „Auffangbecken für vorher wegrationalisierte ältere, weibliche Arbeitskräfte“.
Seine Parteifreundin Diana Golze, einer der Spitzenkandidatinnen der Linken bei der Bundestagswahl, ergänzte, das Familienministerium habe auch zwei Jahre nach Einführung noch kein Konzept für die Vereinbarkeit von BFD und Familie erarbeitet: „Alles soll von den Freiwilligen individuell mit der Dienststelle geregelt werden“, kritisierte sie. Die Bundesregierung verbummele ihre Hausaufgaben.
Der zum 1. Juli 2011 gestartete Bundesfreiwilligendienst löste den Zivildienst ab, der zusammen mit der Wehrpflicht vor zwei Jahren ausgesetzt wurde. In der Regel dauert der Dienst ein Jahr, mindestens aber sechs Monate. Vor allem ältere verlängern sogar darüber hinaus. Nach Angaben des Familienministeriums leisteten von den 35.022 Freiwilligen, die sich Anfang Juni im Dienst befanden, rund 9510 Freiwillige einen 18 Monate dauernden Freiwilligendienst. Von diesen waren 8666 älter als 27. Berlin zählte Anfang Juni 1247 „Bufdis“, knapp die Hälfte von ihnen waren Männer.
Die Entlohnung beim BFD ist dem etablierten Sozialen oder Ökologischen Jahr angeglichen. Während diese beiden Angebote jedoch Jugendlichen und jungen Erwachsenen vorbehalten sind, kann ein so genannter „Bufdi“ jedes Alter haben. Die Zahl der Plätze im Bundesfreiwilligendienst ist begrenzt. Die Träger sozialer und kultureller Einrichtungen hatten wiederholt erklärt, dass ihr Interesse weit höher liegt. Ministerin Schröder hatte Anfang der Woche berichtet, dass insgesamt seit dem Start des BFD mehr als 90.000 Vereinbarungen zwischen den Freiwilligen und den Trägern abgeschlossen worden seien. Sie kündigte an, dass im November erste Ergebnisse einer Evaluation der Freiwilligendienste in Deutschland vorgestellt werden können. Ihr Staatssekretär Kues schrieb an die Linksfraktion, das „weiter steigende Interesse bei den Freiwilligen“ sei „auch ein Indiz dafür, dass der BFD gut strukturiert und organisiert ist“. (mit epd)
Matthias Meisner