zum Hauptinhalt
Oft auf einer Linie - der türkische Staatschef Erdogan und sein russischer Amtskollege Putin.
© Mikhail Metzel/imago/Itar Tass

Streit zwischen der Türkei und den USA: Erdogan sucht Putins Nähe

Der türkische Präsident Erdogan will den Schulterschluss mit Russland – und rechnet mit seinem US-Amtskollegen Joe Biden ab.

Recep Tayyip Erdogan ist es nicht gewohnt, geschnitten zu werden. Als besondere Kränkung empfindet er Joe Bidens Weigerung, mit ihm zu sprechen. Seine Regierung habe Amerikas Präsidenten um ein Treffen bei der UN-Vollversammlung vergangene Woche gebeten, sei aber abgewiesen worden, sagte Erdogan dem US-Sender CBS.

Nach seiner Rückkehr in die Türkei machte der türkische Staatschef klar, dass er endgültig mit Biden gebrochen hat. Er habe in den vergangenen 20 Jahren mit allen amerikanischen Präsidenten zusammengearbeitet, aber mit Biden komme er einfach nicht zurecht, sagte er. Umso besser versteht sich Erdogan mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin. Ihn will er an diesem Mittwoch im Schwarzmeer-Badeort Sotschi treffen.

Schwere politische Differenzen trennen die USA und den Nato-Partner Türkei. Erdogan beschwerte sich in dem CBS-Interview, er könne nicht verstehen, warum Biden ihn einen Autokraten nenne. Schließlich herrsche in der Türkei doch eine „unvergleichliche“ Freiheit. Hinweise der Interviewerin Margaret Brennan auf zigtausende Strafverfahren wegen Präsidentenbeleidigung und auf die Verfolgung von Journalisten bürstete Erdogan ungerührt ab.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen]

Die Menschenrechtslage in der Türkei allein wäre für Biden kein Grund, sich von Erdogan zu distanzieren. Wichtiger ist für die amerikanische Regierung, dass der türkische Staatschef trotz aller Warnungen des Westens an Waffenlieferungen aus Russland festhält. Im Gespräch mit CBS sagte Erdogan, Ankara verhandele mit Moskau über den Kauf einer weiteren Batterie des Flugabwehrsystems S-400.

Ankara will sich von Amerika nicht vorschreiben lassen, welche Waffen angeschafft werden

Die USA hatten die Türkei bereits wegen der Lieferung einer ersten S-400-Batterie aus dem Programm zum Bau des neuen Kampfjets F-35 ausgeschlossen. Nun droht Washington mit neuen Sanktionen.

Erdogan ist nicht in der Stimmung für Kompromisse mit den Amerikanern. Die Türkei entscheide allein, welche Waffensysteme sie anschaffe, sagte er.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung.]

Zugleich beklagte er die militärische Unterstützung der USA für die Kurdenmiliz YPG, die von Ankara als Terrororganisation betrachtet wird; Amerika sieht die syrische Gruppe dagegen als unverzichtbaren Partner im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ und haben zur Unterstützung der Kurden einige Hundert Soldaten im Nordosten Syriens stationiert. Erdogan sagte CBS, die USA sollten ihre Soldaten aus Syrien und dem Irak abziehen.

Ein Rückzug der Vereinigten Staaten wäre auch im Sinne Russlands, das Syriens Staatschef Baschar al Assad zum endgültigen Sieg im Bürgerkrieg verhelfen will. Moskau unterstützt Assad seit 2015, hat der Türkei in den vergangenen Jahren aber die Erlaubnis zu mehreren Militärinterventionen gegen die YPG gegeben, um die Abwendung Ankara vom Westen zu fördern.

Immer wieder greift die syrische Luftwaffe mit russischer Unterstützung die Provinz Idlib an.
Immer wieder greift die syrische Luftwaffe mit russischer Unterstützung die Provinz Idlib an.
© Omar Haj Kadour/AFP

In der Provinz Idlib, der letzten Bastion der Assad-Gegner, prallen türkische und russische Interessen aufeinander. Erdogan steht auf der Seite der Aufständischen, Putin auf der Seite der syrischen Armee. Kurz vor dem Treffen in Sotschi verstärkten russische und Assads Truppen ihre Angriffe in Idlib. Ankara reagierte mit der Verlegung von weiteren Truppen in die Provinz.

Bei dem Treffen in Sotschi will Moskau offenbar versuchen, die Türkei zu Zugeständnissen in Idlib zu bewegen. Nach Ansicht einiger Beobachter könnte dies auf einen Teilrückzug türkischer Truppen aus der Provinz hinauslaufen.

Die Türkei ist von Gas-Lieferungen abhängig - das kann Putin als Hebel nutzen

Die Abhängigkeit der Türkei von russischen Erdgas-Importen könnte für den russischen Präsidenten zum Hebel werden, um auf Erdogan Druck auszuüben. Ein neuer Kursabsturz der türkischen Lira gegenüber Dollar und Euro in den vergangenen Tagen verteuert Energie-Importe für die Türkei beträchtlich.

Erdogan dürfte deshalb in Sotschi versuchen, mit Putin einen Preisnachlass auszuhandeln, schreibt der Türkei-Analyst Timothy Ash vom Vermögensverwalter Bluebay auf Twitter. Ash spekulierte, dass Putin dafür von Erdogan ein Entgegenkommen in Idlib verlangen werde.

Zur Startseite