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Recep Tayyip Erdogan will die Klagen wegen Präsidentenbeleidigung zurückziehen.
© REUTERS/Umit Bektas/
Update

Türkei: Erdogan lässt Beleidigungsklagen fallen - aber nicht in Deutschland

Der türkische Präsident will mehr als tausend Klagen wegen Beleidigung zurückziehen. Anzeigen in Deutschland wie gegen Jan Böhmermann sind ausgenommen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Rücknahme aller Klagen wegen Beleidigung angekündigt. Als Zeichen des guten Willens ziehe er die gegen hunderte Menschen eingereichten Anzeigen wegen Präsidentenbeleidigung zurück, sagte Erdogan am Freitagabend im Präsidentenpalast in Ankara. Unter anderem hatte der türkische Staatschef Anzeige gegen den deutschen Satiriker Jan Böhmermann wegen eines Schmähgedichts gestellt.

Die Strafanzeigen in Deutschland sind nach Angaben des Medienanwalts Ralf Höcker allerdings noch nicht ad acta gelegt. "Die Ankündigung bezieht sich nur auf die Türkei. In Deutschland ändert sich vorerst nichts", sagte Höcker am Samstag. Der Anwalt hat Erdogan bereits bei rechtlichen Auseinandersetzungen wegen Beleidigung vertreten.

Böhmermanns Anwalt war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Ein ZDF-Sprecher sagte am Samstagvormittag, dem Sender lägen noch keine Informationen darüber vor, welche Konsequenzen Erdogans Ankündigung für die Anzeigen in Deutschland habe.

In der Türkei sind nach offiziellen Angaben gut 1800 Verfahren wegen Beleidigung des Präsidenten anhängig, auch gegen eine Reihe von Oppositionspolitikern sowie Journalisten. Beobachter werten Erdogans Schritt als Versöhnungsgeste in Richtung Opposition.

Angesichts der scharfen Kritik des Westens an seinem Vorgehen nach dem Putschversuch rief Erdogan die EU und die USA auf, sich "um ihre eigenen Angelegenheiten" zu kümmern, statt seinem Land Ratschläge zu erteilen. "Einige Leute geben uns Ratschläge. Sie sagen, sie sind besorgt. Kümmert euch um eure eigenen Angelegenheiten! Schaut auf eure eigenen Taten", sagte Erdogan. Kein einziger ranghoher westlicher Politiker habe seit dem gescheiterten Militärputsch vor zwei Wochen die Türkei besucht, um sein Mitgefühl auszudrücken. "Und dann sagen sie 'Erdogan ist so wütend geworden'", sagte der Präsident.

"Diese Länder und Staatsführer, die sich nicht um die türkische Demokratie, das Leben unserer Bevölkerung und deren Zukunft sorgen, während sie so besorgt über das Schicksal der Putschisten sind, können nicht unsere Freunde sein", sagte Erdogan. Er kündigte an, alle "im Rahmen des Gesetzes" zulässigen Schritte gegen die Beteiligten an dem versuchten Militärputsch zu unternehmen.

Rechte dürfen am Sonntag gegen Erdogan-Anhänger demonstrieren

Mit Blick auf Türken mit Wohnsitz in Deutschland und Österreich sagte Erdogan, ihnen werde das Recht zu Protesten verwehrt. Teilweise dürften sie nicht einmal die türkische Flagge an ihren Häusern hissen. Am Sonntag werden zu einer Kundgebung für den Kurs Erdogans bis zu 30.000 Demonstranten in Köln erwartet.

Neben anderen Gegendemonstrationen wird auch ein Zug von Rechten endgültig stattfinden können. Das Oberverwaltungsgericht in Münster wies eine Beschwerde der Kölner Polizei dagegen zurück, wie ein Sprecher des Gerichts am Samstag bestätigte. Hinter dem ebenfalls für Sonntag geplanten Demonstrationszug steht unter anderem die rechtsextremistische Partei Pro NRW. Die Polizei befürchtet Ausschreitungen, doch das Verwaltungsgericht Köln sah dafür keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es wurde nun in zweiter Instanz bestätigt.

Das Oberverwaltungsgericht verwarf auch eine Beschwerde des Anmelders der Pro-Erdogan-Demonstration. Sie richtete sich gegen das Verbot, den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan auf einer Großleinwand live aus der Türkei zuzuschalten. Eine solche Zuschaltung bleibt nun verboten.

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte derweil, seit dem Umsturzversuch seien alle Anhänger der Gülen-Bewegung aus dem Militär entfernt worden. "Wir haben das Militär von allen FETO-Elementen gesäubert, die sich als Soldaten verkleidet hatten", sagte Yildirim im Präsidentenpalast. Die Fethullah-Terrororganisation (FETO) ist die Bezeichnung der Regierung für die Hizmet-Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen, den sie für den Putschversuch verantwortlich macht.

Polizei und Justiz gehen seit Tagen massiv gegen mutmaßliche Verschwörer vor. Bis zum Freitag wurden 18.044 Verdächtige mit mutmaßlichen Verbindungen zur Bewegung des Predigers Gülen festgenommen. Gegen 9677 von ihnen erging Haftbefehl. (AFP, dpa)

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