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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan im Schloss Bellevue.
© Adam Berry/AFP

Nach Staatsbesuch in Berlin: Erdogan fühlt sich von Deutschland ungastlich behandelt

Noch auf dem Heimflug aus Deutschland kritisiert der türkische Präsident seine Gastgeber. Und berichtet von einem Treffen mit dem Siemens-Chef.

Kaum hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinen Besuch in Deutschland beendet, nimmt er die Politik Berlins erneut ins Visier. Im Gespräch mit mitreisenden türkischen Journalisten auf der Heimreise aus der Bundesrepublik stellte Erdogan zwar fest, dass beide Seite einen engeren wirtschaftlichen Austausch anstreben. Beim zentralen politischen Streit über das Wesen des Rechtsstaates und die Meinungsfreiheit erneuerte Erdogan aber seine Vorwürfe an die Bundesrepublik. Nach wie vor betrachtet Erdogan die in Deutschland lebenden türkischen Regierungsgegner als Verbrecher und Terroristen, die an Ankara ausgeliefert werden müssen. Zudem lehnt er eine Freilassung von Bundesbürgern ab, die in der Türkei aus politischen Gründen in Haft sitzen.

Während seines Besuches hatte sich Erdogan noch lobend über die deutschen Gastgeber geäußert und seinen Kollegen Frank-Walter Steinmeier einen „Freund“ genannt. In seinen Kommentaren auf der Heimreise im Präsidenten-Jet, die ans heimische Publikum gerichtet waren und am Montag von türkischen Zeitungen veröffentlicht wurden, klang dies ganz anders. Steinmeiers Tischrede beim Staatsbankett am Freitag, in der das deutsche Staatsoberhaupt die schlechte Menschenrechtslage in der Türkei ansprach, sei „nicht sehr nett“ gewesen, sagte Erdogan.

Streit um Steinmeiers Rede beim Bankett

Steinmeier habe bei der Rede wohl auf die deutsche Innenpolitik geschielt, beschwerte sich der türkische Präsident. In der Türkei werde ein Gast jedenfalls nicht auf diese Art behandelt. Beim Bankett hatte Erdogan in seiner Replik auf Steinmeier der Bundesrepublik vorgeworfen, „Terroristen“ zu schützen und damit türkische Regierungsgegner gemeint, die in Deutschland leben.

Die deutsch-türkischen Differenzen bei diesem Thema konnten bei dem Besuch nicht ausgeräumt werden. Er könne nicht behaupten, dass alle Probleme zwischen beiden Staaten überwunden seien, sagte Erdogan im Flugzeug: Die Meinungen darüber, was „Terrorismus“ darstelle und was nicht, gingen nach wie vor auseinander. Der Präsident bestätigte, dass die türkische Seite den deutschen Behörden eine Liste von 136 Personen übergeben hat, die Ankara ausgeliefert haben will. Von den deutschen Behörden verlangte er, sie sollten nicht nur auf die Darstellung von Regierungskritikern hören, sondern auch auf die „wahren Informationen“ der zuständigen türkischen Stellen.

Da bin ich aber froh, daß Erdogan das richtig verstanden hat. Nicht auszudenken, wenn er das Gefühl gehabt hätte, hier willkommen zu sein.

schreibt NutzerIn quietschbaer

Deutschland sei verpflichtet, Dündar auszuliefern

Mit besonderer Verärgerung kommentierte Erdogan das deutsche Verhalten im Fall des in Berlin lebenden Journalisten Can Dündar, der auch auf der Auslieferungsliste steht. Dündar hatte als Chefredakteur der Oppositionszeitung „Cumhuriyet“ über mutmaßliche Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Rebellen berichtet und war deshalb wegen Geheimnisverrates in der Türkei zu knapp sechs Jahren Haft verurteilt worden. Berlin lehnt seine Auslieferung an die Türkei ab. „Was habt ihr denn mit dem zu schaffen?“ fragte Erdogan in dem Gespräch mit den Journalisten an die Deutschen gerichtet. „Wir haben ein Auslieferungsabkommen. Es ist eure Pflicht, ihn auszuliefern.“

Deutschland verlange die Freilassung von „fünf bis zehn“ Bundesbürgern, die in der Türkei inhaftiert seien, betonte Erdogan. Dabei vergesse Berlin jedoch, dass die Türkei ein „Rechtsstaat“ sei: „So wie straffällige Türken in Deutschland vor Gericht gestellt werden, kommen bei uns straffällige Ausländer vor Gericht.“ Berlin kritisiert die Inhaftierung einiger Deutscher türkischer Herkunft in der Türkei als nicht rechtsstaatlich, weil sie wegen Kritik an Erdogan von der Polizei abgeholt worden sind.

Der Bundeswirtschaftsminister reist am 25. Oktober nach Ankara

Erst vor kurzem hatte die türkische Regierung eine Wiederbelebung politischer Reformen angekündigt, doch Erdogans Bilanz des Deutschland-Besuches zeigt, dass substanzielle Veränderungen kaum zu erwarten sind. Dabei weisen Regierungskritiker und Wirtschaftsvertreter in der Türkei darauf hin, dass eine Rückkehr zu rechtsstaatlichen Verhältnissen eine Bedingung dafür ist, dass die krisengeschüttelte türkische Wirtschaft bei Investoren neues Vertrauen schaffen kann. Ankara setzt große Hoffnungen auf den Besuch von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der am 25. Oktober mit einer großen Unternehmerdelegation in Ankara erwartet wird.

Strom- und Brotpreise ziehen stark an

Erdogan betonte, die Wirtschaft seines Landes, die unter einem starken Wertverlust der Lira leidet, habe die Talsohle bereits durchschritten. Diese Sicht der Dinge steht im Gegensatz zum Alltag vieler Normalbürger, die derzeit starke Preissteigerungen verkraften müssen. So ist der Preis für Erdgas seit Ende Juli um fast 30 Prozent gestiegen. Auch die Strom- und Brotpreise ziehen stark an. Mehrere landesweit bekannte Unternehmen stehen vor der Pleite. Am Montag beantragte die Baufirma Ceylan Insaat Gläubigerschutz.

Außerdem hat der türkische Präsident neue Investitionen von Siemens in der Türkei angekündigt. Wie die Zeitung "Hürriyet" am Montag berichtete, sagte Erdogan ebenfalls auf dem Heimflug aus Köln, er habe in Berlin Siemens-Chef Joe Kaeser getroffen. Das Unternehmen erwäge die Produktion von medizinischen Geräten in der Türkei. Bei dem Arbeitsfrühstück mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Samstag sei es auch um eine Kooperation mit Siemens im Bahnbereich gegangen. "Bei dem Frühstück mit Merkel haben wir auch die Frage der Eisenbahnen diskutiert. Wir werden diese Frage weiter verfolgen", sagte Erdogan. Der "Spiegel" hatte im September berichtet, Siemens sei im Gespräch für einen Auftrag zum Ausbau des türkischen Eisenbahnnetzes im Wert von 35 Milliarden Euro. (mit AFP)

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