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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan
© dpa

Türkei: Erdogan außer Kontrolle – EU schweigt

Recep Tayyip Erdogan wendet heute dieselben Methoden an, denen er in den 90er Jahren zum Opfer gefallen ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Seibert

Über tausend Akademiker haben sich in einem Aufruf alarmiert über das Blutvergießen zwischen den kurdischen PKK-Rebellen und den türkischen Sicherheitskräften gezeigt. Angesichts von fast 200 getöteten Zivilisten in einem Monat sollte es nicht verwundern, dass sich die Öffentlichkeit Sorgen macht. Doch Präsident Recep Tayyip Erdogan und die ihm ergebene Justiz sprechen von Landesverrat und PKK-Propaganda. Mindestens 17 Wissenschaftler wurden am Freitag festgenommen.

Die Episode erinnert an die 90er Jahre, als beinahe jede von der offiziellen Linie abweichende Äußerung als staatsfeindliche Propaganda ausgelegt werden konnte. Erdogan bekam das selbst zu spüren, als er wegen einer Rede zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Jetzt wendet er ähnliche Methoden an. Man kann die Akademiker kritisieren, weil sie in ihrem Aufruf die PKK schonen. Doch kritisieren ist etwas anderes als einsperren.

Die Aktion gegen die Wissenschaftler gesellt sich zu der bereits länger laufenden Jagd auf kritische Journalisten. Mit EU-Normen hat das nichts mehr zu tun. Eigentlich sollte man erwarten, dass Brüssel einschreitet, doch Europa braucht Erdogans Kooperationsbereitschaft in der Flüchtlingsfrage – und schweigt.

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