Anwalt Alexander Hübner über Jaber Albakr: „Er war ein Einzelgänger“
Wie der Anwalt Alexander Hübner seinen Mandanten Jaber Albakr seit der Verhaftung erlebte.
Das sind harte Tage für Alexander Hübner: „Man fragt sich selber, ob man mehr hätte tun können“, sagt der Dresdener Rechtsanwalt, der am Montag die Verteidigung von Jaber Albakr übernommen hatte. Er klingt am Telefon erschöpft. Beinahe fatalistisch kommentiert Hübner, dass Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) und der Leiter der JVA Leipzig, Rolf Jacob behaupten, es sei bei Albakr keine akute Selbstmordgefahr festgestellt worden: „Dass sich die Herren jetzt exkulpieren ...“, sagt der Anwalt – und beendet den Satz nicht. Denn Hübner hat selbst erlebt, wie sich der Syrer in lebensgefährlichen Trotz steigerte: „Er hat direkt nach der Festnahme am Montag nichts mehr zu sich genommen“, erzählt der Anwalt. Er ahnte, dass sein Mandant sich mit dem Hunger- und Durststreik zerstören wollte.
Sein Mandant habe mit seinem Hungerstreik keine konkrete Forderung durchsetzen wollen, und Albakr habe nicht den Eindruck gemacht, „dass er das beenden möchte“. „Ich habe den Hungerstreik so verstanden, dass er gegen seine Situation protestiert“, sagt Hübner. Als der Anwalt den Terrorverdächtigen am Dienstag im Besuchsraum der JVA Leipzig traf, „wirkte er angegriffen, nervös, auch aufgrund der fehlenden Nahrung“. Der Anwalt stockt. „Auf mein gutes Zureden hat er ein halbes Glas Wasser zu sich genommen“. Mehr nicht. Hübner vermutet, Albakr habe auch in der Zelle nichts getrunken, obwohl dort ein Waschbecken steht.
Nach dem längeren Gespräch am Dienstag, ein Dolmetscher für Arabisch war dabei, hat Hübner seinen Mandanten nicht mehr gesehen. Diesen Freitag wollte er ihn wieder besuchen.
Auf die Frage, wie er sich jetzt fühle, antwortet Hübner matt, er habe so etwas schon mal in seiner Laufbahn erlebt. Deshalb nahm er auch die Warnsignale ernst und war bereits nach dem ersten Kontakt mit Albakr beunruhigt.
Albakr wirkte gefasst, aber angespannt
Am Montag hatte Hübner mit dem Syrer in Dresden gesprochen, kurz vor dem Termin bei der Haftrichterin. Bei der Vernehmung durch die Polizei kurz nach der Festnahme in Leipzig war der Anwalt nicht dabei gewesen. Bei der Haftrichterin habe der Mandant dann geschwiegen, sagt Hübner, „das habe ich ihm geraten“. Die Verkündung der Untersuchungshaft habe Albakr „eher ruhig“ aufgenommen. Dennoch kreuzte die Haftrichterin im Formular zur Überstellung an die JVA Leipzig das Kästchen zur Frage an, ob der Häftling suizidgefährdet sei. Für Hübner ein Beleg, dass die Justiz von Beginn an das Risiko kannte.
Der Anwalt bemühte sich, an Albakr heranzukommen: „Ich habe versucht, mich in seine Welt hineinzuversetzen.“ Bei dem Gespräch am Dienstag in der JVA Leipzig scheint ihm das halbwegs gelungen zu sein: Albakr hat den Anwalt offenbar akzeptiert. Obwohl der Syrer unter enormer Anspannung stand, „war er im Gespräch zugewandt“, meint Hübner. Was er mit Albakr beredete, will der Anwalt nicht sagen: „Ich würde mich strafbar machen, das wäre ein Verstoß gegen das Mandantengeheimnis“. Nur allgemeine Fragen will Hübner beantworten.
Kein Deutsch, keine Arbeit, keine Bekannten
Zum Beispiel, ob Albakr nach eineinhalb Jahren in der Bundesrepublik etwas Deutsch konnte: „Nein, überhaupt nicht“, sagt der Anwalt. Hat Albakr gearbeitet? „Das ist mir nicht bekannt.“ Hatte Albakr Verwandte in Deutschland? „Nein, die Familie ist aus Syrien in die Türkei geflohen.“ Hatte Albakr denn wenigstens Bekannte in der Bundesrepublik, abgesehen von dem mutmaßlichen Komplizen in Chemnitz? Hübner sagt wieder „nein“. Und fügt spontan hinzu: „Er war ein Einzelgänger“.
Dazu passt auf makabere Weise, dass Albakr in der JVA laut Hübner „in Einzelunterbringung separiert“ war. Mittwochnachmittag rief der Anwalt im Gefängnis an und erkundigte sich, wie es dem Mandanten gehe. Der stellvertretende JVA-Leiter habe berichtet, Albakr „hat in der Zelle eine Lampe kaputtgemacht und an der Steckdose manipuliert“, sagt Hübner. Der Beamte habe ihm zugesichert, Albakr werde beobachtet.
Hübner fragt sich nun, ob auch er Fehler gemacht hat. Als wäre das nicht schlimm genug, werden er und seine Sekretärin auch noch von Rassisten bepöbelt: „Die Leute schimpfen in E-Mails und am Telefon, dass man so jemanden überhaupt verteidigen kann, mir sei es nur ums Geld gegangen, gut dass der tot ist ...“, sagt Hübner. Die Sekretärin berichtet: „Das geht schon seit der Nacht so.“ Eine Frau habe sie bemitleidet, „dass ich hier arbeite“. Hübners Mitarbeiterin antwortete nicht und legte auf.