Mathias Döpfner über Michael Jürgs: "Er war der absolute Journalist"
Mathias Döpfner bewunderte Michael Jürgs. Hier schreibt der Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, wieso.
Michael Jürgs entsprach dem Diktum von Frank Schirrmacher: „Genau das ist das Wesen der Kritik: man muss sich selbst absolut setzen.“ Der Satz über Kritiker gilt für alle Journalisten und hat nichts zu tun mit Hybris, sondern mit Leidenschaft. Es ist die für gute Journalisten unverzichtbare Haltung: was mich jetzt heute interessiert, muss morgen die ganze Welt interessieren. Wenn Jürgs ein quintessentielles Interview mit Romy Schneider plante, war sie die wichtigste Person auf dem Globus. Wenn er eine mild kritische und latent bewundernde Biografie über Axel Springer schrieb, hatte Springer gefälligst für alle zum Zentrum des Universums zu werden.
Es ist eine Energie-Transformation
Es geht nur so. Herausragende Texte und erfolgreiche Zeitungen oder Zeitschriften oder Blogs enstehen nur so. Es ist eine Energie-Transformation. Das von Neu-Gier, Recherche-Gründlichkeit und Formulierungs-Perfektionismus getragene Charisma des Autors oder Chefredakteurs, der Laserfokus seines Interesses, übertragen sich. Und plötzlich interessieren die sich für etwas, von dem sie nie geahnt haben, das es sie hätte interessieren können. In diesem Sinne hat sich Jürgs, eitel wie ein Kind und die Eitelkeit kontrollierend wie ein Profi, ein Leben lang absolut gesetzt. Das hat ihn zu einem Journalisten gemacht, den ich bewundere.
Wenige Tage vor seinem Tod rief ich ihn an und noch bevor ich ihn fragen konnte, wie es ihm geht, begrüßte er mich mit dem Wort: „Scheiße“, denn es galt keine Zeit zu verlieren und wie in einem guten Texteinstieg kam er auch im wahren Leben schnell auf den Punkt. Die schwere Krankheit und das Sterben verarbeitete er, wie es sich für einen absoluten Journalisten gehört: schreibend. Stolz erzählte er, dass er sein letztes Buch nun doch noch fertig bekommen habe.
Ich hatte ihm das Schreiben eines weiteren Buches vor Monaten als lebensverlängernde Therapie vorgeschlagen. „Ein Buch schaffe ich ganz sicher nicht mehr“, sagte er. „Dann schreiben Sie einfach einen Artikel, einen Essay“, schlug ich vor: „Und dann noch einen. Und mal sehen, vielleicht werden es am Ende doch die Kapitel eines Buches.“
Das leicht überdrehte, spitzbübische Timbre
Die Stimme war schwächer geworden, aber das leicht überdrehte, spitzbübische Timbre war noch zu erkennen: Und so hielt er sich am Ende nicht mit Analysen seines Gesundheitszustandes auf, sondern räsonierte über die Rolle des so manisch geliebten eigenen Berufsstandes.
„Journalisten als vierte Gewalt, das hat mir nie gefallen. Mit Gewalt wollen wir doch nichts zu tun haben. Aber vierte Kraft ist wiederum zu schwach. Die vierte Macht muss es dieser Tage schon sein.“
Bei blitzgescheitem Verstand und kämpferisch für eine etwas bessere Welt mit deutlich besseren Texten – so ist er gestorben, und so bleibt er mir in Erinnerung, Michael Jürgs, der absolute Journalist.
Mathias Döpfner ist Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger und Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE.
Mathias Döpfner
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