Müllers geheime Mission in Namibia: Entwicklungsminister trifft Vertreter der Herero und Nama
CSU-Minister Gerd Müller setzt sich gerne über Konventionen hinweg. Ein Gesprächstermin in Windhuk führt nun zu Irritationen.
Es kommt öfter vor, dass sich Bundestagsabgeordnete über Gerd Müllers Politikstil wundern. Der CSU-Entwicklungsminister sprühe geradezu vor Ideen, Wünschen und Plänen, heißt es unter Fachpolitikern. Doch weil er sich gerne über Konventionen und auch die eigene Parteilinie hinwegsetze, versandeten seine Vorschläge manchmal so schnell, wie Müller sie formuliere.
Für Rätselraten im In- und Ausland sorgt der CSU-Mann auch in dieser Woche. An diesem Donnerstag wird Müller in Namibia erwartet. Der Grund für seinen Besuch liegt auf der Hand: Deutschland ist der „größte Geber“ von Hilfsgeldern für das Land im Südwesten Afrikas – laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) rund eine Milliarde Euro seit 1990.
Bei Aktivisten und Fachpolitikern sorgt Müller mit der Reise nun für Spekulationen über seine Pläne in Südwestafrika. „Welche Agenda Bundesminister Müller in Namibia konkret verfolgt, ist bislang nicht ganz klar“, sagt etwa der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh.
Tatsächlich gibt es einen Programmpunkt in Müllers fünftägigem Reiseplan, über den Geheimhaltung herrscht – und der in Deutschland sowie in Namibia für Verwunderung sorgt. So trifft der CSU-Politiker an diesem Donnerstag Vertreter der Herero und Nama in Windhuk. Mit wem genau er sich an einen Tisch setzen will – das gibt das BMZ aber nicht bekannt. Die Gesprächspartner hätten darum gebeten, „dass ihre Namen nicht an die Presse gegeben werden“, sagt ein Ministeriumssprecher. „Diesen Wunsch respektieren wir.“ Auch über den Inhalt des Treffens hält sich das BMZ bedeckt. Es gehe um „neue Formen der Zusammenarbeit“, erklärte Müller am Mittwoch lediglich.
Die Reise des Ministers findet vor dem Hintergrund komplizierter diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia statt – und fällt in eine Zeit, in der die Regierungen in Berlin und Windhuk versuchen, endlich einen jahrzehntealten Streit beizulegen. Es geht dabei um die Wiedergutmachung für den Völkermord an rund 100.000 Herero und Nama, den deutsche Truppen vor mehr als 100 Jahren in der damaligen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ begangen haben. Seit 2015 laufen die Gespräche – hinter verschlossenen Türen, was viele Nachfahren der Opfer verärgert.
Als Entschädigung will Deutschland Wohnungsbau und Bildung fördern
Auf deutscher Seite führt der ehemalige CDU-Politiker Ruprecht Polenz die Verhandlungen. „Die Einigung zwischen Deutschland und Namibia ist weitgehend ausgehandelt“, sagt er dem Tagesspiegel. So werde Deutschland als Entschädigung künftig Wohnungsbau- und Bildungsprogramme in Namibia fördern.
Nun will sich offenbar auch Müller in die Sache einschalten. Sein Treffen mit den Herero und Nama dürfte die Erwartungen an Deutschland auf baldige Entschädigung erhöhen. So fragt sich Esther Muinganjue vom „Ovaherero Genocide Committee“, ob Müller in dieser Woche die Entwicklungshilfe bringt, die Polenz angekündigt hat. Deutsche Experten wie der Afrika-Forscher Jürgen Zimmerer oder der SPD-Politiker Lindh warnen den Minister derweil davor, die Nachfahren der Genozid-Opfer zu enttäuschen.
Müller müsse bei seinem Besuch „eindeutige Maßnahmen der Wiedergutmachung“ vorweisen, fordert Zimmerer. „Wenn nicht, drängt sich der Verdacht auf, dass nur billige PR das Ziel ist.“ Der Grünen-Obmann im Bundestags-Entwicklungsausschuss, Ottmar von Holtz, erhofft sich von der Reise für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte indes nichts. Sein Kollege Volkmar Klein, entwicklungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sieht Müllers Treffen mit den Herero und Nama dagegen positiv, wenn er sagt: „Über Probleme zu reden kann nie schaden.“