Völkermord an den Herero und Nama: Deutschland muss sich für seine Verbrechen entschuldigen
Zehntausende Herero und Nama wurden ab 1904 von deutschen Kolonialtruppen ermordet. Spätestens jetzt ist der Moment für eine Entschuldigung. Alles andere ist unwürdig. Ein Kommentar.
Es ist eine ungewöhnliche Veranstaltung: An diesem Mittwoch kommen Vertreter der deutschen und namibischen Regierung im Französischen Dom in Berlin zu einer seltenen Zeremonie zusammen. Es geht um die Rückgabe menschlicher Überreste aus dem Völkermord an den Herero und Nama, den deutsche Kolonialtruppen ab 1904 im heutigen Namibia begangen haben. Die Gebeine wurden damals zur „Rasseforschung“ nach Deutschland verschifft. Nun sollen sie an eine namibische Delegation übergegeben werden – in einem möglichst würdevollen Rahmen, wie die Veranstalter betonen.
Berlin will mehr Zeit - 110 Jahre nach dem Genozid
Allerdings dürfen die wichtigsten Opfer-Verbände wie das „Ovaherero Genocide Committee“ nicht dabei sein. Sie könnten den „würdevollen“ Ablauf der Zeremonie stören, lautet die Befürchtung. Die Nachfahren der Genozid-Opfer wollen nun vor der Pforte des Französichen Doms ihrer Vorfahren gedenken. Dass sie vor die Tür gesetzt werden, will die Regierung in Windhuk so. Doch auch die Bundesregierung trägt Verantwortung für den unwürdigen Umgang.
Berlin sperrt sich gegen die Aufarbeitung des Genozid in der früheren Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“. Erst seit kurzem wehrt sich die Bundesregierung nicht mehr gegen die Bezeichnung „Völkermord“. Inzwischen ist sie auch zu einer Entschuldigung bereit. Doch für diesen schweren Schritt brauche man mehr Zeit, heißt es im Auswärtigen Amt – 110 Jahre nach Ende des Völkermords. In Berlin dominieren formaljuristische und diplomatische Bedenken gegen eine offizielle Entschuldigung, auch wegen daraus möglicherweise drohender Entschädigungszahlungen.
Komplettversagen der deutschen Diplomatie
Die Nachfahren der Opfer werden alleine gelassen. Gespräche mit der namibischen Regierung über eine mögliche Aussöhnung beider Länder führt die Bundesregierung hinter fest verschlossenen Türen, ohne Beteiligung der wichtigsten Opfer-Verbände. Weniger Transparenz geht kaum. Deshalb haben Herero- und Nama-Vertreter 2017 eine Klage gegen die Bundesregierung vor einem New Yorker Gericht eingereicht – und damit das Komplettversagen der deutschen Diplomatie offengelegt. Eine verantwortungsvolle Bundesregierung hätte es soweit nicht kommen lassen. Zu spät für eine Entschuldigung ist es aber nicht. Die ließe sich nachholen. Am besten noch heute, bei der Zeremonie im Französischen Dom.
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