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Der eilige Stopp kostet. Aber wieviel, ist offen.
© dpa

Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Energiekonzerne werden für den Atomausstieg entschädigt - aber nur etwas

Nach Fukushima drehte sich der Wind - und Kanzlerin Merkel drehte sich hektisch mit. Weitgehend durfte sie dies, meinen die Verfassungsrichter.

Die Energiekonzerne Eon, RWE und Vattenfall können nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit einer teilweisen Entschädigung für den 2011 beschlossenen Atomausstieg rechnen. Entsprechende Regelungen muss der Gesetzgeber bis Mitte 2018 treffen. Im Wesentlichen hat das Gericht aber einen Anspruch auf Ausgleich der durch den Ausstieg verhinderten Stromverkäufe abgewiesen.

„Das Eigentum an Kernkraftwerken ist in besonderer Weise sozial gebunden“, sagte der Vorsitzende des Ersten Senats Ferdinand Kirchhof bei der Urteilsbegründung am Dienstag. Es stehe als „risikoreiche Hochtechnologie“ Begrenzungen von vornherein offen. Der Gesetzgeber habe deshalb nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima den Ausstieg beschleunigen dürfen, ohne gegen das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht der Konzerne zu verstoßen.

Allerdings stehe den Unternehmen ein Ausgleich für den Verlust von Reststrommengen zu, die aufgrund 2011 festgelegter Abschalttermine nicht mehr verwertet werden können. Außerdem seien die Betreiber für die seit damals getätigten Investitionen zu entschädigen. Der Ausgleich müsse „nicht immer in eine finanzielle Leistung münden“. Er könne auch „in Übergangsregelungen oder anderen Alternativen“ bestehen, sagte Kirchhof.

Merkel kündigte Zusagen an

2002 hatte sich die damalige rot-grüne Bundesregierung auf den Atomausstieg festgelegt und den Energieversorgern Kontingente von Reststrommengen zugesprochen. Nach der Bundestagswahl 2009 beschloss die Regierung auf Drängen der Konzerne eine Laufzeitverlängerung und gewährte zusätzliche Mengen. Atomkraft sei trotz beschlossenen Ausstiegs als „Brückentechnologie“ wichtig, hieß es damals.

Als infolge des Tsunamis im japanischen Fukushima die Reaktorkerne schmolzen, kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Zusagen. Mit der 13. Novelle des Atomgesetzes wurde die Laufzeitverlängerung zurückgenommen, zudem gab es erstmals feste Abschalttermine für einzelne Kraftwerke. Dagegen wendeten sich die Betreibergesellschaften mit ihren Verfassungsbeschwerden. Sie kritisierten einen staatlichen Entzug ihrer Geschäftsperspektive und damit eine Enteignung. Ihre Forderungen hatten die Unternehmen nie beziffert. In der Branche wurden sie aber auf etwa 19 Milliarden Euro taxiert.

Die den Kraftwerken mit der Laufzeitverlängerung zugewiesenen zusätzlichen Strommengen „können aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Vertrauen begründen“, sagte Kirchhof. Sie seien den Unternehmen ausschließlich aus politischen Gründen zugesprochen worden und beruhten nicht auf deren eigenen Leistungen.  Ihr Wegfall sei daher auch nicht zu entschädigen. Anders sehe es beim zugesicherten Verbrauch der bereits 2002 festgelegten Kontingente aus.

Mit den 2011 neu beschlossenen Abschaltfristen könnten die seinerzeit zugeteilten Strommengen nicht mehr produziert werden. Hier fehle es an einer „verfassungsrechtlich notwendigen Ausgleichsregelung“, so Kirchhof. Zudem könnten die Akw-Betreiber einen Ausgleich für ihre Investitionen verlangen, die sie in dem einen Jahr im Vertrauen auf die verlängerte  Laufzeit bis zur Fukushima-Katastrophe getätigt hätten.

Richter sehen kein übereiltes Verfahren

Die Verfassungsrichter traten ausdrücklich der Kritik der Konzerne entgegen, das Gesetzgebungsverfahren sei überstürzt gewesen und es habe sich durch den Unfall in Japan keine neue Gefährdungslage für Deutschland ergeben. Der Gesetzgeber habe dennoch auf die Ereignisse reagieren dürfen. Die Beurteilung der Schadensrisiken sei „in besonderem Maß von einer politischen Bewertung und einer öffentlichen Akzeptanz abhängig“. Daher hätten auch Ereignisse ein Gewicht, die allein das Bewusstsein für diese Risiken änderten, obwohl objektiv keine neuen Gefährdungen erkennbar seien.

Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) sieht in dem Karlsruher Urteil zur Entschädigung von Atomkonzernen eine Folge schwarz-gelber Politik. „Den Entschädigungsanspruch für die Atomkonzerne haben Union und FDP verbockt“, sagte er am Dienstag. „Es rächt sich jetzt, dass sie den ersten Atomausstieg von Rot-Grün zurückgedreht und die Laufzeiten verlängert haben.“ Das sei eine Weichenstellung auf Kosten der Steuerzahler gewesen.

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