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Die Karlsruher Richter verhandeln ab Dienstag über Klagen von Eon, RWE und Vattenfall. Die Energiekonzerne pochen vor dem Bundesverfassungsgericht auf Schadensersatz für den deutschen Atomausstieg
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Update

Atomausstieg: Konzerne streiten in Karlsruhe für Schadensersatz

Die Energiekonzerne machen mit Entschädigungsklagen wegen des Atomausstiegs Druck auf die Bundesregierung. Jetzt verhandelt das Bundesverfassungsgericht. Es geht um Milliarden

Fünf Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima kämpft nicht nur Japan mit den Spätfolgen des Unglücks. Auch für die Bundesrepublik könnte sich ein lange verdrängtes Risiko realisieren: Seit Dienstag verhandelt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Klagen der Energiekonzerne Eon, RWE und Vattenfall. Die Versorger fordern einen Ausgleich für den seinerzeit eilig vorgezogenen Atomausstieg. Eine fixe Summe nennen sie nicht, aber setzen sie sich durch, könnten es Milliarden werden. Ausgeschlossen ist das Szenario nicht. Allein die auf zwei Tage angesetzte mündliche Verhandlung zeigt, wie ernst die Richter die Beschwerden nehmen.

Vor Gericht geben sich die Konzernchefs betont bescheiden. Er stehe nicht hier, um die Energiewende zu kritisieren, sagte der Eon-Vorstandsvorsitzende Johannes Teyssen. Er fordere aber eine "faire Entschädigung" für tausende Aktionäre des angeschlagenen Stromriesen, der bereits 10 Mrd. Euro in Erneuerbare investiert habe. Das Kapitel Kernenergie müsse "gerecht" abgeschlossen werden. Für 2015 verbuchte der Konzern einen Verlust von 7 Mrd. Euro.

Nach dem Schwenk gingen die Aktien auf Talfahrt

Matthias Hartung, Vorstandschef von RWE, bestreitet, dass sich damals in Japan ein theoretisches Restrisiko verwirklicht habe. Statistisch betrachtet, sei dort an der Ostküste alle 30 Jahre mit Überflutungen zu rechnen. Es sei ein "unverantwortlicher Fehler gewesen", Fukushima anders als andere Kraftwerke nicht mit flutsicheren Notstromaggregaten ausgestattet zu haben.

Eine Perspektive auf das Geschehen, die er mit Teyssen teilt. Die Konzernlenker werfen Regierung und Bundestag vor, aus dem Unglück in Fernost überstürzt falsche Schlüsse für die - rein rechnerisch - besser gesicherten Kraftwerke in Deutschland gezogen zu haben. Der Gesetzgeber habe zwar die Freiheit, aus der Atomenergie auszusteigen. Er müsse den Ausstieg aber so gestalten, dass die Grundrechte der Unternehmen respektiert werden. Grundrechte bedeutet hier: Artikel 14 des Grundgesetzes, die Gewährleistung privaten Eigentums. Mit dem Schwenk gingen die Aktien auf Talfahrt. Auch RWE schrieb im vergangenen Jahr 2,1 Mrd. Euro Verlust.

Atomenergie als "Brückentechnologie"

Hat Kanzlerin Angela Merkel das Problem übersehen, als sie den Kernspaltern den Rücken kehrte? In der Tat wirkte die Politik damals so, als sei der Tsunami durch die Elbe gerauscht. Zwar hatte das Parlament sich unter der rot-grünen Regierung schon 2002 zum Ausstieg entschlossen und den Kraftwerken Reststrommengen zugeteilt. Doch nach dem Wechsel zu Schwarz-Gelb erschien die umstrittene Stromgewinnung plötzlich als aussichtsreiche "Brückentechnologie". Im Schnitt zwölf Jahre länger durften die Meiler laufen, wurde Ende 2010 vereinbart, plus zusätzlicher Strommengen.

Mit dem Erdbeben in Japans Nordosten am 11. März 2011 sah alles anders aus. Die Flutwelle löst in Fukushima Explosionen und eine Kernschmelze aus. Bereits vier Monate darauf verabschiedete das Parlament die 13. Atomgesetz-Novelle. Die Zusatzmengen wurden gestrichen und für die Kraftwerke je ein eigenes Abschaltdatum festgelegt.

Verfassungswidrige "Legalenteignung ohne Entschädigung"?

Ex-Bundesminister Rupert Scholz, der als Anwalt Eon vertritt, vergleicht den Eingriff mit der Herz-OP eines Marathonläufers - während des Laufs. Eine "überhastete" Aktion, die rechtlich als "Legalenteignung ohne Entschädigung" zu bewerten sei. Damit wäre das Gesetz verfassungswidrig. Denn die Verfassung sieht in solchen Fällen eine Entschädigung zwingend vor.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kontert mit dem Recht der Politik, ein Risiko neu bewerten zu dürfen. Fukushima sei sehr wohl eine "nicht für möglich gehaltene Katastrophe" gewesen. Der Gesetzgeber habe überlegt gehandelt. Entgegen vielen Warnungen seien die Strompreise nicht explodiert und die deutschen Stromverkäufe sogar gestiegen. Christoph Möllers, der Prozessvertreter der Bundesregierung, sieht auf der Klägerseite ein Missverständnis: "Es besteht kein Grundrechtsanspruch, Kernenergie zu nutzen". Die Nutzung stehe unter politischem Erlaubnisvorbehalt. Eine Geschäftsgarantie folgt seiner Ansicht nach daraus nicht.

Es geht auch um den Atomnachlass

Nach den Worten des Senatsvorsitzenden Ferdinand Kirchhof will der Senat befinden, "ob und wie Eigentumspositionen betroffen sind". Das Entfallen von Betriebsgenehmigungen? Die Kürzung der Strom-Kontingente? Zu klären sei ferner, was es für die behauptete Belastung bedeute, wenn die Strommengen auf Jahre hinaus verbraucht und sogar veräußert werden dürften. Vielleicht handele es sich auch bloß um "Nutzungsregelungen", die keine Enteignung darstellten, sondern lediglich eine "entschädigungslose Ausgestaltung des Eigentums". Besonders schwierig wird es beim Kernkraftwerk Krümmel, das, wenngleich privatrechtlich organisiert, zu Vattenfall und damit dem schwedischen Staat gehört. Der Staat als Grundrechtsträger, das ist eine neue Konstellation in Karlsruhe.

Den Klägern geht es dabei nicht nur um Geld. Sie stehen in Verhandlung mit der Bundesregierung, was insgesamt aus dem Atomnachlass werden soll. Mit ihren Forderungen wollen sie ihre Position verbessern, ähnlich wie mit weiteren Klagen, die sich gegen das dreimonatige Moratorium unmittelbar nach dem Unfall richten. Vattenfall klagt außerdem vor einem Schiedsgericht in den USA auf 4,7 Milliarden Euro Schadensersatz. Aber auch die Politik könnte die Kraftwerksbetreiber stärker in die Haftung nehmen. Etwas, das die Energiemanager fürchten. Insofern ist die Klage in Karlsruhe auch dies: Ein Risiko.

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