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Die britische Regierungschefin Theresa May am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel.
© Geert Vanden Wijngaert/dpa

Brexit: Endspiel für Theresa May

Die britische Regierungschefin steht sowohl in Brüssel als auch in London mit dem Rücken zur Wand. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Was passiert, wenn alles gesagt ist? Wenn alle Argumente ausgetauscht sind? Wenn alle politischen Spielchen gespielt sind? Dann ist es, wie im Fall des Brexit, Zeit für Entscheidungen. Weil das britische Parlament dazu in den vergangenen Monaten nicht in der Lage war, ist die EU nun dabei, den Briten die Entscheidung zumindest zum Teil aus der Hand zu nehmen. Und das ist gut so.

„To take back control“ - so lautet das Motto der Brexit-Fans. Es bedeutet, dass Großbritannien ohne die Einmischung der Europäischen Union wieder eigenständig über seine Einwanderungspolitik entscheiden und autonom Handelsverträge schließen kann. Bevor es so weit kommen kann, muss aber erst einmal die Trennung von der EU vollzogen sein. Es muss ein Einvernehmen im Unterhaus über die Modalitäten der Scheidung herrschen. Bekanntermaßen hat es das Parlament bis heute nicht fertiggebracht, einen solchen Konsens herzustellen. Der britischen Regierungschefin Theresa May ist die Kontrolle über den weiteren Ablauf beim Brexit entglitten.

Bedenken gegen Juni-Frist

In dieser Situation ist es nur folgerichtig, wenn nun die EU versucht, acht Tage vor dem Brexit-Datum am 29. März das Heft des Handelns in die Hand zu nehmen. Bei den Beratungen beim Gipfel in Brüssel wurde deutlich, dass May mit ihrem Plan scheitert, die Brexit-Frist bis Ende Juni zu verlängern. Die Staats- und Regierungschefs diskutierten statt dessen über eine kürzere Frist, mit der rechtliche Anfechtungen der Europawahl ausgeschlossen werden sollen, und über eine deutliche Ausweitung der Verlängerung.

EU-Ratschef Tusk spielt den Ball wieder nach London zurück

Aber nicht nur beim EU-Gipfel in Brüssel, sondern auch in London hat das Endspiel für Theresa May begonnen. EU-Ratschef Donald Tusk hat den Ball wieder nach London zurückgespielt und May mitgeteilt, dass eine kurze Verlängerungsfrist durchaus denkbar sei – allerdings unter der Voraussetzung, dass sich die Abgeordneten im Unterhaus in der kommenden Woche doch noch für den Austrittsvertrag aussprechen. Sollte die Regierungschefin aber bei einem neuerlichen Votum erneut scheitern, dann könnten auch ihre Tage als Premierministerin gezählt sein.

Mays Wut-Rede

Dabei hat es sich die Hausherrin in der Downing Street selbst zuzuschreiben, dass sie die Rebellion im Unterhaus nicht in den Griff bekommt. In einer Wutrede an die Nation hat sie am Vorabend des EU-Gipfels einen Gegensatz zwischen einer Brexit-müden Bevölkerung und beschlussunfähigen Parlamentariern hergestellt. Statt die Unterhausabgeordneten zu umschmeicheln, machte sie sich neue Feinde.

Damit hat sich der politische Notstand in London, in dem zahlreiche Beobachter bereits eine Verfassungskrise sehen, noch einmal verschärft. Falls sich die EU möglicherweise in der kommenden Woche nach einer gescheiterten Abstimmung erneut zu einem Brexit-Sondergipfel versammeln sollte, dann dürften die Staats- und Regierungschefs vor allem damit beschäftigt sein, einen „harten Brexit“ abzuwenden. Ob May dabei noch am Tisch sitzen wird, liegt nicht mehr in ihrer Hand.

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