Mehr Zeit fürs Kind: Elterngeld und Elternzeit werden reformiert
Familienministerin Manuela Schwesig will Familie und Beruf versöhnen, zunächst mit dem Elterngeld plus. Dabei bekommt sie von Kanzlerin Angela Merkel volle Rückendeckung.
Für die Bundesfamilienministerin ist es nur ein erster Schritt: Als Manuela Schwesig (SPD) am Freitag ihre Eckpunkte für eine Reform des Elterngeldes und der Elternzeit vorstellte, machte sie deutlich, dass sich ihr politischer Ehrgeiz mit diesen beiden Projekten noch lange nicht erschöpft. Damit von Kita-Schließzeiten und Überstunden gestresste Eltern Beruf und Familie besser vereinbaren könnten, müsse die Regelarbeitszeit für Eltern von 40 Stunden künftig reduziert werden, erklärte die Ministerin und bekräftigte damit eine Forderung, mit der sie Anfang des Jahres viel Aufsehen erregt hatte. Denn die sogenannte Familienarbeitszeit, die Schwesig damals vorstellte, findet sich nicht im Koalitionsvertrag.
Zwei Vorhaben, die Union und SPD im Vertrag konkret vereinbart haben, präzisierte Schwesig nun: Mit dem Elterngeld plus soll das Elterngeld, das derzeit höchstens 14 Monate lang gezahlt wird, für Teilzeitbeschäftigte gestreckt und länger ausgezahlt werden können. Zudem ist ein Partnerschaftsbonus vorgesehen, wenn beide Elternteile parallel 25 bis 30 Wochenstunden arbeiten. Einen Gesetzentwurf will die Ministerin bald vorlegen, von Juli 2015 an soll die Reform gelten, die 100 Millionen Euro kosten wird.
Schwesigs Vision von der „Familienarbeitszeit“
Zudem will die Sozialdemokratin auch die dreijährige Elternzeit weiter flexibilisieren. Danach sollen Eltern künftig zwei Jahre der Elternzeit bis zum achten Lebensjahr des Kindes in Anspruch nehmen können. Nach geltender Gesetzeslage ist dies nur für ein Jahr möglich.
Ihr Ziel einer reduzierten Regelarbeitszeit für Eltern von zum Beispiel 32 Stunden hatte Schwesig Anfang Januar zuerst in einem Interview mit dem Tagesspiegel formuliert. „Meine Vision ist die Familienarbeitszeit“, sagte sie. Der Vorstoß der Ministerin kam damals vor allem für den Koalitionspartner überraschend, folgte aber einer bewährten Regel: Wer als Familienministerin sein Profil schärfen und von den Bürgern als politische Verbündete ernst genommen werden will, muss Vorhaben verfolgen, die über die Buchstaben des Koalitionsvertrag hinausgehen – vor allem, wenn der Vertrag nur bescheidene Ziele festschreibt.
Die Strategie ihrer erfolgreichen Vor-Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) hat Schwesig offenbar gründlich studiert: Die Familienministerin der bislang letzten großen Koalition (2005 bis 2009) schmiedete mit großem Einsatz gesellschaftliche Bündnisse mit Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Familienverbänden, um politische Blockaden aufzubrechen und ehrgeizige Vorhaben wie den Ausbau der Betreuung für unter Dreijährige voranzubringen.
Schwesig allerdings hatte es versäumt, die Wirtschaft frühzeitig einzubinden: Die Unternehmensvertreter protestierten prompt gegen angeblich drohende Kosten und bürokratische Belastungen. Aus der Union gab es zwar spöttische Bemerkungen über Schwesigs „Vision“ und Regierungssprecher Steffen Seibert stellte klar, dass es in der laufenden Legislaturperiode kein Geld für eine staatliche Kompensation der Einnahmenausfälle von Eltern geben wird. Eine Brüskierung der Ministerin aber vermied Seibert.
Merkel hält sich alle Möglichkeiten offen
Denn auch die Kanzlerin hat längst erkannt, dass viele auf eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie hoffen: Dies sei „ein Thema, das Millionen von Menschen und Familien und Deutschland umtreibt“, sagte Angela Merkel nach der Kabinettsklausur in Meseberg Ende Januar und erklärte, ihre Regierung plane auf diesem Feld bereits „einen ganzen Strauß von Maßnahmen“.
Mit Schwesigs Vorstoß für die 32-Stunden-Woche habe sie deshalb „gar kein großes Problem gehabt“, versicherte die Regierungschefin und machte deutlich, dass der Plan der Ministerin folgerichtig ist. Schon bei von der Leyens Reformen hatte Merkel oft abgewartet, ob ihre Ministerin Verbündete und politische Mehrheiten fand, und sich deren Vorhaben erst dann zu eigen gemacht. Manche Ideen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, erklärte die Kanzlerin in Meseberg, „lassen sich jetzt realisieren und über andere muss man weiter sprechen“. Mit anderen Worten: Die Zukunft der Familienarbeitszeit in dieser Legislaturperiode hält die CDU-Chefin offen.
Hans Monath