Treffen der EU-Staatschefs: Einig beim Brexit, alarmiert bei Italien
Die EU-Staatschefs beenden die Brexit-Beratungen ergebnislos – und warnen Italien vor einer weiteren Überschuldung.
Mit leeren Händen fährt die britische Premierministerin Theresa May zurück auf die Insel. Sie hatte keine zündende Idee, als sie beim EU-Gipfel etwa 45 Minuten sprach. Die Atmosphäre dabei war dem Vernehmen nach etwas besser als vor vier Wochen beim informellen Gipfel in Salzburg.
Parlamentspräsident Antonio Tajani will an ihrer Körpersprache erkannt haben, dass sie dem Rest der EU zugewandter war. Ohne die Britin gingen danach die anderen 27 Staats- und Regierungschefs zum Abendessen und waren sich nach einem Vortrag von Michel Barnier, dem Chefunterhändler der EU, schnell einig: Es reicht nicht.
Es gibt nicht genügend Fortschritte in den Verhandlungen über ein Austrittsabkommen. Von einem zunächst ins Visier genommenen Gipfel im November, bei dem das Dokument hätte besiegelt werden können, ist nun nicht mehr die Rede. Strittig ist immer noch die Irlandfrage, also wie in Zukunft Grenzkontrollen zwischen der zu Großbritannien gehörenden Provinz Nordirland und der Republik Irland zu vermeiden sind.
Damit erhöhen die Mitgliedstaaten noch einmal den Druck auf London. In Brüssel betonen sie immer wieder, wie einig sie beim Brexit sind. Der belgische Premier Charles Michel sagte: „Der Ball liegt im Vereinigten Königreich.“ Der Bedarf der Chefs, sich auszutauschen, war ungewöhnlich gering.
Bereits um 22.30 Uhr, meist gehen die Runden bis weit nach Mitternacht, waren die Beratungen beendet. Am Donnerstag ging es mit einem Thema weiter, bei dem die Staats- und Regierungschefs seit Jahren auf der Stelle treten. Sie finden keine Einigung bei der Frage, wie bei einer nächsten Flüchtlingskrise eine hohe Zahl von Zuwanderern fairer auf alle Mitgliedstaaten zu verteilen ist.
Merkel pocht darauf, dass sich Ungarn, Tschechien, Polen und andere Staaten nicht einer solidarischen Lösung entziehen dürfen. Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der bis Jahresende die Geschäfte im Ministerrat führt, hat in den vergangenen Wochen Zweier-Gespräche mit den Staats- und Regierungschefs geführt, um einen möglichen Kompromiss auszuloten.
Doch das Ziel der EU, bis Weihnachten einig zu sein, ist nicht zu schaffen. Beim Juni-Gipfel setzte die EU noch große Hoffnung auf die „Ausschiffungsplattformen“ auf Nicht-EU-Territorium, wo vor der Einreise in die EU die Chancen von Zuwanderern auf politisches Asyl abgeklopft werden sollen.
Diesmal taucht das Konzept im Gipfel-Dokument gar nicht mehr auf. Im Entwurf wird vielmehr nur noch vage die „Bedeutung“ hervorgehoben, „weiterhin die illegale Migration zu verhindern und dafür die Kooperation mit Herkunfts- und Transitländern zu intensivieren“.
Italienischer Haushalt verletzt fundamentale EU-Regeln
Das Treffen wurde von einem Thema überschattet, das offiziell gar nicht auf der Agenda stand. Das von Rechts- und Linkspopulisten regierte Italien, die drittgrößte Volkswirtschaft in der Euro-Zone, bereitet zunehmend Sorgen. Die Regierung des Landes, das nach Griechenland im Verhältnis die zweithöchste Staatsverschuldung in der EU hat, will noch tiefer in die roten Zahlen gehen.
Der Entwurf für den Haushalt für 2019 bricht mit dem Versprechen, die Neuverschuldung abzubauen, und verletzt fundamental die Regeln zur nachhaltigen Fiskalpolitik, auf die sich die 28 Mitgliedstaaten geeinigt haben. Die Mitgliedstaaten sind hochgradig alarmiert, weil Italien mit seiner wirtschaftlichen Größe die Euro-Zone in den Abgrund reißen kann. Die Warnungen am Rande des Gipfels fielen deutlich aus.
Kurz sagte: „Jede Überschuldung halte ich für gefährlich.“ Merkel traf sich mit dem italienischen Regierungschef Guiseppe Conte zu einem Vier-Augen-Gespräch und wird dabei deutliche Worte gefunden haben. Conte erklärte, er rechne zwar mit Widerstand der Kommission gegen die italienischen Haushaltspläne, doch seine Regierung werde das aushalten.
Der eigentliche Wortführer in der italienischen Politik ist Vize-Regierungschef Matteo Salvini. Er machte unterdessen deutlich, wie wenig er von der EU hält: Der Chef der rechtsextremen Lega reiste nach Moskau und erklärte, dass er sich dort wohler fühle als in manchen europäischen Ländern. Außerdem ließ er verbreiten, womöglich als Kandidat von Rechtsaußen um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker anzutreten. Da läuft sich jemand warm, der die EU zerstören möchte.