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Die Internationale Impfallianz Gavi, die unter anderem von Bill und Melinda Gates angestoßen worden ist, hat die Verbreitung von lebenswichtigen Impfstoffen deutlich erhöht.
© Reuters

Entwicklungspolitik: Eine Wette für die Ärmsten

Der Philanthrop Bill Gates ist sich sicher: In 15 Jahren könnte die Welt gerechter, die Menschheit gesünder sein. Wie realistisch sind seine Pläne?

Vor 15 Jahren haben die Vereinten Nationen mit den Millenniums-Entwicklungsziele (MDGs) erstmals einen Plan vorgelegt, wie globale Übel wie Armut, Ungleichheit und Ungerechtigkeit überwunden werden könnten. Bis 2015 sollte die Zahl der extrem Armen um die Hälfte reduziert werden, die Zahl der Kinder, die vor ihrem fünften Lebensjahr sterben, sollte um zwei Drittel sinken, wie auch die Zahl der Mütter, die bei der Geburt sterben. Insgesamt setzte sich die Welt acht Ziele. Einige wurden erreicht, andere nicht.

Um was geht es?

Im September wird die UN-Generalversammlung über neue Ziele entscheiden, diesmal sollen es Nachhaltigkeitsziele sein (SDGs), und sie sollen nicht nur die armen Länder zu Veränderungen verpflichten, sondern auch die reichen. Derzeit verhandeln die Regierungen bei den UN über die neuen Pläne. Im vorliegenden Entwurf sind es 17 große Ziele.

Um was geht es Bill und Melinda Gates?

Mit ihrem „Jahresbrief“ haben sich der Milliardär und Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda, mit der er vor 15 Jahren eine gemeinsame Stiftung gegründet hat, in der SDG-Debatte zu Wort gemeldet. Ganz oben steht auf ihrer Wunschliste, die Kindersterblichkeit weiter zu senken, die Bildungschancen zu verbessern, elektronische Bankdienstleistungen und die Landwirtschaft in Afrika zu verbessern. Dass es möglich ist, die Menschheit gesünder zu machen und zu ernähren, darüber bieten die Philanthropen der Welt eine „Wette“ an.

Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda haben am Donnerstag in Davos in den Schweizer Bergen ihre Vision für die Entwicklungsagenda der kommenden 15 Jahre öffentlich vorgestellt.
Microsoft-Gründer Bill Gates und seine Frau Melinda haben am Donnerstag in Davos in den Schweizer Bergen ihre Vision für die Entwicklungsagenda der kommenden 15 Jahre öffentlich vorgestellt.
© Reuters

Wird sich das Leben der Armen schneller verbessern als je zuvor?

Wenn es noch eines Nachweises bedurft hätte, wie weit Afrika zurückgefallen war, wurde dieser in einem Entwicklungsbericht der UN zur Verabschiedung der Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) vor 15 Jahren erbracht: Ausdrücklich wurde damals davor gewarnt, dass die 48 Staaten südlich der Sahara bei dem seit der Unabhängigkeit eingeschlagenen Entwicklungstempo weitere 150 Jahre bräuchten, um die MDGs zu erreichen. Wenn die Entwicklung so langsam wie bis zur Jahrtausendwende weitergegangen wäre, würde die Armut in Afrika frühestens im Jahr 2147 halbiert werden und die Kindersterblichkeit erst bis 2165 um zwei Drittel fallen.

Im Vergleich zu diesem düsteren Szenario hat der Kontinent tatsächlich Fortschritte gemacht, wenn auch nicht annähernd so große, wie Bill Gates sie nun geltend macht. Gerade bei der Armutsbekämpfung, die unter den Millenniumszielen ganz oben rangiert, fällt die Bilanz eher ernüchternd aus: Während Asien und Lateinamerika gerade hier gute Zahlen zu bieten haben, bleibt Afrika das Armenhaus der Welt – etwa 450 Millionen der rund 1,25 Milliarden Afrikaner leben trotz Wirtschaftswachstums nach wie vor in Armut, also von weniger als zwei Dollar am Tag. „Die Armutsrate sinkt längst nicht in dem Maß, in dem das Wachstum steigt“, resümiert Soren Ambrose von der Action-Aid-Gruppe in Nairobi. Selbst die stets optimistische Weltbank gab kürzlich zu, dass die in Afrika in den vergangenen zehn Jahren erzielten Wachstumsraten von durchschnittlich etwa fünf Prozent die Armut nur unmerklich vermindert haben. Gegenwärtig verdienen noch immer 95 Prozent aller Afrikaner weniger als zehn Dollar am Tag.

Was fehlt?

Die größte Volkswirtschaft Afrikas, Nigeria, steht sinnbildlich für die Faktoren, die den Kontinent ausbremsen. Dort haben die Machthaber in den vergangenen 40 Jahren geschätzte Öleinnahmen von mehr als 400 Milliarden Dollar veruntreut. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Nigerianer, die unterhalb der offiziellen Armutsgrenze leben, sprunghaft an: von 19 Millionen 1970 bei einer damaligen Bevölkerung von 70 Millionen auf heute rund 125 Millionen bei einer Gesamtbevölkerung von etwa 170 Millionen.

Dies liegt nicht nur an der schamlosen Selbstbereicherung der Eliten, sondern auch daran, dass es oftmals am Grundsätzlichen fehlt: dem Aufbau funktionsfähiger Institutionen wie etwa Verwaltungen. Im westafrikanischen Senegal sind nicht einmal die Hälfte aller Kinder, die jünger als fünf Jahre alt sind, behördlich registriert, sie haben keine Geburturkunde. Die Folgen liegen auf der Hand: Niemand weiß, wie verlässlich die von UN und Weltbank herangezogenen Zahlen sind, wenn es fast nirgendwo in Afrika statistische Ämter gibt. Wie kann ein Bildungswesen funktionieren, wenn niemand weiß wie viele Kinder in einem bestimmten Jahr in die Schule kommen?

Hilft viel Geld auch viel?

Ob ausgerechnet in höheren Geldtransfers die Lösung für Afrikas Probleme liegt, wie das Bill Gates, aber auch der Harvard-Entwicklungsökonom Jeffrey Sachs seit gut 15 Jahren behaupten, zweifeln inzwischen viele Afrikaner selbst daran. Der ugandische Journalist und Berater des ruandischen Präsidenten Paul Kagame, Andrew Mwenda, ist überzeugt, dass immer neue Geldtransfers echte Reformen verhindern, weil sie die etablierten starren Systeme konservieren. Um mehr Geld in Infrastruktur, Gesundheit oder Bildung zu investieren, braucht Afrika nach seiner Ansicht vor allem funktionierende staatliche Strukturen. Mwenda kritisiert auch den Schuldenerlass, weil dieser ökonomisches Fehlverhalten belohnt habe.

Nigeria ist auch hier ein Musterbeispiel dafür, wie eng in vielen Ländern des Kontinents Staatszerfall und der gleichzeitig von vielen Unternehmensberatungen diagnostizierte Aufschwung Afrikas zusammen liegen. Obwohl das Land nach offiziellen Statistiken kräftig wächst und viele westliche Unternehmensberatungen eine glänzende Zukunft bescheinigen, steigt die Ungleichheit rapide. Schätzungen gehen davon aus, dass fast 80 Prozent der Menschen im Norden Nigerias, wo derzeit die islamistische Boko-Haram-Terrortruppe wütet, unter der Armutsgrenze leben – doppelt so viele wie im Süden. Nirgendwo auf der Welt gehen so wenige Kinder zur Schule wie in seinem muslimischen Norden. Kaum fünf Prozent der Frauen können hier lesen oder schreiben.

Kann sich Afrika selbst ernähren?

Bill Gates ist davon überzeugt. Mit dem richtigen Dünger, einer veränderten Fruchtfolge, besseren Informationen über das Wetter und die Preise und verbesserten Nutzpflanzen sei eine Verdoppelung der Ernten in Afrika möglich, meint er. Dass die Produktivität der afrikanischen Landwirtschaft deutlich gesteigert werden kann, davon sind fast alle Fachleute in Regierungen und Wirtschaft überzeugt. Doch der Weg dahin ist sehr umstritten. Während Gates eher für den Weg einer „Industrialisierung“ der Landwirtschaft in Afrika steht – Gates hält auch den Einsatz genveränderter Saaten für eine gute Idee –, kämpfen die afrikanischen Kleinbauernorganisationen für eine bessere Beratung, eine verlässliche Finanzierung und günstigere Vermarktungsbedingungen.

Die meisten Bauern in Afrika sind Frauen, und ihre einzigen Betriebsmittel sind oft Hacken mit kurzem Stil. Von einer angepassten Mechanisierung, zuverlässigerer Finanzierung und einer guten Beratung könnten viele Farmer höhere Ernten erwirtschaften.
Die meisten Bauern in Afrika sind Frauen, und ihre einzigen Betriebsmittel sind oft Hacken mit kurzem Stil. Von einer angepassten Mechanisierung, zuverlässigerer Finanzierung und einer guten Beratung könnten viele Farmer höhere Ernten erwirtschaften.
© Reuters

Viele große Investoren sind seit der Nahrungsmittelkrise 2008 ins Agrargeschäft eingestiegen und haben große Landflächen von Regierungen gekauft oder langfristig gepachtet. Dafür sind Zehntausende Menschen von diesem Land vertrieben worden, die nun nicht einmal mehr für ihre Eigenversorgung ackern können. Der Landmaschinenkonzern Agco setzt zwar auch auf eine Mechanisierung der afrikanischen Landwirtschaft – aber nicht mit den überdimensionierten Treckern, die über amerikanische Äcker walzen. Anfang der Woche fand zum vierten Mal eine Landwirtschaftskonferenz zum Kontinent in Berlin statt. Agco-Chef Martin Richenhagen hat dazu von Anfang an weitere Unternehmen und Bauernorganisationen aus Afrika eingeladen, um angepasste Lösungen zu finden. Ein Ergebnis ist ein Lehrbauernhof, der in Sambia junge Bauern in moderner, angepasster Landwirtschaft ausbildet und ihnen auch Kenntnisse mitgibt, wie sie Kooperativen bilden können, um gemeinsam stärker zu werden – und sich einen Traktor leisten zu können. Für Agco hat sich diese vorsichtige Expansion gelohnt: Das Geschäft in Afrika wächst. „Wir haben aber auch das Gefühl, etwas richtiges zu tun“, sagte Richenhagen dem Tagesspiegel.

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