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Afrika: Äthiopien überlässt das Land den Investoren

Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Politik der Regierung. Misereor warnt: Der Hunger wächst.

Während in Europa die Spendentrommel für die Hungernden in Ostafrika gerührt wird, scheint sich die Lage in den betroffenen Regionen kaum zu verbessern. Experten rechnen mit einer schlechten Ernte im Oktober. Aus Sicht der Menschenrechtsorganisation Survival International ist eine ganz andere Entwicklung genauso dramatisch: Ihren Informationen zufolge verpachtet ausgerechnet Äthiopien trotz der Dürre fruchtbares Farmland an ausländische Investoren.

Im konkreten Fall soll es sich um das Omo-Tal im Südwesten des Landes handeln. Die fruchtbare Region ist bislang von der Dürre verschont geblieben. Jetzt soll das Farmland nach Informationen von Survival International ausländischen Unternehmen aus Malaysia, Italien und Korea überlassen werden. Zusätzlich wolle die Regierung staatliche Plantagen – unter anderem für den Anbau von Zuckerrohr – anlegen. Die Erträge sind allerdings nicht für die einheimische Bevölkerung bestimmt, obwohl nach Schätzungen des katholischen Hilfswerkes Misereor derzeit rund 4,6 Millionen Äthiopier hungern. Sie sollen exportiert werden.

Von „Landgrabbing“ ist die Rede, ein Sich-unter-den-Nagel-Reißen von Farmland durch ausländische Investoren. Dass diese Praxis trotz Hungersnot weitergeht, bestätigt neben Survival International auch Misereor-Referent Wilhelm Thees. „Internationaler Druck hat hier bis dato wenig bewirkt“, sagt er. Beat Dietschy, Zentralsekretär des evangelischen schweizerischen Entwicklungsdienstes „Brot für alle“, sieh noch ein weiteres Problem: „Viele dieser Land-Leasings sind langfristig angelegt und laufen in der Regel 50 bis 99 Jahre.“ Das heißt: Die bereits abgeschlossenen Verträge haben jetzt, während der Hungersnot, Folgen, mit denen vorher niemand rechnen konnte oder wollte.

Dietschys Organisation prangert regelmäßig das Landgrabbing an, warnt vor den Gefahren. Nach seinen Informationen gab es allein im vergangenen Jahr in Äthiopien 26 solcher Leasingverträge. Mittlerweile seien acht bis zehn Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in den Händen ausländischer Investoren, sagt er. Besonders begehrt seien dabei bewässerte und fruchtbare Gegenden.

So eine Kritik hört der äthiopische Premierminister Meles Zenawi überhaupt nicht gerne. Unlängst wehrte er sich deshalb in einem Fernsehinterview gegen Anschuldigungen, es gebe einen Ausverkauf Äthiopiens. Stein des Anstoßes waren indische Investoren. Seiner Meinung nach könnten sie den Agrarsektor auf Vordermann bringen. „Mit den passenden Verträgen profitieren beide Seiten davon“, argumentiert er.

Katrin Gänsler

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