Transnationale Listen: Eine Kopfgeburt
Der Verfassungsausschuss des Europaparlaments hat sich dafür ausgesprochen, bei Europawahlen transnationale Listen einzuführen. Mehr Bürgernähe entsteht dadurch nicht. Ein Kommentar.
So war das bislang noch bei den meisten Europawahlen: Wenn die EU-Bürger zur Wahl der Straßburger Kammer aufgerufen sind, dann wird der Wahlkampf häufig von nationalen Themen beherrscht. Genossen erinnern sich beispielsweise mit Schrecken an die Europawahl von 2004, als zahlreiche SPD-Wähler dem Votum aus Protest gegen die Agenda-Politik von Gerhard Schröder fernblieben. Da mag die Überlegung reizvoll sein, den Europawahlen einen wahrhaft europäischen Geist einzuhauchen, indem man transnationale Listen einführt – also Listen mit Politikern aus verschiedenen EU-Ländern. Auch wenn sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron für die Sache starkmacht, sollte man ihn ausnahmsweise in diesem Punkt nicht unterstützen. Denn ohnehin wird es im Europawahlkampf im kommenden Jahr zwangsläufig um lauter Themen von europaweiter Tragweite gehen – von der Migration über den Klimawandel bis zur Besteuerung von Apple, Google und Co. Ob die Wahlbeteiligung dann bei der Europawahl steigt oder sinkt, wird nicht so sehr davon abhängen, ob die Wähler noch auf einer zusätzlichen Liste ihr Kreuz machen können. Sondern davon, wie kraftvoll die Parteien für ihre unterschiedlichen Programme werben.