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Demonstranten auf dem Weg zum Präsidentenpalast.
© ANWAR AMRO / AFP

Eskalation zwischen Soldaten und Protestlern: Ein Toter bei Demonstrationen im Libanon

Bei dem Versuch eine Straßenblockade zu räumen, hat ein libanesischer Soldat das Feuer eröffnet. Ein 38-jähriger Mann ist gestorben.

Nach einer scharf kritisierten Fernsehansprache des libanesischen Präsidenten Michel Aoun ist es in der Nacht zu Mittwoch erneut zu Spannungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Die mittlerweile seit fast einen Monat anhaltenden Massenproteste im Libanon hatten sich in der vergangenen Woche deutlich abgeschwächt.

Dennoch gehen täglich Tausende auf die Straße, vor allem junge Libanesen und Libanesinnen, um für die baldige Einsetzung einer „Technokraten-Regierung“ und gegen die fest etablierten Machtstrukturen und weit verbreitete Korruption zu protestieren.

Der 84-jährige Präsident Aoun wandte sich am Dienstagabend an das libanesische Volk und sprach davon, dass Protestierende die Straße so schnell wie möglich verlassen sollten, weil die Situation sonst in einer „Katastrophe enden würde.“ Gleichzeitig empfahl er allen, die mit der gegenwärtigen politischen Situation unzufrieden sind, „doch einfach das Land zu verlassen“.

Noch vor Ende des Fernsehinterviews strömten viele wütende Libanesen und Libanesinnen zurück auf die Straße. Dutzende Verkehrsadern wurden durch brennende Reifen blockiert. Im südlichen Beiruter Vorort Khalde kam dabei ein Mann ums Leben. Beim Versuch der Armee eine Straßenblockade zu räumen, eröffnete ein Soldat das Feuer und traf den 38-jährigen Familienvater, der an seinen Verletzungen verstarb.

Demonstranten durch Messerstiche verletzt

Der verdächtige Soldat wurde festgenommen, die Streitkräfte kündigten in einem Statement an, den Fall zu untersuchen. Seit Beginn der Proteste am 17. Oktober ist das der erste Todesfall. Demonstranten ehrten das Opfer am Mittwochmittag in der Hauptstadt Beirut als „Märtyrer“. Viele Verkehrsachsen blieben blockiert, so unter anderem die wichtige Autobahn zwischen dem nördlichen Tripoli und Beirut.

Nach Angaben des lokalen Fernsehsenders MTV kam es außerdem bei einer Straßenblockade in der Nähe des Ortes Jal El-Dib zu schweren Auseinandersetzungen zwischen friedlichen Protestlern und einer Gruppe von jungen Männern. Diese drängten darauf, den Highway für den Verkehr wieder freizugeben. Mehrere Demonstranten wurden durch Messerstiche verletzt.

Gleichzeitig machten sich Tausende auf den Weg nach Babdaa, um vor dem Präsidentenpalast zu demonstrieren. Unis, Schulen und Banken bleiben bis auf Weiteres geschlossen.

Nach dem Rücktritt des Premierministers Hariri vor zwei Wochen ist Präsident Aoun immer noch mit der Bildung einer Übergangsregierung beschäftigt. Im gestrigen Interview konnte er keine großen Fortschritte bezüglich der Verhandlungen zwischen den Parteien verkünden. Auch sperrt er sich gegen die im Volk weit verbreitete Idee eine Regierung einzig aus Experten und Expertinnen bis zur Neuwahl des Parlaments einzusetzen.

Julius Geiler

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