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Heinz-Christian Strache von der FPÖ.
© AFP/ Alex Halada

Wahlergebnis in Österreich: Ein Rückschlag für die liberalen Kräfte in Europa

Der Wahlausgang in Österreich ist ein Triumph für die Populisten - und eine Lektion für die Liberalen im Umgang mit ihnen. Zwei Lehren aus dem Wahlkampf in Österreich. Ein Kommentar.

Vor zehn Monaten noch sah es so aus, als hätten die Österreicher Europa vor den Populisten gerettet. Die Wahl des Grünen Alexander van der Bellen zum Bundespräsidenten und die Niederlage der FPÖ galten als Signal: Der Vormarsch der radikalen Rechten ist nicht unaufhaltsam. Und nun? Könnte es sein, dass ausgerechnet van der Bellen seinen damaligen Konkurrenten, den FPÖ-Politiker Norbert Hofer, demnächst als Minister oder gar als Vizekanzler vereidigen muss? Was für eine bittere Pointe.

Keine Frage, der Ausgang der österreichischen Parlamentswahl ist ein Triumph für die Populisten – und ein Rückschlag für die liberalen, weltoffenen Kräfte in Europa. Die FPÖ erzielte mit 27,3 Prozent ihr bislang bestes Ergebnis, sehr wahrscheinlich wird sie demnächst in Wien mitregieren. Ihrem Spitzenkandidaten Heinz-Christian Strache wäre damit gelungen, woran Marine Le Pen in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden gescheitert waren.

Beide zählten am Wahlabend per Twitter zu den ersten Gratulanten: "Bravo à nos amis." In der Internationalen der Nationalisten wird die FPÖ damit zum Front-Runner. Und Österreich innerhalb der EU zum östlichsten unter den westlichen Mitgliedsländern: Strache hat im Wahlkampf angekündigt, verstärkt mit den autoritären Regierungen in Polen und Ungarn zusammenarbeiten zu wollen.

Islamfeindlich, nationalistisch, EU-skeptisch

Wie konnte es so weit kommen? Österreich ist wirtschaftlich erfolgreich, die Arbeitslosigkeit mit knapp sechs Prozent gering, der Sozialstaat gehört noch immer zu den am besten ausgestatteten in Europa. Und trotzdem ist das Land in den vergangenen Jahren immer weiter nach rechts gerückt, nicht erst seit dem Beginn der Flüchtlingskrise.

Die erste Lehre, die diese Wahl für den Rest Europas bereithält, lautet: Je schwächer die Gegenwehr, desto stärker werden die Populisten. Österreich lebt seit drei Jahrzehnten mit der FPÖ, Jörg Haider hatte sie damals groß gemacht. Anfangs erschien die Partei als ein Stück alpenländischer Folklore, mittlerweile segelt sie im Mainstream des europäischen Rechtspopulismus: islamfeindlich, nationalistisch, EU-skeptisch. Die FPÖ ist in mancher Hinsicht sogar radikaler als etwa der französische Front National. Parteichef Strache unterhielt lange Zeit enge Verbindungen zur Neonaziszene, die meisten Mitglieder des engeren Führungszirkels stammen aus deutschnationalen, antisemitischen Burschenschaften.

Für die EU wird es nicht einfacher werden

Heinz-Christian Strache von der FPÖ.
Heinz-Christian Strache von der FPÖ.
© AFP/ Alex Halada

Vor 17 Jahren, als die FPÖ in Österreich schon einmal mitregierte, war die Empörung groß. Hunderttausende demonstrierten gegen den politischen Tabubruch; die anderen EU-Länder froren ihre diplomatischen Beziehungen zu Wien vorübergehend ein. Heute ist die FPÖ ein integraler Bestandteil des politischen Systems, an die Stelle von Empörung ist Gewöhnung getreten. Die Partei verfügt über eine stabile Organisation, sie ist fest verwurzelt in vielen Gemeinden, genauso wie in den Gremien des nationalen Rundfunks.

Selbst die österreichischen Sozialdemokraten, lange Zeit ein Bollwerk gegen die Rechtsaußen, haben ihren Widerstand zuletzt aufgegeben. Im Burgenland regieren die "Roten" (SPÖ) mit den "Blauen" (FPÖ); und der bisherige Bundeskanzler Christian Kern hatte eine solche Koalition auch für den Bund nicht ausgeschlossen. Nun sind die Sozialdemokraten auf dem dritten Platz hinter die FPÖ zurückgefallen.

Für die EU wird es nicht einfacher werden

Rechtspopulisten kann man nicht schlagen, indem man immer weiter nach rechts rückt – das ist die zweite und wichtigste Erkenntnis. Sie führt zu Sebastian Kurz, dem voraussichtlich künftigen Bundeskanzler. Dem 31-Jährigen Chef der österreichischen Konservativen ist es gelungen, den Überdruss an der seit zehn Jahren regierenden großen Koalition auf seine Mühle zu lenken, obwohl er dieser Regierung selbst seit sieben Jahre angehört; erst war er Staatssekretär, dann Außenminister. Doch Kurz hat nicht nur "Veränderung" versprochen, er ist auch der FPÖ weit entgegengekommen. Von den Populisten hat er den Schimpf auf "das System", die Abwehr von Flüchtlingen, generell das Misstrauen gegenüber Ausländern übernommen.

Tatsächlich hat Kurz die Österreichische Volkspartei (ÖVP) so auf den ersten Platz geführt. Aber der FPÖ hat er kaum Wähler wegnehmen können, wie die ersten Analysen der Wählerströme zeigen. Im Gegenteil, die radikalen Rechten haben mehr Stimmen bekommen als jemals zuvor. Nicht ohne Grund konnte FPÖ-Chef Strache am Wahlabend behaupten, 60 Prozent der Wähler hätten für das Programm seiner Partei gestimmt – die ÖVP-Stimmen rechnete er dazu.

Für die Europäische Union wird der Umgang mit Österreich nach der Wahl nicht einfacher werden. Die FPÖ will Teile des österreichischen Arbeitsmarkts für EU-Ausländer schließen; sie will dauerhafte Grenzkontrollen einführen und aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) aussteigen. Zudem stellt sie die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) infrage. Für Sebastian Kurz bedeutet das, als Kanzler einer schwarz-blauen Koalition müsste er versuchen, die Geister wieder einzufangen, die er selbst gerufen hat.

Dieser Text erschien zuerst auf zeit.de.

Matthias Krupa

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