Die neue Außenpolitik der Ampel: „Ein progressives Programm“
Mit ihrem Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP auch Experten für Außen- und Sicherheitspolitik positiv überrascht. Aber es gibt auch kritische Punkte.
Dickes Lob kommt ausgerechnet von der neuen Opposition. „Der Koalitionsvertrag überrascht in seinem realistischen Ansatz in Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, erklärte Unions-Vizefraktionschef Johann Wadephul CDU): „Das ist erfreulich und verdient Anerkennung.“
Eine ähnliche Wertschätzung ist auch von Experten für internationale Beziehungen zu hören. Die Ampel habe „ein progressives Programm vorgelegt“, sagt Cathryn Clüver Ashbrook, Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sie kehre „zurück zu einer normativen, wertegeleiteten deutschen Außenpolitik“. Neu sei dass im kommenden Jahr eine nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt und die Außenpolitik mit mehr internationalen Partnern abgestimmt werden solle.
„Indien kommt in diesem Koalitionsvertrag genauso oft vor wie Frankreich, weil es auch eine dem Multilateralismus verpflichtete Demokratie ist“, meint die Thinktank-Chefin. Die künftige deutsche Regierung denke globaler als ihre Vorgängerin und wolle ein wertegeleitetes internationales System stärken. Ihre Vorhersage: „Vor allem die US-Regierung unter Joe Biden wird dieses Angebot sehr begrüßen.“
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Der Umgang der scheidenden Kanzlerin Angela Merkel mit China war von den Oppositionsparteien Grüne und FDP, aber auch von Teilen der SPD zuletzt kritisiert worden. „Die künftige Koalition zeigt eine neue Klarheit, sieht China weiter als Partner, aber eben auch als Systemrivalen“, meint Clüver Ashbrook. Sie begrüßt das Ziel, wonach sich Deutschland in seiner China-Politik stark mit den USA absprechen soll, um strategische Abhängigkeiten von China zu reduzieren. Der Chef des Thinktanks Global Public Policy Institutes (GPPI), Thorsten Benner, der schon lange den Abschied von Illusionen deutscher China-Politik fordert, lobt die Abmachung ebenfalls. Auch in Bezug auf Russland schlägt der Vertrag einen härteren Ton an als bislang.
Was militärische Machtmittel angeht, sieht DGAP-Chefin Clüver ähnlich wie CDU-Mann Wadephul einen „neuen Realismus“ einziehen, etwa weil die Ampel nun die Anschaffung der von der Bundeswehr schon lange dringend geforderten bewaffneten Drohnen verspricht. Zum Zwei-Prozent-Ziel der Nato für Rüstungsausgaben verhält sich der Koalitionsvertrag nicht direkt. Allerdings versprechen SPD, Grüne und FDP, drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Diplomatie, Krisenprävention, Entwicklungshilfe und Militär auszugeben, um die internationale Handlungsfähigkeit Deutschlands zu stärken.
Lange gerungen haben die Koalitionäre um Deutschlands künftige Rolle in der atomaren Abschreckungsstrategie der Nato. Clüver Ashbrook überzeugt das Ergebnis nicht: Die Aussagen dazu seien „ widersprüchlich – einerseits das Bekenntnis zur nukleare Teilhabe, andererseits die Annäherung an den Atomwaffenverbotsvertrag, den kein Nato- Mitglied unterschrieben hat“, sagt sie.
Was werden die Nato-Partner zum Atomwaffenverbotsvertrag sagen?
Auch GPPI-Chef Benner prophezeit: Deutschlands wichtigste Partner würden die Aufwertung des Verbotsvertrages „mit guten Gründen kritisieren“.
Bislang gilt, dass im Ernstfall Bundeswehr-Tornados in Deutschland gelagerte Atomwaffen ins Ziel tragen sollen. Allerdings sind die Maschinen veraltet und müssten ersetzt werden. Die Aussagen des Koalitionsvertrags zu einem Nachfolgemodell ließen „viel Freiraum“, meint die DGAP-Chefin.
Die Ampelkoalition werde „eine Abrüstungsoffensive anstoßen“, sagt SPD-Fraktionsvize Gabriela Heinrich voraus: „Darum haben wir uns vorgenommen, als Beobachter die Vertragsstaatenkonferenz des Atomwaffenverbotsvertrags konstruktiv zu begleiten.“
CDU-Mann Wadephul schränkt sein großes Lob für die Ampel-Verhandler übrigens schnell wieder ein: Feste Zusagen zur langfristigen Finanzierung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik bleibe die Ampel in dem Vertrag schuldig, vieles bleibe schlicht „im Unkonkreten“
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