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Guido Westerwelle im Zug von Berlin nach Dresden im Jahr 2003.
© Kai-Uwe Heinrich

Guido Westerwelle ist tot: Ein Politiker ohne Angst

Er wirkte ehrgeizig, öffentlich, ein Mann mit Meinung, die er auch vertrat. Aber er konnte auch anders: sachte, philosophisch. Und kämpfen. Erinnerungen an Guido Westerwelle.

Gute Reise, Guido. Politisch war ich selten seiner Meinung - aber mit Guido Westerwelle geht ein aufrechter Demokrat, überzeugter Europäer und Freund der klaren Worte. Schade, dass er diesen letzten Kampf verloren hat. Mein Beileid seinem Mann und seiner Familie!

schreibt NutzerIn aroma_plus

Sein härtester Kampf begann im Juni 2014. Er war an akuter Leukämie erkrankt, zufällig entdeckt bei der ersten Voruntersuchung zu einer Knieoperation. Das änderte alles im Leben des Guido Westerwelle, und es änderte auch den Blick auf ihn. Politische Gegner und Freunde – und von beidem hatte er reichlich – fanden zusammen im Wunsch, er, der doch noch jung war, möge die tückische Krankheit besiegen.

Und wie er den Kampf annahm! Ruhig und doch entschlossen, im Herzen optimistisch. Ein Rheinländer von Geburt und Gesinnung. In Bad Honnef geboren, in Bonn und Köln zuhause, hat ihn der Lebensmut nicht verlassen. Lange nicht, und öffentlich nie. Denn auch das gehört zum guten Rheinländer: das preußische Element. Er war, wie es Johannes Rau, der sozialdemokratische Ministerpräsident der Rheinländer und Westfalen und spätere Bundespräsident, einmal auch als Anspruch formulierte: ein rheinischer Preuße.

Diese Würde, die ihn zuletzt umgab, hat ihn vielen Menschen sympathisch gemacht. Menschen, die ihn vorher nur kannten als einen, der energisch und laut und direkt zu sein schien. Einer, der es politisch zwingen wollte. Der „Projekt-18-Wahlkampf“ vor anderthalb Jahrzehnten, bei dem er die Zahl auf seine Schuhsohlen schrieb und in den Big-Brother-Container ging, und dann doch keine acht Prozent mit seiner FDP erreichte – das war das vorherrschende Bild. Immer wirkte er zu ehrgeizig. Und zu öffentlich.

Guido Westerwelle leistete sich eine eigene Meinung - und vertrat sie

Ja, er scheute die Öffentlichkeit nicht – er suchte sie. Schon als Junger Liberaler, als deren Pressesprecher er in den achtziger Jahren begann. Aber Guido Westerwelle verstand es zugleich, ein Netzwerk zu knüpfen, das auch eines der Inhaltlichkeit war. Er kannte die liberalen Ahnen, die großen Namen, hatte gelesen, was sie geschrieben hatten.

Aber er erlaubte und leistete sich eine eigene Meinung. Und vertrat sie: als Bundesvorsitzender der Julis seit 1983, als Generalsekretär der Bundespartei seit 1994. Ob Klaus Kinkel oder Wolfgang Gerhardt, Guido Westerwelle erschien immer wie der eigentliche Chef. Der wurde er 2001. Die Gerte, die der vormalige Dressurreiter zum Amtsantritt als Generalsekretär erhielt, die konnte er sein: ein „Chief Whip“, ein Einpeitscher. Ein Politiker ohne Angst vor Vereinfachung.

Guido Westerwelle gab der publikumswirksamen Zuspitzung Vorrang

Dabei ist auch die gar nicht einfach. Man kann sie sogar aufladen zur politischen Philosophie. Und Theodor Eschenburg hatte er auch gelesen. Da wurde Westerwelle immer unterschätzt. Vielleicht weil er der publikumswirksamen Zuspitzung den Vorrang gab. Was übrigens einem seiner Förderer, dem eilig vergessenen Jürgen W. Möllemann, schon imponierte. Eine Zeit lang gaben beide zusammen den Takt vor. Alle wussten sie aber, dass Westerwelle den „Marschallstab im Tornister trug“, wie es Klaus Kinkel sagte. Auch ihm sagte, um ihn dann dazu anzuhalten, erst einmal etwas anderes als ausschließlich Politik zu machen. So war Westerwelle auch ein paar Jahre zugelassener Rechtsanwalt in der Kanzlei seines Vaters.

Der Wahlsieg 2009 der FDP mit fast 15 Prozent war seiner. Er war der größte in der Geschichte der Partei. Was die nicht wusste: der Wahltag war schon der Zenit der Legislaturperiode. Westerwelle und seine Gefolgschaft verhandelten, ließen sich auf falsche Beschlüsse ein, und er wurde nicht Finanz- oder Zukunfts-, sondern Außenminister. Weil sein politisches Vorbild immer Hans-Dietrich Genscher war. Der Rheinländer kann auch romantisch sein.

Die Kanzlerin öffnete ihm den Weg - auch zu sich selbst

Und dann die Liebe. Guido Westerwelle hat es nie bestritten, aber lange nicht gesagt, dass er homosexuell war. Er musste schon nicht zur Bundeswehr deshalb. Er traf den Mann seines Lebens, Michael Mronz, Rheinländer auch er – und war auf einmal freier denn je. Es wich die Verbissenheit aus seinen Zügen, nachdem er sich hier geöffnet hatte; und das war auch Angela Merkel zu verdanken, der Kanzlerin, die ihm – einer Freundin gleich – den Weg öffnete. Nicht zuletzt zu sich selbst.

Er konnte auch sacht sein

Was von ihm bleibt? Innenpolitische Erfolge, die heute wieder von Nachfolgern erreicht werden, die ihm viel verdanken. Außenpolitisch der Wunsch, dass Deutschland sich nicht militärisch einmischen, sondern als diplomatische Großmacht verstehen möge. Die Enthaltung im Libyen-Konflikt, viel kritisiert, weil sie kein entschiedenes Ja oder Nein war, nur ein sachtes Nein – sie ist dennoch quasi konstitutiv bis heute. Und entspricht in dieser Form, dieser unerwarteten Sachtheit der politischen Aussage, die gleichwohl zu verstehen war, ganz besonders Guido Westerwelle.

Er konnte sacht sein, sagen politische Freunde wie Gegner. Wer ihn gesehen hat bei der Buchvorstellung „Zwischen zwei Leben“ Ende vergangenen Jahres, der konnte es sehen. Er hat hart gekämpft. Immer. Gegen die Leukämie hat er verloren. Ein viel zu kurzes Leben. Guido Westerwelle ist mit 54 Jahren in Köln gestorben.

Ein ausführliches Porträt über Guido Westerwelle zu Beginn seiner Zeit als FDP-Chef von Stephan-Andreas Casdorff aus dem Jahr 2002 können Sie hier nachlesen.

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