Schwere Vorwürfe gegen Trump: Ein Patriot als Zeuge gegen den US-Präsidenten
„Ich fand es nicht in Ordnung“: Ein Militäroffizier war bei Trumps brisantem Ukraine-Telefonat dabei. Nun sagt er vor dem Kongress aus.
Schon mit seiner Kleidung machte Alexander Vindman am Dienstagmorgen klar, wem seine Loyalität gehört: seinem Land. In Uniform erreichte der Irak-Veteran und Experte für die Ukraine-Politik im Nationalen Sicherheitsrat den US-Kongress, um in der Ukraine-Affäre vor drei Ausschüssen des Repräsentantenhauses auszusagen. Mit bei sich hatte er ein Eröffnungsstatement, das es in sich hat. In seiner Aussage, die am späten Montagabend zuerst von der "New York Times" veröffentlicht wurde, erklärt Vindman, dass er wegen des Telefonats von US-Präsident Donald Trump mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj am 25. Juli so in Sorge gewesen sei, dass er dies dem Chefanwalt des Nationalen Sicherheitsrats mitgeteilt habe.
Das Telefonat steht im Mittelpunkt der von den Demokraten im September angestrengten Voruntersuchungen für ein mögliches Amtsenthebungsverfahren gegen Trump. Den Angaben nach wollte Vindman darüber berichten, dass Trump eine Ermittlung gegen den ehemaligen Vizepräsidenten Joe Biden und das ukrainische Gasunternehmen Burisma, bei dem Bidens Sohn Hunter Biden im Aufsichtsrat saß, verlangt habe. Vindman war der Auffassung, dass dieser Wunsch die nationale Sicherheit der USA untergrabe.
Der Präsident bestreitet alle Vorwürfe
Wie ein im September veröffentlichtes Gesprächsprotokoll belegt, drängte Trump Selenskyj während des Telefonat mehrfach zu solchen Ermittlungen. Der US-Präsident soll dabei eine zu dem Zeitpunkt blockierte Militärhilfe an die Ukraine in Höhe von rund 400 Millionen Dollar als Druckmittel eingesetzt haben. Die Demokraten im Kongress werfen ihm deswegen Machtmissbrauch und eine versuchte Beeinflussung der Wahl mit Hilfe einer ausländischen Regierung vor. Der Präsident bestreitet das und spricht von einer "Hexenjagd".
Vindmans Aussage legt nahe, dass an den Vorwürfen gegen Trump etwas dran ist. "Ich fand es nicht in Ordnung, dass eine ausländische Regierung gegen amerikanische Staatsbürger ermitteln soll, und ich war in Sorge über die Auswirkungen auf die Unterstützung der US-Regierung für die Ukraine", erklärte er laut seinem vorab veröffentlichten Statement. Er sei davon ausgegangen, dass die Regierung in Kiew im Fall einer Untersuchung der Bidens und Burismas die parteiübergreifende Unterstützung in Washington verlieren können. Denn ein solcher Schritt wäre ganz bestimmt als parteipolitisch motiviert betrachtet worden. Biden gilt als möglicher Herausforderer von Trump bei den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr.
Zwei Mal legte Vindman Beschwerde ein
Bereits zwei Wochen vor dem Telefonat hatte Vindman seiner Erklärung zufolge an einem Treffen teilgenommen, in dem ein Vertreter des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine zu Ermittlungen mit Blick auf Biden und die US-Demokraten gedrängt wurde. Dabei ging es demnach um Korruptionsvorwürfe gegen die Bidens und um eine Verschwörungstheorie, wonach die Ukraine bei der Präsidentschaftswahl 2016 die Demokratische Partei unterstützt haben soll.
Den Druck ausgeübt habe der EU-Botschafter der Vereinigten Staaten, Gordon Sondland, heißt es in Vindmans Erklärung. "Ich habe gegenüber Botschafter Sondland erklärt, dass seine Aussagen unangemessen waren, dass die Forderung, gegen Biden und seinen Sohn zu ermitteln, nichts mit der nationalen Sicherheit zu tun haben." Auch in diesem Fall habe er seine Bedenken mit dem Chefanwalt des Nationalen Sicherheitsrats geteilt.
Die Angriffe auf den Zeugen begannen umgehend
Vindmans Auftritt wurde als äußerst brisant eingestuft: Der Oberstleutnant ist der erste Mitarbeiter des Weißen Hauses, der bei dem Gespräch dabei war und vor dem Kongress aussagt. Schon bevor er überhaupt einen Fuß auf die Stufen des Kapitols gesetzt hatte, begann daher auch der Streit um seine Glaubwürdigkeit.
Trump selbst warf ihm auf Twitter vor, ein "Never Trumper" zu sein, ein republikanischer Gegner seiner Präsidentschaft. "Wie viele ,Never Trumper' dürfen noch zu einem absolut angemessenen Telefonat aussagen?", schrieb der Präsident. Den "korrupten Medien" zufolge sei der Zeuge "angeblich besorgt" wegen des Telefonats gewesen. "War er bei demselben Telefonat dabei wie ich? Kann nicht sein!", fügte er hinzu.
"Ich bin ein Patriot"
Auf Trumps Lieblingssender Fox News verwies die Moderatorin Laura Ingraham darauf, dass Vindman als Kind aus der Ukraine in die USA gekommen sei und dass ukrainische Regierungsvertreter ihn um Rat in der Frage gebeten hätten, wie sie mit Trumps persönlichem Anwalt Rudy Giuliani umgehen sollten, der auf Ermittlungen gegen die Bidens gedrängt hatte. Sie beschuldigte Vindman, aus dem Weißen Haus heraus "offensichtlich gegen die Interessen des Präsidenten" zu handeln.
Dies stieß umgehend auf Kritik. Im liberalen Sender MSNBC erklärte der frühere CIA-Stabschef Jeremy Bash: Offensichtlich werde hier behauptet, dass ein Militäroffizier ein "Verräter" und "unamerikanisch" sei. Das sei "widerwärtig". Immer wieder wurde darauf verwiesen, dass Vindman für seine Verletzungen im Irak-Krieg mit der Purple-Heart-Medaille ausgezeichnet wurde. Der Oberstleutnant selbst betont in seinem Eröffnungsstatement, dass er aus Pflichtgefühl und patriotischen Gefühlen gehandelt habe. "Ich bin ein Patriot", es sei seine "heilige Pflicht", die USA ohne Rücksicht auf Parteipolitik zu verteidigen.
Auch Kritik aus den eigenen Reihen
Die Attacken gingen aber auch manchen Republikanern zu weit. So erklärte die Abgeordnete Liz Cheney aus Wyoming: "Wir sprechen hier über verdiente Veteranen, die diesem Land gedient haben." Es sei eine Schande, wenn deren Patriotismus angezweifelt werde, sagte die Tochter des früheren Vizepräsidenten Dick Cheney weiter.
Auch im Senat regte sich Widerspruch. So nannte der Republikaner Mitt Romney aus Utah die Kritik an Vindman unangebracht. "Dies ist ein ausgezeichneter amerikanischer Militärangehöriger", sagte Romney, der Trump häufig kritisiert. Er habe volles Vertrauen in Vindman und dessen Patriotismus. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, lehnte es ab, Vindman zu kritisieren. "Ich werde von niemanden, der sich aus der Deckung wagt, die patriotische Einstellung infrage stellen", sagte der Senator aus Kentucky, der ansonsten meist auf der Seite des Präsidenten steht.
Demokraten treiben Impeachment-Untersuchung voran
Derweil wollen die Demokraten im Repräsentantenhaus ihre Vorbereitungen für ein Amtsenthebungsverfahren beschleunigen. Noch in dieser Woche soll es erstmals eine Plenumsabstimmung dazu geben, kündigte die Sprecherin der Parlamentskammer, Nancy Pelosi, in einem Schreiben an Abgeordnete an. Damit könne das Weiße Haus das Fehlen eines Plenarbeschlusses nicht mehr als "grundlose" Ausrede nutzen, um die Untersuchung zu boykottieren. Mit diesem Schritt sollten alle Zweifel an der Frage beseitigt werden, ob die Regierung sich weigern dürfe, den Abgeordneten Dokumente und Zeugen vorzuenthalten, erklärte Pelosi. "Niemand steht über dem Gesetz."
Mit der für Donnerstag geplanten Abstimmung sollen unter anderem öffentliche Anhörungen ermöglicht werden und dem Justizausschuss eine größere Rolle bei der Vorbereitung der eigentlichen Abstimmung zur Amtsenthebung zukommen, wie es in Pelosis Brief heißt. Auch die Rechte des Präsidenten und seiner Anwälte in dem Verfahren sollen damit klargestellt werden. Bislang hatten sich nur drei Ausschüsse des Repräsentantenhauses mit den Impeachment-Ermittlungen befasst.
Bisher fanden die Anhörungen hinter verschlossenen Türen statt
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Stephanie Grisham, erklärte, man werde dazu erst Stellung nehmen, wenn der genaue Text der Resolution bekannt sei. Der Vorgang zeige aber klar, dass die Demokraten bisher ein widerrechtliches und ungültiges Verfahren betrieben hätten.
Bislang hatten sich nur drei Ausschüsse des Repräsentantenhauses mit den Impeachment-Ermittlungen befasst. Die Demokraten haben in der Parlamentskammer eine Mehrheit, anfangs schien es allerdings noch nicht sicher, dass auch alle Abgeordneten der Partei für ein solches Verfahren stimmen würden. Nach Anhörung erster Zeugen und weiteren Ermittlungen gilt eine Zustimmung der Mehrheit der Abgeordneten inzwischen aber als relativ sicher.
Letzten Endes muss aber die zweite Parlamentskammer, der US-Senat, einer möglichen Amtsenthebung mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Dort haben Trumps Republikaner die Mehrheit – und die republikanischen Senatoren stehen bisher fast ausnahmslos zu ihrem Präsidenten.