Russland nach dem Tod von Boris Nemzow: Ein Nationalist wird Sonderermittler
Russlands Präsident Wladimir Putin beteuert, es werde alles unternommen, um den „zynischen Mord“ an dem Oppositionellen Boris Nemzow aufzuklären. Dessen Lebensgefährtin, die von den Schüssen nicht getroffen wurde, steht unter Hausarrest.
Nach dem Mord an dem russischen Oppositionellen Boris Nemzow haben die Moskauer Behörden einen Sonderermittler eingesetzt. General Igor Krasnow, ein Experte für die Aufklärung von Verbrechen mit nationalistischem politischen Hintergrund, soll eine zwölfköpfige Sonderkommission in dem Fall leiten, wie russische Medien am Montag berichteten. Kritiker fürchten, dass die Tat nie aufgeklärt wird – wie frühere Attentate auf andere Kremlgegner.
Die Personalie Krasnow dürfte Hinweise auf die Stoßrichtung der Ermittlungen geben, meinten Kommentatoren. Demnach könnte der Fall Nemzow möglicherweise als Tat von Nationalisten gesehen werden, die aus Hass auf die prowestliche Opposition gehandelt haben könnten. Andere Theorien der Ermittler schließen einen Zusammenhang mit der Ukraine-Krise oder eine Tat islamistischer Extremisten nicht aus. Die Stadt Moskau wies Medienberichte zurück, nach denen zahlreiche Kameras der Videoüberwachung zur Tatzeit abgeschaltet gewesen seien. Alle funktionierten, hieß es. Die Aufnahmen würden ausgewertet. Zuständig dafür seien die Ermittlungsbehörden. Für die Ergreifung des Täters setzten die Behörden eine Belohnung von drei Millionen Rubel (rund 45 000 Euro) aus.
Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Bluttat als „verachtenswert“
Der 55-jährige Nemzow, ein bedeutender Gegner von Präsident Wladimir Putin, war am späten Freitagabend mit vier Schüssen in den Rücken auf einer Brücke in Kremlnähe getötet worden. Nemzow starb am Tatort. Der Täter entkam unerkannt. Putin teilte mit, es werde alles für die Aufklärung des „zynischen Mordes“ getan. Russlands Außenminister Sergej Lawrow bezeichnete die Bluttat als „verachtenswert“. „Es geht um ein abscheuliches Verbrechen, das vollständig im Rahmen der Gesetze untersucht wird, um sicherzustellen, dass die Täter vor Gericht kommen.“ Die Lebensgefährtin des ermordeten russischen Oppositionspolitikers Boris Nemzow wird gegen ihren Willen in Moskau festgehalten. „Die Ermittler befragen mich und keiner sagt mir, wann ich freigelassen werde und warum sie mich hier festhalten“, sagte die Ukrainerin Ganna Durizka am Montag dem russischen Oppositionssender Doschd. „Ich habe das Recht, Russland zu verlassen, ich bin keine Verdächtige“, sagte die 23-Jährige. Sie sei lediglich Zeugin des Mordes gewesen und habe der Polizei bereits alles gesagt, was sie wisse.
Durizka war dabei, als Nemzow am Freitagabend in unmittelbarer Nähe des Kreml von einem Unbekannten in den Rücken geschossen wurde. Sie wisse nicht, woher der Täter gekommen sei, „er war hinter mir“. Sie befinde sich zurzeit in der Wohnung eines Freundes in Moskau, die sie nicht verlassen dürfe. Sie fühle sich schlecht und wolle nur noch nach Hause. Ihre Mutter appellierte an den ukrainischen Präsidenten und das Außenministerium, sich für die Rückkehr ihrer Tochter einzusetzen. „Sie ist unschuldig“, sagte Inna Durizka dem ukrainischen Sender 1+1. Sie habe Angst, dass die russischen Behörden ihre Tochter zu einer Schuldigen machen wollten.
An diesem Dienstag soll Nemzow auf dem Moskauer Prominentenfriedhof Trojekurowo beigesetzt werden. Zu einem Trauermarsch im Zentrum von Moskau waren am Sonntag zehntausende Menschen gekommen und hatten Blumen am Anschlagsort niedergelegt. (dpa/AFP)