Spanien sucht eine Regierung: Ein Königreich für einen Premier
Seit Monaten sucht Spanien eine neue Regierung. Vielleicht gibt es schon bald wieder Neuwahlen.
Es ist glühend heiß in der spanischen Hauptstadt Madrid, bei annähernd 40 Grad im Schatten bewegen sich die Menschen so wenig wie möglich. Das gilt auch für die Spitzenpolitiker Spaniens, die seit Monaten um eine neue Regierung ringen – und sich bisher keinen Millimeter aufeinander zubewegten. Das musste sogar König Felipe verbittert feststellen, der am Donnerstag seine Regierungsgespräche mit den Parteichefs abschloss, ohne dass sich ein einfacher Ausweg aus der politischen Blockade abzeichnete. Immerhin gilt als kleiner – wenn auch vorerst nur formaler – Fortschritt, dass Felipe den geschäftsführenden Ministerpräsident Mariano Rajoy beauftragte, wenigstens „eine Regierungsbildung zu versuchen“.
Rajoy akzeptierte die königliche Mission, gestand aber zugleich ein, dass er keine Mehrheit im Parlament hinter sich habe. Er werde nun mit allen Parteien verhandeln, was aber Zeit brauche. Ähnliche Gespräche waren in der Vergangenheit stets gescheitert. Rajoys Hoffnung ist, dass er die Blockade, gestärkt durch den königlichen Auftrag, nun durchbrechen kann. Die Opposition, zu der die Sozialisten, die linke Protestbewegung Podemos, die liberale Partei Ciudadanos und mehrere Regionalparteien gehören, weigert sich Rajoy und einer konservativen Minderheitsregierung ins Amt zu helfen.
Nur die kleine Bürgerpartei Ciudadanos signalisierte, sich bei einer Abstimmung enthalten zu wollen. Größtes Hindernis ist, dass Rajoys Ruf nach Korruptionsskandalen angeschlagen ist. Rechnerisch haben die Oppositionsparteien eine Zweidrittelmehrheit, könnten sogar eine alternative Regierung bilden, sind jedoch ideologisch zerstritten. Und so geht es schon seit Monaten: Das politische Leben im wirtschaftlich viertwichtigsten Land der Eurozone mit seinen knapp 47 Millionen Einwohnern ist gelähmt. Seit gut einem Jahr wurden keine Gesetze mehr beschlossen. Seitdem gibt es in dem Land, das einen wachsenden Schuldenberg vor sich herschiebt, keine Reformen, keine Zukunftsinitiativen, keine Sparbeschlüsse.
Mahnung von der EU
Gerade ist das Königreich wegen seines exzessiven Etatdefizits von der EU-Kommission abgemahnt worden. Rajoy, der Ende 2011 an die Macht kam, aber inzwischen seine absolute Mehrheit verlor, ist nur noch geschäftsführend im Amt und kann das Land derzeit lediglich kommissarisch verwalten. Zwei Mal mussten die Spanier in den vergangenen sieben Monaten bereits ein neues Parlament wählen. Und zwei Mal gab es keine klaren Mehrheiten. Wenn die Regierungsgespräche in den nächsten Wochen erneut scheitern, werden die Spanier möglicherweise ein drittes Mal an die Urnen gerufen.
Die Spanier scheint dieses Trauerspiel nicht besonders aufzuregen, weil sie offenbar nichts anderes von ihrer politischen Elite erwarten. Einer Umfrage des staatlichen Instituts CIS zufolge sind nur fünf Prozent darüber besorgt, dass es keine funktionierende Regierung gibt und sich das Land in einer Art politischer Dauersiesta befindet. Und drei von vier Spaniern glauben, dass die Politiker ohnehin „immer nach ihrem eigenen Vorteil streben“.