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Podemos-Chef Pablo Iglesias (links) und Alberto Garzon von der Partei Vereinte Linke machen am Samstag gemeinsam Wahlkampf in Madrid.
© dpa

Spanien wählt erneut: Bedrohlicher Stillstand

Die Spanier wählen an diesem Sonntag das zweite Mal innerhalb von sechs Monaten - mit wenig Hoffnung auf Veränderung. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ralph Schulze

Dieser moralische Verfall ist für Spanien nicht länger tragbar: Die konservative Regierungspartei ist schwer durch Korruption belastet. Dutzende ihrer Amtsträger sollen systematisch öffentliche Aufträge gegen Kommissionen vergeben haben. Nun auch noch der ungeheuerliche Verdacht, dass die konservative Regierung einen schmutzigen Krieg gegen Oppositionsparteien führte.

Was muss noch passieren, damit endlich frischer Wind durch das Königreich weht und derlei beschämende Praktiken beiseite fegt?

An diesem Sonntag haben Spaniens Bürger, die zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten über Parlament und Regierung abstimmen müssen, die Chance, eine neue Etappe einzuläuten. Und jener Partei, der von Anti-Korruptionsermittlern bescheinigt wurde, „Züge einer kriminellen Organisation“ zu tragen, endgültig die rote Karte zu zeigen.

Der erste Wahlgang war im Dezember

Bereits im ersten Wahlgang im Dezember hatten 70 Prozent der Wähler gegen den konservativen Regierungschef Mariano Rajoy und für die Opposition - die damals von den Sozialisten angeführt wurde - gestimmt. Doch weil sich die drei großen Oppositionsparteien nicht auf eine neue Regierung einigen konnte, und auch niemand Rajoy für eine Koalition die Hand reichen wollte, blieb der Premier geschäftsführend im Amt - und es wurden Neuwahlen fällig.

Ein Armutszeugnis für Rajoys oppositionelle Herausforderer, die eine neue demokratische Kultur versprochen hatten und doch in alten Grabenkämpfen verharrten. Und eine Schande für Regierungschef Rajoy, der sich bis heute weigert, den Weg für eine politische Erneuerung durch Rücktritt freizumachen.

Kein Wunder, dass Empörung und Politikverdrossenheit im Land immer größer werden. Zumal es im Moment nicht danach aussieht, als ob die Neuwahl am Sonntag die politische Lähmung Spaniens kurzfristig beenden wird. Dieselben Spitzenkandidaten wie vor sechs Monaten treten wieder an. Mit denselben Programmen. Und laut Umfragen weiterhin ohne klare Mehrheiten.

Der Stillstand treibt das Land in unruhiges Fahrwasser

Das lässt einen noch länger andauernden Stillstand der viertgrößten Wirtschaftsmacht der Eurozone erwarten, die unter hohen Staatsschulden, Massenarbeitslosigkeit und wachsender Armut leidet. Und die schon seit einem halben Jahr ohne entscheidungsfähige Regierung in zunehmend unruhiges Fahrwasser treibt.

Eine Schlüsselrolle in dieser schwierigen Gemengelage könnte der linksalternativen Protestallianz Unidos Podemos (Gemeinsam können wir es schaffen) zukommen, die sich den Wählern als Spaniens „neue Sozialdemokratie“ präsentiert. Wahlforscher glauben, dass dieses Anti-Austeritätsbündnis dieses Mal die Sozialisten überholen und gleich hinter Rajoys Konservativen zur zweitstärksten Partei aufsteigen könnte.

Das würde bedeuten: Sollte Rajoy erneut mit einer Regierungsbildung scheitern, was allgemein erwartet wird, könnte tatsächlich der linke Politrebell Pablo Iglesias zum Zuge kommen. Und versuchen, die Sozialisten, die ebenfalls Spaniens Sparkurs lockern wollen, für eine Mitte-Links-Koalition unter seiner Führung zu gewinnen. Was freilich nicht einfach werden dürfte.

Podemos könnte zweitstärkste Partei werden 

Der Aufstieg des Linksrevolutionärs, der mit Griechenlands Syriza-Premier Alexis Tsipras sympathisiert, wird in Europa nicht ohne Sorge gesehen. Iglesias begegnet der Angst, das mit ihm „griechische Verhältnisse“ zu erwarten sind, gerne mit dem Hinweis, das Spanien besser als Griechenland dastehe - was ja richtig ist. Und dass seine Partei bereits mithilfe der Sozialisten in den Großstädten Madrid und Barcelona regiere und dort kein Chaos ausgebrochen sei - was ebenfalls stimmt.

Daraus könnte sich also durchaus die Hoffnung ableiten, dass Spanien auch mit einem Pablo Iglesias als Regierungschef nicht zwangsläufig untergehen und zu einem zweiten Griechenland werden muss.

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