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Gelöbnis im Bendlerblock: Die wichtigsten Dinge des Verteidigungsministeriums passieren in Berlin.
© Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance / dpa
Exklusiv

Berlin/Bonn-Gesetz in Gefahr: Ein kleines Personalverfahren mit großer politischer Sprengkraft

Noch immer sitzt in Bonn ein Teil der deutschen Regierung. Doch das ist durch einen Prozess von zwei Verteidigungsministeriums-Beamten bedroht.

Wie zwei Revolutionäre sehen Ingo John und Raymund Schröders nicht aus. Einmal weißes Hemd, einmal blaues Hemd, zweimal dunkler Anzug. Die beiden Beamten im Bundesverteidigungsministerium könnten in letzter Konsequenz Greta Thunberg und die Steuerzahler zugleich glücklich machen.

Wenn sie am kommenden Dienstag vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen ihr Ministerium in einer Verwaltungsfrage gewinnen sollten, hätte das auch politische Sprengkraft. Es könnte das Ende des Nebeneinanders von zwei Ministeriumssitzen in Bonn und Berlin mit hohem Kohlendioxid-Ausstoß für dienstliche Flüge und Extrakosten von fast neun Millionen Euro im Jahr einläuten.

Dem Tagesspiegel liegen exklusiv brisante Schriftsätze vor, die zunächst wie eine Lappalie anmuten. In der Personalvertretungssache „Personalrat BMVg Berlin./. BMVg u.a.“ soll festgestellt werden, dass die Dienststelle Berlin des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) Hauptstelle im Sinne des Bundespersonalvertretungsgesetzes ist.

Denn die Sache ist folgende: Am Dienstsitz Bonn gibt es einen Personalrat, einen am Sitz in Berlin und dazu noch den Gesamtpersonalrat am Ersten Dienstsitz Bonn. Sollte aber das Verwaltungsgericht Berlin als ersten Dienstsitz festlegen, würde gerichtlich attestiert, dass das sogenannte Berlin/Bonn-Gesetz in der Realität längst ausgehöhlt ist. Schon Ursula von der Leyen sprach in ihrer Amtszeit als Ministerin vom Hauptsitz Berlin – das könnte in dem Verfahren Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) auf die Füße fallen.

"In Sachen Ministerien setzt sich die Teilung bis heute fort"

Die Sache ist eilig, denn im Frühjahr 2020 werden in allen Bundesverwaltungen die Personalräte neu gewählt. Es ist die erste Klage dieser Art. Und kann Auswirkungen auf andere Ministerien haben. Die Zweiteilung der Bundesregierung hat 2018 mindestens 8,6 Millionen Euro gekostet. Alleine für 18.730 Dienstreisen zwischen beiden Standorten flossen der Regierung zufolge 6,2 Millionen Euro aus der Staatskasse. 12.559 dieser Reisen wurden mit dem Flugzeug absolviert.

Das Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe gehört zu den Ministerien, die ihren ersten Amtssitz in Bonn und nicht in Berlin haben.
Das Bundesverteidigungsministerium auf der Hardthöhe gehört zu den Ministerien, die ihren ersten Amtssitz in Bonn und nicht in Berlin haben.
© picture alliance/dpa/ Oliver Berg

Neben dem Bundesverteidigungsministerium haben fünf weitere der 14 Ministerien noch ihren ersten Dienstsitz in der früheren Hauptstadt am Rhein: Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft, Umwelt und Entwicklung. Die Ministerien, deren erster Dienstsitz Berlin ist, haben wiederum einen zweiten Sitz in Bonn – und dies knapp 30 Jahre nach dem Mauerfall.

Geregelt wurde das im „Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom 20. Juni 1991 zur Vollendung der Einheit Deutschlands.“ In Sachen Ministerien setzt sich die Teilung bis heute fort.

„Juristisch hat das eine mit dem anderen nichts zu tun“, betont der Ministerialrat John, der das Verfahren mit angestoßen hat. „Politisch schon.“ Wolle man den Zustand der Teilung beibehalten, „oder setzen wir den Titel des Gesetzes um: Vollendung der Einheit.“ Bonn sei ein „Tele-Arbeitsplatz“, es gebe nur administrative Zuarbeit für Berlin.

Ein kompletter Umzug würde mindestens fünf Milliarden Euro kosten

Das Verfahren führt intern zu hoher Nervosität: „Berlin/Bonn-Gesetz nicht weiter untergraben“, schrieb der Bonner Personalrat im Intranet des Ministeriums. Man werde sich mit allen „ zur Verfügung stehenden Mitteln gegen den Versuch wehren, das Berlin/Bonn-Gesetz weiter zu untergraben.“ Daher sei eine renommierte Kanzlei mit „der Wahrung unserer gemeinsamen Bonner Interessen“ beauftragt worden.

Die Berliner Kläger um John und Schröders wiederum werden von dem bekannten Juristen Professor Ulrich Battis vertreten. John und Schröders listen auf: Eine Bundesministerin, die in Berlin sitzt, dazu alle vier Staatssekretäre und alle zehn Abteilungsleiter, dazu der Generalinspekteur der Bundeswehr. Stellen in Berlin: 1435, Stellen in Bonn: 1307,5.

In der Begründung für ihr Verfahren listen sie dutzende weitere Detailpunkte auf, die einen Ersten Dienstsitz Bonn wie eine Attrappe aussehen lassen. „Der Ministerbungalow (Hardthöhe Bonn) wurde vor Jahren ersatzlos abgerissen.“ Im Gegenzug sei für die Bundesministerin – damals Ursula von der Leyen – eine Übernachtungsmöglichkeit im Ministerium in Berlin geschaffen worden.
Der Besucherdienst in Bonn sei mangels Bedarf geschlossen worden, ebenso gebe es dort keine Pressestelle und „Personenschutzkräfte des BKA“ würden nur am Dienstsitz Berlin noch vorgehalten. Auch das Ehrenmal der Bundeswehr sei auf dem Gelände des Ministeriums in Berlin errichtet worden. „Etwas Vergleichbares existiert auf der Hardthöhe oder gar beim BMVg Bonn nicht.“
John betont, man müsse doch nicht „auf Biegen und Brechen einen Erinnerungsort an die alte Bonner Republik erhalten.“ Der CDU-Chefhaushälter im Deutschen Bundestag, Eckhardt Rehberg, unterstützt perspektivisch einen Komplettumzug nach Berlin, aber ein Komplettumzug könne nach Schätzungen mindestens fünf Milliarden Euro kosten.

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