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US-Präsident Donald Trump
© Reuters/Yuri Gripas

Strategiewechsel in der Ukraine-Affäre?: Donald Trump klingt auf einmal ganz anders

Der US-Präsident schließt ein „Quid pro Quo“ nicht mehr so kategorisch aus, wenn er über sein Telefonat mit dem Amtskollegen Selenskyj spricht.

Es gab kein „Quid pro quo“. Dieser lateinische Ausdruck ist in Washington während der vergangenen Wochen so oft benutzt worden, dass er nun zum Standardrepertoire der (informierten) Amerikaner geworden zu sein scheint. Der aus dem Alten Rom stammende Rechtsgrundsatz besagt, dass eine Person, die etwas gibt, dafür mit einer angemessenen Gegenleistung rechnen kann.

In der derzeitigen Debatte beschreibt der Ausdruck den Kern des Vorwurfs an US-Präsident Donald Trump: Hat er, um den ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj zu Ermittlungen gegen Joe Biden, seinen möglichen demokratischen Herausforderer bei der Wahl im kommenden Jahr, zu bewegen, in dem inzwischen berühmt-berüchtigten Telefonat am 25. Juli Militärhilfe für die Ukraine als Druckmittel eingesetzt? Wenn ja, wäre das ein klares „Quid pro quo“. Für die Demokraten im US-Repräsentantenhaus war der Verdacht zumindest ein Grund, um die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen den Präsidenten zu prüfen.

Die Demokraten erhärten den Verdacht

Seit Wochen bestreiten Trump und seine Republikaner energisch, dass es zwischen der (tatsächlich für eine Weile blockierten) Militärhilfe und dem Wunsch des Präsidenten nach Ermittlungen gegen Biden einen Zusammenhang gibt. Und ebenfalls seit Wochen versucht die Opposition, genau das nachzuweisen: indem sie Zeugen vorlädt und Dokumente veröffentlicht, die den Verdacht erhärten sollen.

Das ist den Demokraten auch bereits ganz gut gelungen – so gut, dass aufmerksamen Zuhörern in Washington auf einmal ein neuer Ton in der Verteidigungsstrategie des Trump-Lagers auffällt. Sonntagnacht erklärte der Präsident wieder einmal auf Twitter, dass man nur die inzwischen veröffentlichte Abschrift des Telefonats lesen müsse, um festzustellen, dass es kein „Quid pro quo“ gegeben habe.

Dabei sprach er aber auch vermeintlich „falsche Berichte“ an, nach denen „ein paar republikanische Senatoren“ sagen würden, dass es doch ein „Quid pro quo“ gegeben habe. Und fügte hinzu: Das mache aber keinen Unterschied, daran sei nichts Unrechtes, es sei kein Vorgang, der zu einem Impeachment führe.

Hat Trump damit bereits einen Strategiewechsel eingeleitet? Manche Beobachter vermuten das. Die „falschen Berichte“, auf die er sich bezog, standen zum Beispiel in der „Washington Post“ am Sonntag: dass immer mehr Republikaner inzwischen ein „Quid pro quo“ eingestehen würden, aber diesen Vorgang als etwas ganz Normales darstellen wollten – etwas, das doch eigentlich alle Präsidenten machten.

Immer mehr Zeugen belasten den Präsidenten

Fest steht, dass die Zahl an durchaus glaubwürdigen Zeugen, die der Version des Präsidenten in der Ukraine-Affäre widersprechen, fast täglich zunimmt. Obwohl das Weiße Haus versucht, allen Regierungsmitarbeitern die Aussage zu verbieten, sagen besonders die involvierten Diplomaten nach einer Zwangsvorladung durch den Kongress bereitwillig und ausführlich aus.

Da ist zum Beispiel William Taylor, der geschäftsführende US-Botschafter in Kiew, der vor dem Repräsentantenhaus laut seinem veröffentlichten Eingangsstatement erklärte, dass Trump die bereits vom Kongress beschlossene Militärhilfe für die Ukraine in der Tat gezielt zurückhielt, um seinem politischen Rivalen Joe Biden zu schaden. Oder Alexander Vindman, der Ukraine-Experte im Nationalen Sicherheitsrat des Weißen Hauses, der ausführte, warum er seine Bedenken hinsichtlich des Anrufs seinem Vorgesetzten mitgeteilt hatte: aus Sorge um die nationale Sicherheit der USA.

Und seit dieser Woche wird der gesamte Impeachment-Prozess auch noch transparenter. Seit Montag weiß die amerikanische Öffentlichkeit zum Beispiel, was die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch, den Abgeordneten am 11. Oktober berichtet hat: dass sie sich von Trumps Äußerungen über ihre Person in dem Telefonat bedroht gefühlt und Vergeltungsmaßnahmen befürchtet habe.

Die erfahrene Diplomatin schilderte, wie Rudy Giuliani, Trumps persönlicher Anwalt, und andere eine Kampagne betrieben, um ihre Ablösung zu erreichen. Sie hatte sich gegen deren Bestrebungen gestellt, sich aus der Ukraine möglicherweise kompromittierendes Material über den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen früher für ein ukrainisches Gasunternehmen tätigen Sohn Hunter Biden zu besorgen. Das Außenministerium habe sie nicht vor den Machenschaften geschützt, sagte Yovanovitch. Im Mai wurde sie abberufen. Ohne nähere Begründung sei ihr mitgeteilt worden, dass Trump das Vertrauen in sie verloren habe.

Die Verteidigungslinie des Präsidenten geriet aber auch aus den eigenen Reihen unter Druck, zum Beispiel durch Trumps eigenen Stabschef Mick Mulvaney. Der hatte in einer Pressekonferenz wahrscheinlich aus Versehen bestätigt, dass die knapp 400 Millionen Dollar an Militärhilfe unter anderem deshalb eingefroren wurden, um die Ukraine so zu Ermittlungen zu den vermeintlichen Wahleinmischungen zugunsten der Demokraten zu bewegen.

Dahinter verbirgt sich eine seit Jahren zirkulierende – und inzwischen auch widerlegte – Verschwörungstheorie, nach der die Einmischung Russlands in die US-Wahl 2016 nur erfunden wurde, um Trump zu schaden, um ihn als einen illegitimen Präsidenten darzustellen. Die E-Mail-Server der Demokraten seien damals nämlich gar nicht von Russen gehackt worden, sondern von der Ukraine aus.

Beim Empfang der Nationals ist er bester Laune

All diese Aussagen müssten dem US-Präsidenten eigentlich ziemlich unangenehm sein. Wenn das so ist, lässt er es sich zumindest nicht anmerken. Am Montag zeigte sich Trump in allerbester Laune, als er bei schönstem Herbstwetter das Baseball-Team der Washington Nationals auf der South Lawn, dem südlichen Rasen des Weißen Hauses empfing.

Trump in Siegerlaune: Beim Empfang der Washington Nationals umarmt er den Spieler Kurt Suzuki.
Trump in Siegerlaune: Beim Empfang der Washington Nationals umarmt er den Spieler Kurt Suzuki.
© Patrick Semansky/AP/dpa

Die Mannschaft hatte am Mittwoch die World Series in der nordamerikanischen Baseball-Profiliga MLB gewonnen – der erste Sieg für ein Baseball-Team der US-Hauptstadt seit 95 Jahren. Beim Besuch eines der Heimspiele der Nationals war Trump von den Zuschauern ausgebuht worden. Der Präsident schien das schon wieder vergessen zu haben, als er beim Empfang am Montag einen der Spieler umarmte und die Mannschaft, von der einige Spieler absichtlich ferngeblieben waren, in den höchsten Tönen lobte.

Einen Schlenker zu seinen politischen Problemen konnte er sich dann aber doch nicht verkneifen: Amerika habe sich in den Baseball der „Nats“ verliebt. Nur darüber wollten alle reden, sagte er und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Darüber und über Impeachment. Ich ziehe Nats-Baseball vor.“ Die Zuschauermenge auf dem Rasen lachte – für Trump wohl einmal mehr ein Indiz dafür, dass er alles nicht so ernst nehmen muss.

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