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Der griechische Premier Alexis Tsipras, der italienische Regierungschef Matteo Renzi und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Gipfeltreffen in Brüssel
© AFP

Kompromiss oder Grexit?: Ein enger Zeitplan für Griechenland

Bis Mittwoch braucht Griechenland Milliarden. Ein Überblick über die wichtigsten Termine, Entscheidungen und Entscheider der kommenden Tage.

Die kommenden Tage sind entscheiden für die Zukunft Griechenlands und der Europäischen Union. Viel Zeit bleibt nicht mehr, sich auf einen gemeinsamen Kompromiss zu einigen.

Samstag, 27. Juni - Finanzminister

Läuft alles nach Plan, dann ist der Grexit am Samstag bereits (vorerst) vom Tisch. In Brüssel werden sich die Finanzminister der Euro-Gruppe treffen – es hängt also unter anderem am griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis und seinem deutschen Kollegen Wolfgang Schäuble. Sie sollen ein gemeinsames Papier verabschieden, ein sogenanntes „staff level agreement“, das dann als Basis für den offiziellen Kompromiss genutzt wird. Was simpel klingt, ist schwierig genug. Denn beide Seiten müssen sich auf entscheidende Punkte einigen. Griechenland hatte am Donnerstag sein vorerst letztes Angebot an die Gläubiger vorgelegt. Darin erklärt sich die Syriza-Regierung zum Beispiel bereit, bis 2022 das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben – bisher wollte sie sich dafür drei Jahre länger Zeit lassen. Die Mehrwertsteuererhöhungen hängen nur noch an der Frage, ob Hotels nun bei 23 Prozent oder bei 13 Prozent verbucht werden sollen. Auch hier signalisieren die Gläubiger Verhandlungsbereitschaft. Athen ist außerdem bereit, eine Extrasteuer für die großen griechischen Reedereien einzuführen. Bei anderen Punkten bleibt Regierungschef Alexis Tsipras hart: Er will die Zusatzrenten für die Ärmsten nicht „auslaufen“ lassen, wie der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert, sondern „ersetzen“. Die Institutionen kritisieren, dass Griechenland zu stark auf Steuereinnahmen baue, statt auf der Ausgabenseite zu kürzen. Der größte Dissens herrscht bei der Frage der Schuldenumstrukturierung. Sowohl Tsipras als auch Varoufakis betonen, dass sie nur einen „belastbaren“ Kompromiss für ihr Land schließen könnten. Griechenland könne nur mit weniger Schuldenlast wieder wirtschaftlich wachsen. Doch besonders Deutschland und damit Schäuble sind gegen Schuldenerleichterungen. Vorgeschlagen wird den Griechen stattdessen, das jetzige Programm bis November zu verlängern und dann ein drittes Bail-out-Programm mit weiteren Auflagen zu beschließen. Das lehnt Syriza ab.

Sonntag, 28. Juni - Parlament in Athen

Am Sonntag soll der – am Samstag von den Finanzministern vereinbarte – Deal dann vom Parlament in Athen abgesegnet werden. Das ergibt sich quasi automatisch aus einem anderen Ultimatum: Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte eine Lösung bis zur Börsenöffnung am Montagmorgen angemahnt. Mit dem Beginn der neuen Woche wären auch andere Unannehmlichkeiten verbunden.
Es wirkt wie eine Formalie, doch die Abstimmung zu Hause wird für Tsipras und Varoufakis keine viel leichtere Prüfung als die Verhandlung mit den Geldgebern. Schon von Beginn an mussten die griechischen Verhandler in zwei Richtungen argumentieren, und nun sind die Bedenken innerhalb des linken Bündnisses gegen die Zugeständnisse an die Geldgeber groß. In (zu) vielen Punkten widerspricht der bisher absehbare Kompromiss dem Wahlprogramm der Partei. Während die meisten Beobachter zwar nur mit fünf bis sechs Abweichlern aus den Syriza-Reihen rechnen, werden in anderen Szenarien bis zu 40 „Nein“-Stimmen aus den eigenen Reihen bei der Abstimmung über einen möglichen Kompromiss befürchtet. Zwölf Gegenstimmen könnte sich die Partei erlauben, ohne ihre Mehrheit zu verlieren. Angenommen würde die Vereinbarung aber so oder so, weil ein Großteil der Opposition dafür stimmen wird. Noch ist unklar, ob bei dem knappen Zeitplan vor der Abstimmung eine ordentliche Debatte geführt werden wird, aber falls dies der Fall ist, wird es ziemlich ungemütlich für die Regierung. Prominente linke Wortführer sind zum Beispiel der Energieminister Panagiotis Lafazanis oder die Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. Nach griechischer Tradition wird es vermutlich knapp werden mit der Montagsdeadline: Das Parlament ist für seine Abstimmungen kurz vor Mitternacht bekannt.

Montag, 29. Juni - Bundestag

Zum Tag des Bundestages könnte der kommende Montag werden – immer unter der Voraussetzung, dass eine Lösung gelingt. Am Montag beginnt jedenfalls eine reguläre Sitzungswoche, und da dürfte Griechenland unter den Abgeordneten schnell zum beherrschenden Thema werden. In der Regierungskoalition wird vor allem in der Union die Freigabe weiterer Hilfsmilliarden kritisch gesehen. Wann sich die Fraktionen im Bundestag für den Fall einer Einigung mit deren Details befassen und wann das Plenum abstimmen würde, war vor dem entscheidenden Wochenende zunächst offen. Neben dem Bundestag müssten noch weitere Parlamente in der Euro-Zone den weiteren Hilfszahlungen zustimmen. Darunter sind die Abgeordnetenkammern in den Niederlanden und Estland. Es ist denkbar, dass eine Vereinbarung zwischen den Gläubigern und der griechischen Regierung in Athen neue Demonstrationen von enttäuschten Syriza-Anhängern heraufbeschwört. Sollte eine mögliche Einigung in letzter Minute am Wochenende noch platzen, dürfte sich in Griechenland das Tempo der Bargeldabhebungen weiter beschleunigen. In der vergangenen Woche hatte die griechische Zentralbank bekannt gegeben, dass Bürger und Unternehmen in den ersten fünf Monaten des Jahres insgesamt 29,4 Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben haben. Nicht auszuschließen ist auch, dass es in diesem Fall wieder zu Protesten derjenigen Griechen kommt, die ihr Land in jedem Fall in der Euro- Zone halten wollen. Bereits in den vergangenen Wochen hatten Tausende in der Athener Innenstadt für ein Festhalten an der Gemeinschaftswährung demonstriert.

Dienstag, 30. Juni - Zahltag

Am Dienstag muss Griechenland 1,6 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen, wozu das Land ohne eine Einigung mit den Geldgebern voraussichtlich nicht in der Lage ist. Gleichzeitig läuft an diesem Tag das gegenwärtige Hilfsprogramm der internationalen Geldgeber aus. Auch das Programm kann nur dann bis Ende November verlängert werden, wenn sich beide Seiten zuvor am kommenden Wochenende auf die Bedingungen geeinigt haben und der Bundestag anschließend zustimmt. Wenn ein Deal zustande kommt, könnte der Bundestag notfalls noch am Dienstag darüber abstimmen, falls es für ein Votum am Montag zu knapp werden sollte. Kommt es nicht zu einer Einigung, droht Griechenland die Staatspleite. Große Ratingagenturen wie Standard & Poor’s und Moody’s haben schon erklärt, dass sie einen Zahlungsausfall gegenüber dem Internationalen Währungsfonds nicht als Zahlungsausfall Griechenlands bewerten würden. Allerdings wäre die fällige Rückzahlungsrate beim IWF nicht die einzige Verpflichtung, die Athen im Falle eines Scheiterns demnächst nicht bedienen könnte: Am 20. Juli werden 3,5 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) fällig, die noch zahlreiche Staatsanleihen des Landes hält.

Mittwoch, 1. Juli - Neue Phase?

Falls die Gespräche zwischen den Geldgebern und Griechenland scheitern und Athen am Vortag die Schulden in Höhe von 1,6 Milliarden Euro beim Internationalen Währungsfonds nicht beglichen hat, tritt die Griechenlandkrise am Mittwoch in eine neue Phase ein. Die Regierung von Alexis Tsipras müsste in diesem Fall direkt mit dem IWF über die Rückzahlung der Schulden sprechen. Falls Griechenland die Schulden beim IWF am Dienstag nicht bedient, dürfte der Währungsfonds eine 30-tägige Mahnfrist einräumen. Allerdings droht der Währungsfonds gleichzeitig als Kreditgeber für Hellas auszufallen. Der Fonds hat eine nicht geringe Bedeutung für die Zahlungsfähigkeit Griechenlands: Der Anteil des IWF am gegenwärtigen Hilfspaket der internationalen Kreditgeber beträgt rund 3,5 Milliarden Euro. Falls über das kommende Wochenende keine Vereinbarung zwischen den Geldgebern und Hellas zustande kommt, dürfte sich auch die Europäische Zentralbank überlegen, wie lange sie mithilfe von Notkrediten sicherstellen soll, dass Bargeld aus den Automaten in Griechenland kommt. Falls die EZB den Rahmen für die Notkredite nicht mehr wie bisher permanent erhöht, muss Griechenland irgendwann eine Parallelwährung einführen, mit der Staatsdiener und Rentner bezahlt werden können.

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