Das steuerpolitische Programm der SPD: Ein bisschen links schadet nie
Die Vorschläge der Sozialdemokraten zur Steuer- und Finanzpolitik dienen der Neuprofilierung. Aber lassen sie sich überhaupt umsetzen?
Ein Wahlprogramm ist kein Regierungsprogramm und erst recht kein Koalitionsvertrag. Was die SPD-Führung am Montag offiziell vorgestellt hat, ist so eher eine Skizze von Wünschenswertem, das der Profilbildung dient. SPD pur – ohne Rücksicht auf künftige Partner und tatsächliche Chancen auf Umsetzung also? In Koalitionsverhandlungen ist es üblich, die jeweiligen Forderungen abzuschichten. Bei den Sachthemen ist daher ein „give and take“ das übliche Ritual. Die einen beharren hierauf, die anderen darauf – es gibt Zugeständnisse mit Bauchschmerzen und Kompromisse mit schlechtem Gewissen. Aber in allen Koalitionsverhandlungen kommt der Punkt, an dem sich die Verantwortlichen tief in die Augen schauen müssen: Wenn die Frage aufkommt, wie man das alles bezahlen soll?
Schwarz-Rot hat da sehr auf Wachstum und Hoffnung und den sich anhäufenden Berg an Rücklagen in den Jahren der Haushaltsüberschüsse gesetzt. Die werden gerade verplant, die nächste Regierung wird nicht mehr so sehr aus dem Vollen schöpfen können. Eine Verlängerung der „Groko“ wollen beide Seiten nicht mehr. In der SPD setzen manche hoffnungsvoll auf Rot-Rot-Grün, andere dagegen – Kanzlerkandidat Olaf Scholz etwa – erwägen, es eher mit einer Ampel zu versuchen, einer Koalition mit Grünen und FDP also.
Ran an die Vermögenden
Auf den ersten Blick liest sich das steuer- und finanzpolitische SPD-Programm eher als Angebot nach links und weniger als Vorbereitung für eine rot-grün-gelbe „Ampel“. Keine „Politik der Austerität“ (in einfacher Sprache: Sparsamkeit), massive Zukunftsinvestitionen, Umverteilung, Steuergerechtigkeit – mit Grünen und Linken kein Problem. Insbesondere die Forderung nach einer Vermögensteuer (im Wahlprogramm 2017 nicht enthalten) ist ein Schritt dahin. Einen „maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für sehr hohe Vermögen" will die SPD einführen. Die Einschränkung lautet: "Die Grundlage von Betrieben wird bei der Vermögensteuer verschont."
Doch tun sich Fragen auf. Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass man so die Finanzkraft der Länder stärken möchte. Die seit einem Vierteljahrhundert ausgesetzte Vermögensteuer ist nämlich eine reine Ländersteuer, es ist im Grundgesetz so festgelegt. Warum aber sollte sie eine künftige Bundesregierung dann erheben wollen? Die Einnahmen hätten andere. CDU, CSU und FDP wollen eine Vermögensteuer nicht. Sie könnten sie über die Länderkammer leicht stoppen, sollte eine rot-rot-grüne Koalition im Bund sie beschließen. Und in einer Ampel-Koalition käme es auch nicht dazu, dass die Vermögensteuer wieder erhoben wird.
Neuanlauf bei der Erbschaftsteuer
Aber wie sieht es bei einer Reform der Erbschaftsteuer aus? An die hatte sich 2016 die damalige schwarz-rote Koalition machen müssen, weil das Bundesverfassungsgericht das vorgab. Was herauskam, gilt weithin als unbefriedigende Lösung. Vor allem die CSU hatte sich dagegen gesperrt, eine höhere Belastung von Unternehmenserben mitzumachen. Die SPD schlägt nun eine „effektive Mindestbesteuerung“ vor, also die Abkehr von völliger Steuerfreiheit, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Auch die Erbschaftsteuer ist jedoch eine Ländersteuer. Das gleiche Problem also wie bei der Vermögensteuer? Möglicherweise nicht. Das geltende Gesetz gilt als heillos kompliziert. Selbst Ökonomen aus dem wirtschaftsliberalen Lager plädieren daher für eine Reform zur Vereinfachung und sogar zur Verbreiterung der Steuerbasis. So könnte sich nach der Wahl eine Gemengelage ergeben, in der eine partielle Reform möglich wird. Aber es gilt eben auch hier: Das Geld fließt nicht dem Bund zu, zur Finanzierung von dessen Ausgaben kann es nicht dienen (und wenn, dann allenfalls indirekt, indem Leistungen an die Länder aus dem Bundesetat entsprechen gekürzt würden).
Und die Schuldenbremse?
Ein aktuell debattiertes Finanzthema wird im SPD-Programm nur indirekt angesprochen – die Zukunft der Schuldenbremse. Eine Abschaffung, wie sie die Linke fordert, oder eine gründliche Reform kommt nicht vor. Vermerkt ist nur kurz, dass man zur Finanzierung „die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme nutzen“ werde. Auch hier wäre in einer Koalition mit Linken und Grünen zwar einiges möglich, weniger dagegen in einer Ampelkoalition. Doch jede Änderung muss durch den Bundesrat mit seinem Unions-Sperrriegel (über 51 der 69 Länderstimmen dort können CDU und CSU derzeit mitbestimmen). Und eine Grundgesetzänderung ginge absehbar auch in einem künftigen Bundestag nicht ohne die Union.
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Auch der Aufschlag auf die Einkommensteuer in Höhe von drei Prozentpunkten ab einem Einkommen von 250.000 Euro bei Ledigen und 500.000 Euro bei Paaren wäre in einer Linkskoalition mehrheitsfähig, nicht aber in einer Ampel - und würde im Bundesrat wohl ohnehin scheitern. Ähnlich ist es bei der von der SPD vorgeschlagenen Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Managementgehältern. Selbst die geplante Radikalreform des Ehegattensplittings (die zumindest mit Grünen und Linken zu machen wäre) geht nicht ohne den Bundesrat, weil sie die Einkommensteuer betrifft, die sich Bund und Länder teilen. Das Versprechen einer Einkommensteuerreform, welche die Mitte besserstellt, kommt wie gewohnt vor - da alle Parteien das möchten, könnte hier am ehesten etwas in Bewegung geraten.
Finanztransaktionssteuer - auf ein Neues
Allein die in Aussicht gestellte Finanztransaktionssteuer könnte als reine Bundessteuer eingeführt werden. Aber sie gilt als problematisch, wenn sie nur national eingeführt wird - im SPD-Programm heißt es denn auch, sie solle "möglichst in Einklang mit unseren europäischen Partnern" eingeführt werden. Mit Grünen und Linken wäre sie problemlos machbar, mit der FDP dagegen nicht so leicht. Erfreut zeigte sich Linken-Fraktionsvize Fabio De Masi. „Und sie dreht sich doch“, kommentierte er das SPD-Programm. Es gehe in die richtige Richtung. Die Besteuerung von Multimillionen-Vermögen, die Entlastung der arbeitenden Mitte bei der Einkommensteuer sowie die Begrenzung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Managergehältern fordere auch die Linke. „Allerdings ist der Verzicht auf die Besteuerung sehr hoher Betriebsvermögen nicht zielführend. Dann muss der Picasso nur in die Firmenzentrale gehängt werden“, sagte De Masi dem Tagesspiegel. „Sinnvoller wären angemessene Freigrenzen und ein progressiver Steuertarif.“
Die Freien Demokraten reagierten reserviert. „Mit dem Wahlprogramm schlägt die SPD einen deutlich linken Kurs ein“, sagte Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, dem Tagesspiegel. „Ob Olaf Scholz selbst damit einverstanden ist oder nur einwilligt, um die Partei mitzunehmen, ist schwer zu sagen.“ Die SPD-Steuerpläne stoßen auf Kritik. "Das Programm ist mit den vorgeschlagenen Steuererhöhungen geeignet, um Wachstum zu verhindern", kritisiert Buschmann. "Doch genau das brauchen wir, um aus der Krise herauszukommen."
FDP: Wo ist der Mittelstand?
Auch FDP-Chef Christian Lindner sieht in dem Programmentwurf vor allem eine „Einladung an Grüne und Linkspartei“. Er zollt dem 48-seitigen Papier lediglich „literarischen Respekt“ dafür, dass es knapp und präzise gehalten sei. „Ein Wermutstropfen ist, dass im Programm der SPD offensichtlich alle Kapitel gestrichen worden sind, in denen es um die Wiedererlangung wirtschaftlicher Dynamik und die Sicherung von Arbeitsplätzen geht." Positive Signale an den Mittelstand sende das SPD-Programm nicht aus, sagte Lindner. "Das wird aber vielleicht noch nachgelegt, wäre aus unserer Sicht empfehlenswert." Zur Erbschaftsteuer sagte Lindner, seine Partei gehe davon aus, dass sie "ohnehin auf einem wackeligen Grund steht, weil das Verfassungsgericht ja vor Jahren die sogenannte Verschonungsregel beim Betriebsvermögen moniert hat". Bei der Groko-Reform sei diese Regel aber wieder ins Gesetz geschrieben worden. "Insofern steht das rechtlich auf tönernen Füßen", betone Lindner. "Mir ist allerdings noch nicht ganz klar, was die SPD genau verändern will." Sowohl Vermögens- als auch Erbschaftssteuer tauchten immer wieder in den Programmen der Sozialdemokraten auf, aber konkrete Gesetzentwürfe lege die SPD nie vor.
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