Erster Entwurf des Wahlprogramms: SPD will ein „zeitlich befristetes Mietenmoratorium“
Dem Tagesspiegel liegt ein 48-seitiger Entwurf des SPD-Programms für die Bundestagswahl im September vor. Ein Überblick über die wichtigsten Punkte.
In diesem Wahljahr soll nichts mehr schief laufen für die SPD. Das ist zumindest der Wunsch der Sozialdemokraten. Mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz haben die Genossinnen und Genossen ihren Kanzlerkandidaten bereits im Sommer vergangenen Jahres bestimmt, früher als alle anderen und ohne die Querelen, wie man sie in den Vorjahren gesehen hat.
Nun folgt das Programm. „Wofür wir stehen. Was uns antreibt. Wonach wir streben“, steht über dem 48-seitigen Entwurf, den der Parteivorstand am Montag berät und der dem Tagesspiegel vorliegt. Nach der Vorstandssitzung wollen Scholz und die beiden SPD-Chefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans das „Zukunftsprogramm“ offiziell vorstellen.
Mit den drei Schlagwörtern „sozial“, „digital“ und „klimaneutral“ hatte der Parteivorstand bereits Anfang des Monats die Richtung für den SPD-Wahlkampf vorgegeben. Der Programmentwurf soll diese Überschrift nun mit Leben füllen – mit sozialdemokratischen Klassikern, aber auch mit neuen Vorschlägen.
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Dabei nimmt die Forderung nach Steuersenkung für mittlere Einkommen und Vermögen eine zentrale Rolle ein. In dem Entwurf heißt es: „Das aktuelle Steuersystem nimmt gerade mittlere Einkommen zu stark in Anspruch. Wir werden eine Einkommensteuerreform vornehmen, die kleine und mittlere Einkommen besser stellt, die Kaufkraft stärkt und dafür im Gegenzug die oberen fünf Prozent stärker für die Finanzierung der wichtigen öffentlichen Aufgaben heranzieht.“
Auf „sehr hohe Vermögen“ soll es einen einen „maßvollen, einheitlichen Steuersatz von einem Prozent“ geben. „Die hohe und weiter wachsende Konzentration des Vermögens auf einige Hochvermögende verhindert nachhaltiges Wachstum und verschenkt wertvolle Potenziale“, heißt es in dem Papier. Der Aufschlag von drei Prozentpunkten bei der Einkommensteuer soll ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 250.000 Euro greifen. Für Eheleute soll eine Grenze von 500.000 Euro gelten.
Reform des Ehegattensplittings
Zudem will die SPD das Ehegattensplitting reformieren. Anstatt Familien mit Kindern einen Steuervorteil zu verschaffen, profitierten vom Ehegattensplitting vor allem „Alleinverdiener-Ehepaare“, unabhängig von der Anzahl der Kinder. „Das werden wir für neu geschlossene Ehen ändern und ein Wahlrecht für bestehende Ehen einführen“, verspricht der SPD-Entwurf.
Dem Credo der „Schwarzen Null“, dem Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts ohne neue Schulden, erteilt die SPD eine Absage. „Die Finanzierung der in diesem Regierungsprogramm formulierten Schwerpunkte stellen wir sicher“, heißt es. „Dazu werden wir die verfassungsrechtlich möglichen Spielräume zur Kreditaufnahme nutzen.“
In der Gesundheitspolitik setzen die Sozialdemokraten auf ihre Idee der Bürgerversicherung. „Das bedeutet: Gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle.“ Unter dem Motto „Gesundheit ist keine Ware“ will die SPD außerdem die Renditeorientierung im Gesundheitswesen beenden.
Den Sozialstaat, der sich in der Coronakrise bewährt habe, will die SPD stärken. Dazu soll ein Bürgergeld die Hartz-IV-Grundsicherung ersetzen. Der Mindestlohn soll künftig zwölf Euro betragen.
Auch die Mieten nehmen die Sozialdemokraten in ihrem Programmentwurf in den Blick. Die SPD will in „angespannten Wohnlagen“ ein „zeitlich befristetes Mietenmoratorium“ einführen und damit eine Erhöhung der Mieten über die Inflationsrate hinaus unterbinden.
Klima und Digitalisierung
In der Wirtschaftspolitik setzen die Sozialdemokraten auf eine Mischung aus Klimafreundlichkeit und Digitalisierung. Bis zum Jahr 2050, so lautet das Ziel, soll Deutschland klimaneutral sein, die Energieversorgung „vollständig auf erneuerbaren Energien“ basieren.
Die deutsche Industrie soll „auf den Weltmärkten weiterhin führend“ bleiben, indem sie klimafreundliche Technologie wie Wasserstoffmotoren oder CO2-arme Lastwagen exportiert. Auf die Klimaneutalität zielt auch die neue Forderung der SPD nach einem Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf den Autobahn.
Den digitalen Fortschritt verstehen die Sozialdemokraten vor allem als wirtschaftliche Chance, die jedoch wertebasiert ausgestaltet werden müsse. So heißt es in dem Programmentwurf etwa: „Bei der Digitalisierung der Unternehmen müssen die Belegschaften auf Augenhöhe beteiligt werden.“ Insgesamt will die SPD die digitale Infrastruktur vom Schienenverkehr bis zur Gesundheitsversorgung ausbauen. Jährlich seien dafür 50 Milliarden Euro an staatlichen Investitionen nötig.
Mit der Vorstellung des Wahlprogramms geht für die SPD ein mehr als einjähriger Prozess zu Ende. 21 Arbeitsgruppen waren daran beteiligt. Im Mai soll der Bundesparteitag das Programm verabschieden. Dann soll auch Scholz offiziell zum Kanzlerkandidaten gekürt werden.
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