Zoff um die Schuldenregel im Grundgesetz: Was tatsächlich bremst
Braucht Deutschland mehr neue Staatsschulden für Investitionen? Nein. Die Regierung soll das Geld besser ausgeben. Ein Kommentar.
Die Schuldenbremse kam mit Zweidrittelmehrheit in die Verfassung, und sie kann mit einer solchen Mehrheit auch wieder abgeschafft oder stark verändert werden. Was Kanzleramtschef Helge Braun ins Gespräch gebracht hat, ist also machbar – wenn man diese Zweidrittelmehrheit bekommt. Doch sieht es danach aus? Union, SPD und Grüne könnten sich vielleicht auf eine neue Variante verständigen, haben die erforderliche Mehrheit aktuell aber nicht. Ob es nach der Wahl reicht, ist ungewiss.
Die Kritik an der Schuldenregel hat begonnen, als sie in die Verfassung geschrieben wurde. Sie gilt als Investitionsbremse. Das klingt zunächst einmal nach einer schlechten Lösung, denn wer ist schon gegen mehr Investitionen. Aber so war sie tatsächlich gemeint, auch wenn man es etwas konkreter formulieren muss: Sie ist eine Bremse gegen falsche, schlechte, überflüssige Investitionen. Und deshalb ist sie grundsätzlich eine gute Idee.
Die Schuldenbremse zwingt Parlamente und Regierungen, Investitionsentscheidungen mit Bedacht zu treffen. Also im Rahmen einer klugen Ausgabenpolitik. Und im Rahmen einer vernünftigen Einnahmenpolitik, was nicht zuletzt die Steuern betrifft. Sie macht den einfachen Weg über neue Kredite eng. Das mögen Verbandsvertreter und Fachpolitiker nicht gerne sehen, den Steuerzahlern muss es nicht zum Nachteil gereichen, wenn sich die Politik an das Machbare halten muss.
Schuldenbremse hat funktioniert
Die Coronakrise ändert daran nichts. Die Ausnahmeregelung der Schuldenbremse hat bisher funktioniert, sie greift auch in diesem Jahr. Wie sich gezeigt hat, waren 2020 lange nicht so viele neue Kredite nötig, wie vorsichtshalber bereitstanden. Die Wirtschaft brach nicht so stark ein wie anfangs befürchtet. Nun wird die Regierung eine pessimistischere Prognose für 2021 treffen als bisher. Das mag wegen des aktuellen Lockdowns nötig sein. Aber was das Jahr tatsächlich bringt, ist unberechenbar – wie schon 2020. Damit eine Änderung der Schuldenbremse zu begründen, ist mindestens verfrüht.
Es geht bei Brauns Vorstoß aber auch gar nicht so sehr um die Pandemiefolgen. Sondern um Wünsche in der Wirtschaft, die in die Zeit vor dem Virus zurückreichen. Dort will man einfach mehr Impulse vom Staat. Der ist da bisher nicht kleinlich gewesen, die Bundesregierung war schon willig. Aber sie sitzt seit Jahren auf sehr vielen Milliarden, die nicht abfließen. Selbst im Vorjahr hat der Bund Nebenhaushalte erhöht, die Investitionen dienen sollen. So lange es aber erkennbar ein Ausgabenproblem gibt, sollte man nicht über Einnahmen aus neuen Krediten reden. Die vermehren im Zweifelsfall eher die künftige Schuldenlast als dass sie der Wirtschaft einen ordentlichen Kick geben.
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