Frankreich ein Jahr nach der Wahl: Durchregieren à la Macron
Vor einem Jahr wurde Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten gewählt. Die vorläufige Bilanz: Der 40-Jährige vertritt den Typus der charismatischen Führungsfigur - und liefert Ergebnisse.
Vor einem Jahr wählten die Franzosen Emmanuel Macron zum Präsidenten. Es war ein Überraschungssieg – denn vor dem Beginn der heißen Phase im Präsidentschaftswahlkampf hatten die wenigsten dem jungen Kandidaten und seiner Bewegung „En Marche“ den Griff nach dem höchsten Amt in Frankreich zugetraut. Seit seinem Wahlsieg krempelt Macron nun den Staat und die Wirtschaft grundlegend um. Weil er durch die Machtfülle seines Amtes kaum politische Rücksichten nehmen muss, kann er noch weitere vier Jahre durchregieren – mindestens.
Wie groß ist die Unterstützung der Franzosen für Macron?
Misst man den Wahltriumph Macrons vom 7. Mai 2017 an den Ergebnissen seiner beiden Amtsvorgänger, die aus dem Lager der Konservativen und der Sozialisten kamen, dann stellt man fest: Der Gründer der Bewegung „En Marche“ erzielte ein besseres Ergebnis als der Konservative Nicolas Sarkozy und der Sozialist François Hollande bei den jeweiligen Stichwahlen 2007 und 2012. Dass vor einem Jahr 66 Prozent der Franzosen Macron ihre Stimme gaben, hing vor allem mit dessen Gegenkandidatin zusammen, der Chefin des rechtsextremen Front National, Marine Le Pen. Vielen Wählern ging es in erster Linie darum, Le Pen als Präsidentin zu verhindern.
Seit seiner Wahl hat der Hausherr im Elysée-Palast ein Auf und Ab in den Umfragen erlebt. Unmittelbar nach dem Wahlsieg erzielte er noch Zustimmungswerte zwischen 40 und 60 Prozent. Im Juli des vergangenen Jahres präsentierte er sich dann als starker Mann auf der internationalen Bühne, als er US-Präsident Donald Trump zur jährlichen Militärparade zum Nationalfeiertag nach Paris einlud. Macrons Landsleute zeigten sich davon aber nur mäßig beeindruckt. Was für sie zählt, sind vor allem vorzeigbare Erfolge in der Innenpolitik. Zwischenzeitlich sackten die Zustimmungsraten für den Präsidenten im vergangenen Herbst auf 30 Prozent ab.
Als der Präsident anfing, seine Reform-Agenda umzusetzen, gingen die Zustimmungswerte wieder nach oben. Derzeit haben zwischen 40 und 45 Prozent der Franzosen eine positive Meinung von ihrem Oberhaupt. Dies ist ein besserer Wert, als ihn sein Vorgänger Hollande am Ende seines ersten Jahrs im Elysée-Palast vorweisen konnte. Hollande wurde als „flanby“ verspottet – als Wackelpudding, dem in seinem Amt die nötige Härte abging. Macron wird hingegen mit einem anderen Vorwurf konfrontiert: Er sei der „Präsident der Reichen“, lautet das Urteil seiner Kritiker. Die Zeitung „Le Parisien“ analysierte zum Jahrestag der Wahl Macrons, dass die französischen Medien sich schwer tun, den Präsidenten in eine Schublade zu stecken. Mal werde er als „Bonaparte“ beschrieben, mal als „liberal“, mal als „parteiübergreifend“, schrieb das Blatt.
Was hat Macron nach einem Jahr in seinem Land erreicht?
Anders als sein Vorgänger Hollande lässt sich Macron nicht von Kritik beeindrucken. „Ich tue, was ich angekündigt habe“, lautet einer seiner Standardsätze. Einerseits passt der stets strahlende Staatschef ganz gut in eine weltweite politische Szenerie, in der charismatische Führungsfiguren immer mehr in den Vordergrund drängen. Andererseits weiß er aber auch, dass sein Image schnell lädiert wäre, wenn er nicht auch Ergebnisse liefern würde. Und da kann der 40-Jährige schon einiges vorweisen: die Reform des Arbeitsrechts ist in Kraft getreten, eine Verkürzung der Asylverfahren und verschärfte Bestimmungen zur Abschiebung illegaler Flüchtlinge wurden in der Nationalversammlung beschlossen, der Umbau der Staatsbahn SNCF und eine Neuordnung der Arbeitslosenversicherung sind in der Mache.
Die Reformen zielen vor allem darauf ab, Frankreich wieder wettbewerbsfähig zu machen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Macron kommt zugute, dass die Quote der Jobsucher wegen der verbesserten wirtschaftlichen Lage inzwischen auf 8,8 Prozent gesunken ist. Gleichzeitig hat Frankreichs Wirtschaft aber weiter Schwierigkeiten, die alte Krankheit der mangelnden Kompromissfähigkeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu überwinden. Ein Beispiel: Derzeit suchen beide Seiten bei der Fluggesellschaft „Air France“ ergebnislos nach einer Einigung im Tarifstreit. Wie verhärtet die Fronten sind, zeigt der Rücktritt des Konzernchefs Jean-Marc Janaillac vom vergangenen Freitag.
Kann der Staatschef seine Regierungspartei dauerhaft in Frankreich verankern?
Es war kein Zufall, dass Macrons Bewegung „En Marche“ auch gleichzeitig die Initialen ihres Gründers trägt – die Bewegung war komplett auf Macron zugeschnitten. Inzwischen ist aus der Bewegung die Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) geworden. Das ändert aber nichts daran, dass sich die von dem Macron-Vertrauten Christophe Castaner geführte Partei immer noch in der Aufbauphase befindet. Viele der LREM-Abgeordneten, die bei der Parlamentswahl im Juni des vergangenen Jahres erstmals ein Mandat errangen, mussten das politische Geschäft erst neu erlernen.
Der Staatschef verfügt mit „La République en Marche“ über eine Partei, die bislang keine Flügelkämpfe kennt und deren Parlamentsfraktion ihm treu ergeben ist. Nach dem Erfolg bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr muss sich aber erst noch zeigen, ob die Partei auch langfristig auf lokaler Ebene Wurzeln schlagen kann. Vor allem bei den Kommunalwahlen im Jahr 2020 könnte es für die Partei zum Handicap werden, dass ihr Lokalpolitiker mit einem größeren Bekanntheitsgrad fehlen. Dies könnte vor allem in ländlichen Regionen zum Problem werden. Dort hat Macron – anders als in den wohlhabenden Städten – keine starke Basis.
Wie steht die Opposition da?
Mit seiner Wahl zum Präsidenten hat Macron die übrigen Parteien pulverisiert. Die stärkste Oppositionspartei, die konservativen Republikaner, verfügen in der Nationalversammlung, die insgesamt 577 Mitglieder zählt, gerade einmal über 99 Abgeordnete. Die bislang regierenden Sozialisten sind nach ihrem Absturz bei den Präsidentschaftswahlen weiter dabei, ihren Bedeutungsverlust zu verarbeiten.
Auch von den politischen Gegnern ganz links und ganz rechts geht für den Präsidenten derzeit keine Gefahr aus. Die Front-National-Vorsitzende Marine Le Pen wurde zwar im März in ihrem Amt bestätigt. Ob die 49-Jährige, die nach ihrer Wahlniederlage im vergangenen Jahr ausgebrannt wirkte, bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2022 als Spitzenkandidatin für die Rechtsextremen antreten wird, bleibt aber abzuwarten. Bei der Linkspartei „La France Insoumise“ („Das unbeugsame Frankreich“) gilt derweil der Abgeordnete François Ruffin, der am Samstag in Paris eine Anti-Macron-Demonstration mit mehreren zehntausend Teilnehmern organisierte, als neuer Hoffnungsträger. Ruffin macht derzeit den Rang von Jean-Luc Mélenchon streitig, der für das „unbeugsame Frankreich“ im vergangenen Jahr als Präsidentschaftskandidat angetreten war.
Aber auch der 42-jährige Ruffin dürfte Macron kaum Konkurrenz machen. Bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Elabe vertrat jüngst fast jeder zweite Franzose die Ansicht, dass dem Präsidenten aus den Reihen der Opposition derzeit kein ernst zu nehmender Gegner erwächst.