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Pressekonferenz im Weißen Haus. Enden solche Auftritt von Donald Trump vorfristig? Die Stimmung im Kongress dreht sich offenbar gegen den Präsidenten.
© REUTERS

Ukraine-Affäre, Kurden-Desaster und vulgäre Äußerungen: Droht Trump jetzt die Amtsenthebung?

Die Bereitschaft des US-Kongresses Trumps gefährliches Verhalten im Amt einschließlich von Bedrohungen der nationalen Sicherheit zu tolerieren, steht inzwischen ernsthaft in Frage. Ein Gastbeitrag.

-Elizabeth Drew ist eine in Washington tätige Journalistin und die Verfasserin mehrerer Bücher, darunter zuletzt Washington Journal: Reporting Watergate and Richard Nixon’s Downfall.

Erstmals haben in den USA vernünftige Menschen zu spekulieren begonnen, dass Präsident Donald Trump vom Senat verurteilt und damit seines Amtes enthoben werden könnte. Die Wahrscheinlichkeit hierfür ist nach wie vor gering, aber Trumps Position wird schwächer, und die Meinungsumfragen gehen stetig gegen ihn. Allgemeine Annahme ist, dass das Repräsentantenhaus für ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn stimmen wird. Hierüber wird dann im US-Senat entschieden, wo für die Amtsenthebung eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist und wo die Republikaner die Mehrheit haben.

Trump hat sich in der Öffentlichkeit zuletzt nahezu hysterisch aufgeführt und zunehmend unbesonnen und vulgär geäußert. Und er hat einige wichtige außenpolitische Fehler gemacht, die Mitglieder seiner eigenen Partei in Wut versetzt haben. Trumps Einigung mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in einem nächtlichen Telefongespräch über den Abzug von US-Truppen aus Nordostsyrien hat dort eine Tragödie ausgelöst (die USA haben nicht zum ersten Mal ihre kurdischen Verbündeten verraten). Türkische Truppen sind inzwischen in Nordostsyrien einmarschiert, und auch syrische Truppen sind dort auf dem Vormarsch. Aus einigen vormals von den Kurden bewachten Gefängnissen sind gefangene ISIS-Kämpfer entkommen.

Hirngespinste werden zu Tatsachen

Im Zentrum der Außenpolitik Trumps steht nicht überraschend einmal mehr Russland, das sowohl von Trumps Zustimmung zu Erdoğans Ersuchen als auch vom Druck von Trumps Verbündeten auf die Ukraine profitiert. Trump neigt dazu, jedem ihm gegenüber geäußerten Hirngespinst zu glauben, insbesondere Verschwörungstheorien über die Wahl von 2016 – in diesem Fall, dass der wahre Schuldige nicht Russland war, das Trump nachweislich unterstützt hat, sondern die Ukraine. Trump wollte, dass der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj einen Trump von seinem persönlichen Anwalt Rudolph Giuliani in den Kopf gesetzten Mythos untersuchen sollte: dass die Ukraine seiner Gegenkandidatin bei der US-Präsidentschaftswahl 2016, Hillary Clinton, geholfen habe.

Giulianis Rolle im Ukraine-Skandal kommt in den USA zunehmend ans Licht. Inzwischen versucht eine Armee von Reportern, herauszufinden, welche weiteren die Außen- und die Innenpolitik der USA beeinflussenden Schritte er unternommen hat, wer seine übrigen Mandanten sind und wer ihn in seiner angeblichen Rolle als Trumps Anwalt bezahlt. Giuliani, einst weithin respektierter Bürgermeister von New York City, hat sich zu einer makabren nationalen Witzfigur entwickelt, die bei ihren zahlreichen Fernsehauftritten scheinbar außer Kontrolle ist. Es ist bekannt, dass er in der Ukraine eigene Geschäftsinteressen verfolgt hat, und zwar auch in der hochgradig korrupten Erdgasbranche, in der Joe Bidens Sohn Hunter Biden zu einem Zeitpunkt im Vorstand eines Unternehmens saß, als sein Vater US-Vizepräsident war und mit der Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption in der Ukraine betraut war.

Und dann wurden zwei in Russland geborene Mandanten Giulianis, die in den USA lebten und ebenfalls in der ukrainischen Erdgasbranche aktiv waren, am Dulles International Airport außerhalb Washingtons verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, seit 2016 illegale Wahlkampfspenden in Höhe von 630.000 Dollar an Republikanische Kandidaten und politische Unterstützergruppen (sogenannte PACs) geleistet zu haben, darunter 325.000 Dollar an einen Trump unterstützenden PAC. Trump hat bestritten, dass er die beiden Männer kenne, obwohl Fotos von den dreien beim Abendessen im Weißen Haus existieren. „Ich lasse mich mit jedem fotografieren“, so Trump. Das Geld stammt angeblich von einem russischen Oligarchen.

Außenamtsmitarbeiter sind frustiert

Die Spenden umfassten u. a. eine Großspende an einen Republikanischen Kongressabgeordneten, den die Betreffenden erfolgreich drängten, die Entlassung der damaligen US-Botschafterin in der Ukraine Marie Yovanovitch zu fordern, die eine Agenda zur Korruptionsbekämpfung verfolgte. US-Außenminister Mike Pompeo entließ Yovanovitch im Mai, obwohl ein Vertreter des Außenministeriums ihr bestätigte, dass sie nichts Falsches getan habe. Trotz Einwänden des Weißen Hauses sagte Yovanovitch hinter verschlossenen Türen vor einem Unterausschuss des Repräsentantenhauses aus. Ihre einleitende Erklärung, die eine „Aushöhlung“ des Außenministeriums während der Präsidentschaft Trumps betonte, veröffentlichte sie jedoch.

Die Mitarbeiter des Außenministeriums sind laut Berichten aufgrund der Rolle Pompeos bei der Verfolgung von Trumps politischer Agenda – insbesondere seines offensichtlichen Versagens, Yovanovitch, eine respektierte US-Diplomatin, zu schützen – zusätzlich demoralisiert. Es ist bekannt, dass Pompeo Ambitionen auf das Präsidentenamt hat und sich sorgfältig müht, Trump oder seine Anhänger nicht zu verärgern. Auch mehrere Vertreter des Außenministeriums waren besorgt über Giulianis außenpolitischen Nebenjob, und es laufen derzeit strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn wegen des Verstoßes gegen Lobbying-Gesetze.

Trumps kolossaler Schnitzer, Erdoğans Ersuchen um einen Abzug der US-Truppen zuzustimmen, sodass die Türkei in das von den Kurden kontrollierte Gebiet in Nordostsyrien einmarschieren konnte, hat Trumps politische Lage erheblich verschlimmert. Die Kurden genießen aufgrund ihrer Loyalität gegenüber den USA im Irak und in Syrien die Unterstützung beider Parteien. Trump wurde selbst von Senator Lindsey Graham – einem der wenigen Republikanischen Politiker, die Trumps Auftreten gegenüber Selenskyj unterstützt hatten – scharf kritisiert. Und, was besonders ungewöhnlich ist: Der Vorsitzende der Republikanischen Mehrheitsfraktion im US-Senat, Mitch McConnell, äußerte Kritik. „Von einem übereilten Rückzug der US-Truppen aus Syrien würden nur Russland, der Iran und das Assad-Regime profitieren“, so McConnell. „Und er würde die Gefahr erhöhen, dass sich ISIS und andere terroristische Gruppen neu formieren.“ Trumps Verteidigung seiner Entscheidung war absolut bizarr: Die Kurden hätten den USA bei der Invasion in der Normandie während des Zweiten Weltkriegs nicht geholfen. Eine Gruppe aus Parlamentariern beider Parteien formulierte harte Sanktionen, die gegen die Türkei verhängt werden sollten. Trump verhängte einige abgeschwächte Sanktionen.

Weitere Zeugenaussagen werden erwartet

Trump hat vor kurzem eine Reihe von Gerichtsverfahren verloren, darunter eines darüber, ob er dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses des Repräsentantenhauses seine Steuerbescheide aushändigen muss, und ein weiteres über seine Ausrufung des nationalen Sicherheitsnotstandes, um Gelder für militärische Bauten zweckzuentfremden und so seine berüchtigte Mauer zu bezahlen. Er droht jetzt, die Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi und den Vorsitzenden des Geheimdienstlichen Ausschusses des Repräsentantenhauses Adam Schiff zu verklagen, weil sie versuchten, ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn einzuleiten. Trump hat die langjährige Gewohnheit, derartige Drohungen auszusprechen und dann nicht umzusetzen. Aber er hat den Rechtsberater des Weißen Hauses ein Schreiben an Pelosi verschicken lassen, in dem geltend gemacht wird, dass die Voruntersuchung zur Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens verfassungswidrig sei, und wo es heißt, dass die Regierung dabei in keiner Weise mitwirken würde. Trumps Missachtung des Kongresses garantiert praktisch, dass zusätzlich zu anderen möglichen Vorwürfen ein Amtsenthebungsverfahren wegen Justizbehinderung gegen ihn eingeleitet wird. Weitere für Trump schädliche Zeugenaussagen werden für diese Woche erwartet.

Angenommen, das Repräsentantenhaus stimmt letztlich für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump, so bleibt die Tatsache, dass im Senat die nötigen Stimmen fehlen, um Trump zu verurteilen und seines Amtes zu entheben. Doch die Bereitschaft des Kongresses – einschließlich des Senats –, sein gefährliches Verhalten im Amt einschließlich von Bedrohungen der nationalen Sicherheit zu tolerieren, steht inzwischen ernsthaft in Frage.

-Aus dem Englischen von Jan Doolan. Copyright: Project Syndicate, 2019. www.project-syndicate.org

Elizabeth Drew

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