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Am vergangenen Wochenende knallte es bei einer Kundgebung der „Querdenken“-Bewegung. Darauf will die Polizei in Kassel vorbereitet sein.
© Sebastian Kahnert/dpa

Sorge vor neuer Eskalation: Dresdner „Querdenken“-Demo könnte Kassel als Vorbild dienen

In Sachsen sorgt der Einsatz um die Demo vom vergangenen Wochenende in der Kenia-Koalition noch für Irritationen. Am Sonnabend droht in Hessen neue Gewalt.

Es sind keine gänzlich neuen Bilder, die am vergangenen Sonnabend in Dresden entstanden sind. Tausende maskenlose Demonstranten, durchbrochenen Polizeiketten und teils brutale Gewalt einzelner Protestierender gegen Beamte und Presse. 

Die „Querdenken“-Demonstrationen Ende August in Berlin hatten ähnliches produziert, im November folgte Leipzig. Unter dem Motto „Es reicht“ hatten sich anlässlich des Beginnes des ersten Lockdowns vor etwa einem Jahr in zahlreichen deutschen Städten tausende Gegner der Corona-Maßnahmen sowie Relativierer und Leugner der Pandemie am letzten Wochenende versammelt.

In Städten wie Düsseldorf, Stuttgart, München und Dresden kam es teils zu massiven Verstößen gegen die Hygiene-Auflagen. Um eben dies zu verhindern, hatte die Versammlungsbehörde der sächsischen Landeshauptstadt die Demonstration im Vorfeld für verboten erklärt. Nur hielt sich niemand dran.

Tausende Demonstranten lieferten sich über Stunden mit der Polizei ein Katz-und-Maus-Spiel durch die Dresdner Innenstadt. Videos dokumentieren teils brutale Angriffe durch „Querdenker“ auf Polizeikräfte. Die Einsatzbilanz der sächsischen Polizei von zwölf verletzten Beamten und über eintausend festgestellten Verstößen durch Versammlungsteilnehmer spricht für sich. Schon wieder eine eskalierte Demonstration der Corona-Bewegung und schon wieder in Sachsen.  

Laut Innenminister Roland Wöller (CDU) habe die Polizei in Dresden am vergangenen Samstag „Recht und Ordnung für alle durchgesetzt“. In einer Pressekonferenz am Dienstag sprach der Innenminister darüber hinaus davon, dass die Polizei „angemessen und verhältnismäßig“ reagiert hätte.

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Als Erfolg des Einsatzes verbuchte der CDU-Politiker, dass die Polizei über den gesamten Tag sensible Gebäude wie das Dresdner Impfzentrum sowie den sächsischen Landtag hätte schützen können. 

Gleichzeitig berichtete der sächsische Landespolizeipräsident Horst Kretzschmar davon, dass der Polizeifunk ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als es in der Dresdner Innenstadt zu Gewaltszenen kam, über einen Zeitraum von 90 Minuten ausfiel. Der Grund ist bisher unbekannt, die Polizeikräfte hätten über ihre Smartphones kommuniziert, so Kretzschmar.

Noch am Samstag hatte der stellvertretende sächsische Ministerpräsident Wolfram Günther (Grüne) via Twitter mitgeteilt, dass über die Frage „warum das Demoverbot nicht durchgesetzt wurde“ im Kabinett zu sprechen sei. Angesprochen auf mögliche Kritik durch die Koalitionspartner am Einsatz teilte Innenminister Wöller mit, dass er „keine Kritik wahrgenommen“ hätte.  

Das sorgt für Irritationen in der sächsischen Kenia-Regierung aus CDU, SPD und Grünen. Aus Koalitionskreisen erfuhr der Tagesspiegel, dass mehrere Kabinettsmitglieder ihre Kritik am Demonstrationsgeschehen und dem damit zusammenhängenden Einsatz deutlich gemacht hätten. Auch wenn die Interpretation von Kritik dem Innenminister selbst überlassen sei, müsste Herrn Wöller bewusst sein, dass noch viele Fragen offen sind, heißt es.  

Das sieht der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann, ähnlich. „Ich habe auch nach der Pressekonferenz keineswegs den Eindruck, dass dieser Einsatz gut gelaufen ist. Es sind weiterhin eine Vielzahl von Fragen zu klären. Der richtige Ort dafür ist die Sitzung des Innenausschusses am Donnerstag“, sagte Lippmann dem Tagesspiegel. „Ich bleibe dabei, dass die Mobilisierungsfähigkeit und das Gewaltpotenzial der Querdenken-Demo, wie schon im November in Leipzig, offenbar unterschätzt wurde. Dass das kein friedlicher Demonstrationsverlauf war, belegt die Zahl der Straftaten und der verletzten Polizeibediensteten.“  

Dresden könnte Kassel als Vorbild dienen

Unterdessen steht die nächste größere Mobilisierung der „Querdenken“-Bewegung für kommenden Sonnabend in Kassel an. Im Unterschied zum Wochenende zuvor, an dem in diversen Landeshauptstädten demonstriert wurde, wird bundesweit für den Kasseler Protest geworben. Zu erwarten ist eine vierstellige Teilnehmerzahl.

Daran wird voraussichtlich auch das von der Stadt Kassel erlassene Verbot der Großdemonstration aus Infektionsschutzgründen nichts ändern. Auf dem Messengerdienst Telegram herrscht eine „Jetzt erst Recht“-Stimmung und auch die Veranstalter, die „Freie Bürger Kassel“, rufen weiterhin zu ihrer aktuell verbotenen Demonstration auf und kündigten zugleich an, auf dem Rechtsweg gegen das Verbot vorzugehen. 

„Wenn es den Behörden wirklich um den Infektionsschutz geht, dann können sie entscheiden, ob sie es geordnet oder ungeordnet haben wollen“, heißt es vonseiten der Veranstalter.  

Währenddessen zeigt sich die Kasseler Polizei gut vorbereit auf die mögliche Großeinsatzlage am Sonnabend. Polizeisprecher Matthias Mänz sprach dem Tagesspiegel gegenüber davon, dass die Behörden die weitere Mobilisierung „aufmerksam beobachten“ werden, um dann mit einer „angemessen Zahl von Beamten“ am Samstag im Einsatz zu sein.

In die Einsatzplanungen würden auch die Erfahrungen der sächsischen Polizei mit dem Demo-Verbot in Dresden einfließen, so Mänz. Und tatsächlich könnte ausgerechnet Dresden für Kassel als Vorbild fungieren.

Am 12. Dezember war eine erste „Querdenken“-Demonstration in der Elbstadt von den Behörden verboten worden. Tausende Beamte sorgten den kompletten Tag dafür, dass es zu keinen größeren Ansammlungen in der Stadt kam. So wurden unter anderem am Hauptbahnhof mehrere Hooligan-Gruppen von Bundespolizisten abgefangen und in Gewahrsam genommen beziehungsweise direkt wieder nach Hause geschickt.

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