zum Hauptinhalt
Ägyptens Ex-Präsident Hosni Mubarak.
© dpa
Update

Ägypten: Drei Jahre Haft für Ex-Präsident Mubarak

Ägyptens ehemaliger Präsident ist zu drei Jahren Gefängnis wegen Korruption verurteilt worden. Ein weiterer Prozess gegen Mubarak läuft aber noch. Nächste Woche wählen die Ägypter einen neuen Präsidenten.

Ein Strafgericht in Kairo hat am Mittwoch Hosni Mubarak zu drei Jahren Haft verurteilt. Der Richter befand den ägyptischen Ex-Machthaber, der im Februar 2011 durch sein Volk zum Rücktritt gezwungen worden war, schuldig, für den Ausbau seiner privaten Residenzen seit 2002 öffentliche Mittel in Höhe von 12,5 Millionen Euro veruntreut zu haben. Mubaraks mitangeklagte Söhne Alaa und Gamal erhielten vier Jahre. Die Verurteilten müssen den gesamten Schaden ersetzen und obendrein eine Geldstrafe von 2,2 Millionen Euro zahlen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Anwalt der Familie Mubarak kündigte Berufung an.

Gegen Mubarak laufen insgesamt drei Verfahren, zwei davon wegen Korruption und Selbstbereicherung im Amt. In dem dritten, zentrale Prozess dagegen geht es um Beihilfe zum Mord in mehr als 800 Fällen. Die Staatsanwaltschaft wirft Mubarak vor, den Schießbefehl der Sicherheitskräfte auf Demonstranten im Januar und Februar 2011 entweder selbst angeordnet oder zumindest gebilligt zu haben. In erster Instanz war Mubarak im Juni 2012 dafür zusammen mit dem damaligen Polizeichef Habib al Adly zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das höchste Gericht Ägyptens jedoch, das Kassationsgericht, hob im Januar 2013 diese Urteile auf und ordnete eine Neuauflage des Strafprozesses an. Dieser begann im Mai 2013, wurde bereits mehrfach vertagt und findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, ohne dass ein Ende absehbar ist. In diesem noch laufenden Verfahren droht ihm die Todesstrafe.

Die beiden übrigen Verfahren gegen Mubarak beschäftigen sich mit Unterschlagung, Korruption und Selbstbereicherung im Amt. Wahrend der eine Prozess am Mittwoch mit dem dreijährigen Hafturteil endete, ist der Ausgang des anderen offen. Mubarak war im Sommer letzten Jahres aus dem Tora-Gefängnis entlassen worden und lebt seitdem in einer Krankensuite des Militärhospitals von Maadi unter Hausarrest. Zur Urteilsverkündung erschien der 86-Jährige im Rollstuhl und dunklem Anzug, seine beiden Söhne in der weißen Kleidung von Untersuchungshäftlingen.

Dem Korruptionsurteil liegt eine über 2000 Seiten lange Anklageschrift zugrunde, die in den vergangenen Wochen auch der Online-Zeitung „Madr Masr“ zugespielt wurde und im Wesentlichen auf den Aussagen eines Kronzeugen beruht. Danach ordnete die Familie Mubarak regelmäßig an, Steuermittel für Umbau oder Luxusausstattung ihrer Privatvillen in Heliopolis, Orabi, Katameya, Sharm El-Sheikh und Marina zu benutzen und dann als Ausgaben zur Instandhaltung des landesweiten, präsidialen Telekommunikationsnetzes abzurechnen. Ausführende Firma war der Konzern „Arab Contractors“, dessen langjähriger Chef bis 2012 der jetzige Premierminister Ibrahim Mehleb war. Nach Angaben von Madr Masr legen die Akten nahe, dass die Unterschlagung der Steuermittel mit Wissen und Billigung Mehlebs erfolgte.

In der kommenden Woche wählen die Ägypter einen neuen Präsidenten. Und Umfragen lassen kaum einen Zweifel: Sie wählen Feldmarschall Abdel Fattah al Sisi mit haushoher Mehrheit zu ihrem neuen Präsidenten. Am Montag beginnt die zweitägige Wahl, deren Spannungsfaktor gegen Null tendiert.

Im Westen, wo die Proteste gegen Langzeitpräsident Mubarak 2011 auf große Sympathie gestoßen waren, dominiert in Bezug auf Ägypten die Ratlosigkeit. Regierungsvertreter und Experten fragen sich verzweifelt, weshalb sich die Ägypter bloß erneut dem Diktat des Militärs unterwerfen wollen. Die häufigste Antwort, die man darauf am Nil zu hören bekommt, ist ebenso schlicht wie überzeugend: „Wir haben das Chaos satt!“ Ob einige Kräfte, die heute bei der Kampagne von Al Sisi die Strippen ziehen, vielleicht mit dazu beigetragen haben, dieses Chaos zu schüren - geschenkt. Das sind für die meisten Wähler akademische Fragen, mit denen sie sich nicht aufhalten. Sie dürften schnell Klarheit bekommen: Das offizielle Endergebnis ist für den 5. Juni angekündigt.

Viel Auswahl haben die knapp 54 Millionen Wahlberechtigten ohenhin nicht. Außer Al Sisi tritt nur Hamdien Sabahi an. Er teilt mit Al Sisi die Begeisterung für den sozialistischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, der von Mitte der fünfziger Jahre bis 1970 amtierte.

Der volksnahe Sabahi hatte als Kandidat der Linken 2012 den dritten Platz hinter dem Islamisten Mohammed Mursi und dem „Ancien-Regime-Kandidaten“ Ahmed Schafik belegt. In den jüngsten Umfragen liegt er weit abgeschlagen hinter Al Sisi, der den Muslimbruder Mursi im Juli 2013 nach Massenprotesten entmachtet hatte. Sabahis Chancen gelten als so gering, dass die Ägypter schon Witze darüber machen. In einer Persiflage auf die Schiffsuntergangsszene in dem Film „Titanic“ bedrängt der sterbende Jack (Leonardo DiCaprio) seine Geliebte: „Ich weiß, es gibt keine Hoffnung, aber versprich mir trotzdem, dass du Sabahi wählen wirst!“ Während Mursi und andere Funktionäre der Muslimbruderschaft heute im Gefängnis schmoren, wird Al Sisi von seinen Anhängern und den staatlichen Medien zu einer Art Lichtgestalt verklärt. Der Personenkult um den Feldmarschall nimmt immer groteskere Züge an.

Eine ägyptische Braut ließ sich kürzlich während ihrer Hochzeitsfeier mit einem Transparent ablichten, auf dem Al Sisis Kopf in einem roten Herz zu sehen war. Darunter stand: „Mein Ehemann und ich, wir werden Al Sisi wählen.“ Eine Gruppe frustrierter Aktivisten und Intellektueller schlug angesichts der akuten „Sisi-Mania“, die weite Teile der Bevölkerung ergriffen hat, spaßeshalber vor, der US-Schauspieler Kevin Spacey könne doch als Kandidat „Kevin al Spacey“ gegen den Feldmarschall antreten. Spacey spielt in der US-Serie „House of Cards“ den skrupellosen Politiker Francis Underwood, der Präsident der Vereinigten Staaten werden will. Underwoods Motto lautet: „Der Weg zur Macht ist gepflastert mit Heuchelei und Opfern.“ Das ägyptische Militär hat die aktuelle Runde des Machtkampfes mit den einstmals so populären Muslimbrüdern für sich entschieden. Die Strategie der Brüder, die sich als „Märtyrer“ für die Freiheit positioniert haben, ist nicht aufgegangen. Auch Kritiker des Militärs, die nicht mit den Muslimbrüdern sympathisieren, wurden in den vergangenen Monaten durch ein neues Demonstrationsgesetz und andere Einschüchterungsmaßnahmen mundtot gemacht.

Um den Islam geht es in diesem Machtkampf zwischen den Al-Sisi-Anhängern und den Militärs nicht. Schließlich wird Al Sisi auch von einem Teil der Salafisten-Bewegung unterstützt. Der fromme Feldmarschall hat sogar selbst einen dunklen „Gebetsfleck“ auf der Stirn, was in Ägypten als Zeichen besonderer Frömmigkeit gedeutet wird. Seine Ehefrau bedeckt ihr Haar mit einem eng anliegenden Tuch - ein Look, der in der ägyptischen Mittelschicht inzwischen weit verbreitet ist.

Die Mehrheit der Ägypter wünsche sich als Präsidenten eine Art Supermann mit Zügen eines Diktators, stellte Tamer Abu Arab kürzlich in einem Kommentar für die Kairoer Tageszeitung „Al-Masry Al-Youm“ fest. Er schreibt frustriert: „Wir vergeuden unsere Zeit, wenn wir versuchen, den Al-Sisi-Anhängern klarzumachen, dass sie ihn nicht wählen sollen, weil das Risiko besteht, dass er zu einem Diktator werden könnte. Denn sie unterstützen ihn ja überhaupt nur, weil sie einen Diktator wollen.“

Im Ausland hat al Sisi bereits eine satte Mehrheit erzielt. In mehreren Ländern stimmten mehr als 90 Prozent der dort ansässigen ägyptischen Wähler für den Feldmarschall. Laut dem unoffiziellen Ergebnis, das die staatlichen Medien in der Nacht zum Mittwoch veröffentlichten, erhielt sein einziger Herausforderer, der Linkspolitiker Hamdien Sabahi, zwischen 2,3 und 24,2 Prozent. Bei der Abstimmung in Deutschland stimmten 82,6 Prozent der Wähler für Al Sisi. Sabahi erhielt 17,4 Prozent der Stimmen.
Den Angaben zufolge hatten sich an der Wahl, die am vergangenen Donnerstag begonnen hatte und vier Tage andauerte, mehr als 300 000 Wähler beteiligt. (mit dpa)

Zur Startseite