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Al Sisi (l.) hängt die Uniform an den Nagel.
© AFP

Ägypten: Feldmarschall al Sisi will Präsident werden

Der ägyptische Armeechef Abdel Fattah al Sisi hat seine Kandidatur für die anstehende Präsidentschaftswahl verkündet. Die Muslimbruderschaft übt scharfe Kritik.

Zwei Monate lang zauderte er und ließ die Nation warten. Am späten Mittwochabend dann, 48 Stunden nach dem bizarren Massen-Todesurteil von Minia und begleitet von schweren Universitätskrawallen quer durch ganz

Ägypten, trat Armeechef Abdel Fattah al Sisi endlich vor die Kameras und erklärte seine Kandidatur für das Präsidentenamt. „Unser Land steht vor monumentalen Herausforderungen“, deklamierte der 59-Jährige und forderte seine Landsleute auf, den Realitäten ins Auge zu sehen. „Wir müssen ehrlich zu uns selber sein“, sagte er und fügte hinzu, er könne keine Wunder vollbringen. Das „klapprige Staatsystem“ funktioniere nicht mehr, die Arbeitslosigkeit von Millionen junger Leute sei nicht akzeptabel, genauso wenig wie die mangelhafte medizinische Versorgung des Volkes. Auch könne sich Ägypten nicht einfach weiterhin auf Zuschüsse von außen stützen – eine Anspielung auf die bisher 16 Milliarden Dollar Soforthilfen der reichen Golfstaaten.

Sisi kündigte an, er werde „wegen der bekannten Umstände“ keinen herkömmlichen Wahlkampf führen. „Wir sind von Terroristen bedroht, die unser Leben und unsere Sicherheit zerstören wollen“, erklärte er und versprach, er werde jeden Tag für ein Ägypten „frei von Furcht und Terror“ kämpfen. Der Wahltermin steht noch nicht fest, wahrscheinlich wird das Votum Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden. Einziger Gegenkandidat ist bisher des linke Nasserist Hamdeen Sabahi, der bei der ersten Post-Mubarak Präsidentschaftswahl im Mai 2012 auf dem dritten Platz landete und vor allem in der Hauptstadt Kairo sehr gut abschnitt. Andere ehemalige Bewerber von 2012, wie der moderate Islamist Abdel Moneim Abul Fotouh und der linke Arbeitsrechtler Khaled Ali, dagegen schlossen eine erneute Kandidatur aus. Das Ganze sei eine Farce und er weigere sich „bei diesem Puppentheater mitzumachen“, erklärte Ali.

Weitere Massenprozesse angekündigt

Salafisten und die Tamarud-Bewegung, die den Sturz Mursis im Sommer 2013 durch eine Unterschriftenkampagne mit ausgelöst hatte, dagegen sagten Sissi ihre Unterstützung zu. Die Muslimbruderschaft ließ durch ihren von London aus agierenden Sprecher Ibrahim Muni erklären, „es wird keine Stabilität und Sicherheit in Ägypten geben, wenn Sisi die Wahl gewinnt.“ Die neu gewählte Chefin der „Dostour“-Partei, die 2012 von Friedensnobelpreisträger Mohamed el Baradei mit gegründet worden war, verlangte gleiche Chancen für alle Bewerber. „Wir fordern, dass Sissi als ein Kandidat wie alle anderen gilt und nicht durch die Institutionen des Landes bevorzugt wird“, erklärte Hala Shukrallah.

Denn Ägypten erlebt seit Monaten eine beispiellose Welle der Repression durch Armee, Polizei und Militär -  nicht nur gegen die zur Terrororganisation erklärten Muslimbrüder, auch gegen alle Andersdenkenden und Kritiker des Regimes. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sind mittlerweile 40 Prozent der rund 16.000 politischen Gefangenen Demokratieaktivisten, Journalisten und Studenten. Gerichte, Staatsanwaltschaften und Sicherheitskräfte agieren praktisch völlig autonom und ohne jede zivile Aufsicht. So kündigte Ägyptens Justiz ungeachtet des verheerenden internationalen Echos auf die 529 Todesurteile vom Montag inzwischen weitere Massenprozesse gegen Mursi-Anhänger an.

Innerhalb der Armee gibt es offenbar bei einer Minderheit hoher Offiziere Bedenken gegen Sisi Präsidentschaftspläne. Einer der Kritiker, der bisherige kommandierende General auf dem Nordsinai, Ahmed Wasfi, erklärte in einem Fernsehinterview, wenn Sissi sich an die Spitze des Staates wählen lasse, lege das nahe, dass die Entmachtung seines Vorgängers Mursi tatsächlich ein Militärputsch war und keine so genannte „zweite Revolution“. Auch fürchten interne Kritiker, wenn Sissi als Präsident scheitert und die Wirtschaft weiter auf Talfahrt bleibt, könnte die Öffentlichkeit demnächst auch traditionelle Privilegien und Industriebeteiligungen des Militärs zur Disposition stellen. Einen ersten Vorgeschmack gab es bereits beim gegenwärtigen nationalen Ärztestreik, als Mediziner und Pflegekräfte forderten, die gut ausgestatteten Militärhospitäler künftig auch für kranke Normalbürger zu öffnen.

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