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Blick über Abraumhalden des Jänschwalder Braunkohletagebaus in Brandenburg (Archivfoto von 2015).
© DPA

Klimapolitik: Dreck verteuern – und damit die Welt retten

Ein Klub der Willigen soll das Klima retten – die Idee, für die es den Wirtschaftsnobelpreis gab. Nun muss sie nur noch eingeführt werden. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Harald Schumann

Die Vergabe des Nobelpreises für Ökonomie ist gemeinhin eine trockene Angelegenheit. Allzu oft geht es darum, das komplexe wirtschaftliche Geschehen in mathematische Formeln zu pressen, die am wirklichen Leben vorbeigehen.

Aber in diesem Jahr war die Preisverleihung eine sehr politische Veranstaltung. Denn einer der Preisträger ist der US-Ökonom William Nordhaus, der schon seit 1975 nach Antworten auf jene Frage sucht, die er selbst „die ultimative Herausforderung“ für seine Zunft nennt: Wie kann die Wirtschaft so umgebaut werden, dass der Klimawandel beherrschbar bleibt? Wie können Milliarden von Menschen und Millionen von Unternehmen dazu gebracht werden, den Verbrauch von fossilen Brennstoffen radikal zu senken?

Nordhaus, auch er ein Ökonom alter Schule mit der Liebe zur Formel, benannte zunächst die klassische Antwort, wie sie in der Wirtschaftswissenschaft weitgehend Konsens ist. Der Ausstoß von Treibhausgasen müsse mit Steuern und Abgaben so weit verteuert werden, dass der Preis den tatsächlichen Kosten der drohenden Zerstörung und Vertreibung entspricht. In der Folge würden sich abgasfreie Technologien einfach deshalb durchsetzen, weil sie billiger sind.

Wenn nicht ganze Welt mitmacht, dann wenigstens ein "Club der Willigen"

Doch so einfach das klingt, so unmöglich war bisher die praktische Umsetzung. Solange die Steuer auf Klimagifte nicht gleich weltweit eingeführt wird, profitieren vor allem jene Staaten, die nicht mitmachen. Es würde wenig nutzen, wenn etwa in Europa die von Nordhaus anvisierte Abgabe von 50 Dollar pro Tonne Kohlendioxid erhoben würde, während die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas in den USA oder China billig bliebe. Die entsprechenden Industrien würden sich dort konzentrieren, nichts wäre gewonnen. Zur Lösung für dieses Problem der „free rider“ machte sich Nordhaus einen für traditionelle Ökonomen geradezu ketzerischen Vorschlag zu eigen. Die reformbereiten Staaten, so forderte er, sollten einen „Club“ bilden, eine Allianz der Willigen, die nicht nur die nötigen Abgassteuern erhebt. Zugleich sollte sie die Zölle auf die Importe aller davon betroffenen Produkte soweit anheben, dass die Hersteller in Ländern ohne entsprechende Steuern keinen Vorteil mehr hätten. Um ihre Exportmärkte nicht zu verlieren, würden die meisten Staaten früher oder später mitmachen, erwartet Nordhaus. Das bricht zwar mit dem Dogma vom freien Welthandel, aber es passt umso besser zum Geist von Donald Trump und seinen Anhängern. Nur würde die Handelspolitik nicht für „America first“ genutzt, sondern in den Dienst der Weltrettung gestellt.

Für die praktische Anwendung bedürfte es jedoch zwingend eines weiteren Mechanismus, den Nordhaus in seiner Preisrede nicht einmal erwähnte. Die notwendigen Abgaben und Zölle dürften keinesfalls einfach der Staatskasse zufließen und die Bürger mit den folgenden Preissprüngen allein lassen.

Die Schweiz zahlt die CO2-Abgabe an die Bürger aus

Wohin das führt, hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit seiner geplanten Spritsteuer gerade auf die harte Tour gelernt. Die Verlierer würden rebellieren. Darum müssten „die Erlöse einer CO2-Abgabe direkt denen zugutekommen, die sie bezahlt haben“, wie Karsten Neuhoff, der leitende Klimaökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung jetzt im „Makronom“ schrieb, dem besten deutschen Blog zu Wirtschaftsthemen. Nur so ließe sich verhindern, dass ärmere Haushalte, die anteilig mehr für Heizen und Verkehr ausgeben, die größten Opfer bringen müssen. Das Prinzip ist unter dem Titel „Fee and Dividend“ sogar unter Amerikas Konservativen populär. Zuletzt machten sich der frühere republikanische Finanzminister Hank Paulson dafür stark. Und die Schweiz zeigt, wie es geht. Dort erhebt der Staat eine ansteigende Abgabe von demnächst 91 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Zwei Drittel der Einnahmen zahlt der Fiskus direkt an die Bürger zurück. Das letzte Drittel dient der Gebäudesanierung, um die Heizkosten zu senken. Weil auch die Schweizer ihre Schwerindustrie nicht verlieren wollen, ist diese jedoch von der Steuer ausgenommen.

Diesen schweren Mangel könnte erst die Koppelung von Abgaben und Zöllen beheben, wie sie Nobelpreisträger Nordhaus vorschlägt. Das allerdings kann im integrierten Europa nur über die EU laufen, und dafür fehlte der bisherigen EU-Kommission der Mut. Aber das muss nicht so bleiben. In fünf Monaten wird das EU-Parlament neu gewählt und mit ihm indirekt die Kommission. Eine Klimapolitik, die weltweit Wirkung erzeugt, wäre ein starkes Wahlkampfthema.

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